Wie zu Beginn jedes Jahres fassen wir noch einmal zusammen, was Zentralasien im Vorjahr bewegt hat.
Die Coronavirus-Pandemie, die die Nachrichten des Jahres 2020 in Zentralasien dominiert hat, ist dieses Jahr trotz weiterer Wellen eher in den Hintergrund der regionalen Nachrichten geraten. Vielmehr ging es 2021 um Wahlen, ökologische Krisen, Grenzspannungen und weitere gesellschaftliche Entwicklungen. Das Jahr im Überblick.
Kasachstan: Ökologische Krisen und eigene Entwicklungen
Wie im Vorjahr ist Kasachstan weiterhin mit ökologischen Problemen konfrontiert, die Konsequenzen für die Bevölkerung und die Wirtschaft haben. Bereits 2020 intensivierte sich die Wasserknappheit im Land und es kam die Sorge auf, dass das Schicksal des Aralsees sich an anderen Gewässern – wie am Balqash-See – wiederholen könnte.
2021 erregten die Entwicklungen am Ural verstärkt Aufmerksamkeit: Durch den starken Wasserverbrauch der Bevölkerung und die Wassernutzung von Industrieanlagen kommt es zum Rückgang der Wassermengen des Ural. Zudem fließt wegen der industriellen Nutzung des Wassers zugleich verschmutztes Wasser zurück in den Fluss. Die Belastung und der Rückgang des Urals haben außerdem negative Auswirkungen im Arbeits- und Wirtschaftsbereich. Der Fluss ist so flach geworden, dass Schifffahrt nahezu unmöglich geworden ist – und dadurch sterben Berufe wie Schiffsmechaniker und Schiffsführer aus.
Ein Lichtblick in Sachen Umweltschutz schien die im September angekündigte Aussetzung der Trockenlegung des Taldykól-Sees. Jedoch wurde im Oktober vom Umweltministerium bekannt gegeben, dass der See doch trockengelegt werden soll, um Platz für Wohnungsbau zu machen.
Im März wurde die Luft in der Großstadt Almaty als „ungesund“ eingestuft, die Hauptstadt Nur-Sultan befindet sich unter den zehn Städten mit der schlechtesten Luftqualität weltweit. Regierungsvertreter:innen sehen die Schuld für die Luftverschmutzung bei Fahrzeugen und stellten die Verantwortung des Einzelnen dafür in den Mittelpunkt, obwohl die Kohleindustrie eine der Hauptursachen für Luftverschmutzung in Kasachstan ist. In Almaty werden von Umweltforscher:innen Messgeräte entwickelt, die zur Erfassung der Lage in den betroffenen Städten beitragen sollen.
Neben Wasserknappheit und Luftverschmutzung gibt es in Teilen des Landes auch aufgrund von Hitze kritische Situationen: Im Juli wurde in Südkasachstan ein Notstand ausgerufen. Viele Gebiete des südlichen Kasachstans waren ab Sommerbeginn von Wassermangel und Dürre betroffen. Darunter litt der landwirtschaftliche Sektor besonders, da Reisanbau und Viehhaltung enorm erschwert wurden. Kasachstans Präsident Qasym-Jomart Toqaev entließ im Juli Landwirtschaftsminister Saparhan Omarov, da dieser nicht richtig auf den Notstand reagiert habe.
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Nach einer Explosion in einem Munitionsdepot in Südkasachstan trat Verteidigungsminister Nurlan Ermekbaev im August zurück. Im Amt folgte ihm Murat Bektanov. Bei der Explosion kamen 15 Menschen ums Leben und 98 weitere wurden verletzt. Der 29. August wurde zum nationalen Trauertag ausgerufen.
Auf die Herausforderungen der Corona-Pandemie reagierte Kasachstan mit eigener Innovation: Ende April begann die Impfkampagne mit dem Impfstoff QazVac, der in Kasachstan hergestellt und entwickelt wurde. Vorher wurde im Januar die App „Ashyq“ entwickelt und getestet. Die App sollte vor allem den Zugang zu Geschäften regulieren und dazu beitragen, dass sichergestellt werden kann, dass keine Covid-erkrankten Menschen sie betreten.
Kirgistan: Aufbau einer Machtvertikale
Nach dem politischen Umbruch im Herbst 2020 wurde das politische System in Kirgistan im Jahr 2021 entsprechend den Wünschen des neuen Machthabers Sadyr Dschaparow umgestaltet. Parallel zu seiner Wahl im Januar entschied sich eine Mehrheit der Wähler:innen für ein Präsidialsystem. Eine entsprechende neue Verfassung mit ausgeprägter Machtvertikale wurde im April verabschiedet.
Die Regierung – beziehungsweise nach neuer Verfassung das Ministerkabinett – wechselte zwei Mal, im Februar und im Oktober. Im November wurde schließlich ein neues Parlament gewählt – die Abgeordneten der 6. kirgisischen Legislaturperiode tagten also mehr als ein Jahr jenseits ihres Mandats. Ihre Nachfolger:innen sind weniger zahlreich, haben weniger Macht und sind mehrheitlich regierungstreu. Bei allen drei Wahlen war die Wahlbeteiligung gering – zwischen 33 und 36 Prozent. Laut dem stellvertretenden Kabinettsleiter Edil Baisalow war der Umbruch des politischen Systems die Hauptaufgabe des Jahres: „Der Präsident nimmt seine Rolle erst jetzt voll wahr”, zitierte ihn die kirgisische Onlinezeitung Kloop.kg im Dezember.
Dabei gibt es viel zu tun. Das Jahr 2021 klang rund um Nachrichten um weitere Schusswechsel an der Grenze zu Tadschikistan aus, nachdem die Beziehung zwischen den beiden Ländern Ende April durch die tödlichsten Auseinandersetzungen seit Jahren erschüttert wurde. Es folgten weitere Verhandlungsrunden um den Grenzverlauf und auch Grenzschließungen. Die strukturellen Gründe für die Spannungen bestehen aber weiter.
Auch der Konflikt rund um die Goldmine Kumtör bleibt nach ihrer de facto Nationalisierung ungelöst. Zudem prägten Nachrichten zu Armut, Energieknappheit, Gewalt gegen Frauen, Umweltverschmutzung und weitere langfristige Probleme die Nachrichten im vergangenen Jahr.
In Sachen internationale Beziehungen verfolgt Kirgistan weiter eine mehrseitige Außenpolitik und setzt scheinbar verstärkt auf eine Zusammenarbeit mit der Türkei, die im Dezember noch militärische Drohnen [ru] für die Grenzüberwachung lieferte. Im Mai und Juni sorgte die Entführung von Orhan Inandı, dem Leiters eines kirgisischen Schulnetzes, für Schlagzeilen. Manche Kommentatoren sehen kirgisische Sicherheitsdienste als Beteiligte an Inandıs Verschleppung in die Türkei. Inandı, der mit dem Gülen Netzwerk in Verbindung gebracht wird, ist doppelter Staatsbürger. Auch die Europäische Union zielt weiter auf eine Verstärkung der Beziehungen mit Kirgistan; im November fand etwa in Bischkek ein entsprechendes Wirtschaftsforum statt.
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Ebenfalls in den letzten Tages des Jahres wird mit dem Hotel Yssykköl [ru] im Süden Bischkeks ein weiteres architektonisches Merkmal aus der Sowjetzeit zerstört. Erst Anfang November erlitt eine Gruppe Aktivist:innen in ihrem mehrjährigen Einsatz für eine Vergesellschaftlichung des städtischen Planetariums eine endgültige juristische Niederlage [ru].
Lichtblicke gibt es in den Bereichen Sport und Kultur. Nachdem der kirgisische Fußballverband im März sein hundertjähriges Bestehen feierte, erreichte das Land mit drei Medaillen im Ringen bei den Sommerspielen in Tokio sein bisher bestes olympisches Ergebnis. Die Starathletin Aysuluu Tynybekowa [en] konnte zudem im Oktober ihren Weltmeistertitel in der Disziplin verteidigen.
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Im November öffnete außerdem das historische Museum nach sechs Jahren Renovierung wieder seine Türen. Schließlich hatte Kirgistan im vergangenen Jahr auch im Bereich Popmusik einiges zu bieten, nachdem mit Spotify ein weiterer Streaming-Dienst dort zugänglich wurde. So bieten mitunter The OMs “IT” und Wtoroj Kas “Serial” reiche Einblicke in das musikalische Leben der kirgisischen Hauptstadt.
Tadschikistan: Abhängig von China und Arbeitsmigration
Das Jahr begann für Tadschikistan mit einer vermeintlich guten Nachricht. Präsident Emomali Rahmon gab Ende Januar bekannt, dass Tadschikistan frei von Corona sei und es auch keine weiteren Fälle mehr geben würde. So nahm auch Russland nach mehr als einem Jahr Corona bedingter Unterbrechung den Flugverkehr nach und von Tadschikistan im April wieder auf. Das ist wichtig für ein Land, dessen Bruttoinlandsprodukt zu einem großen Teil von den Rücküberweisungen der Arbeitsmigranten in Russland getragen wird.
Schon Ende Juni sah sich die tadschikische Regierung aber mit einem neuen Corona-Ausbruch konfrontiert und suchte die Schuld bei der Bevölkerung. 2021 beschäftigte sich Tadschikistan auch mit den Folgen des Klimawandels. Zwar ist das Land im Vergleich zu seinen zentralasiatischen Nachbarn kein so starker CO2-Emittent, dafür ist Tadschikistan am stärksten von den Folgen des Klimawandels betroffen.
Konkret äußert sich das auch in den Auseinandersetzungen, die das Land mit seinen Nachbarn – insbesondere Kirgistan – führt. Dort sorgte ein Konflikt um ein Wasserreservoir, das von beiden Ländern genutzt wird, Ende April für Schlagzeilen. Die Auseinandersetzungen forderten 55 Menschenleben und zwangen rund 44.000 Menschen zur Evakuierung.
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Im Juli begann die Offensive der Taliban auch das tadschikisch-afghanische Grenzgebiet zu erreichen. Vor den Taliban nach Tadschikistan fliehende afghanische Soldaten wurden zurück ins Land transportiert und waren so der Rache der Taliban ausgeliefert. Doch auch Zivilisten begannen Afghanistan über die tadschikische Grenze zu verlassen und so wurde auch das Interesse der Europäischen Staaten für die Rolle der nördlichen Anrainer in diesem Konflikt geweckt. Mit Geld will die EU auch diese Staaten bei der Aufnahme der Geflüchteten unterstützen. Das steht allerdings im Widerspruch zu der von Russland dominierten Militärbündnis OVKS, dem auch Tadschikistan angehört, ausgegebenen Doktrin, man wolle keine aus Afghanistan flüchtenden Menschen aufnehmen.
Zu seinem östlichen Nachbarn China pflegt Tadschikistan seit langem ein enges Abhängigkeitsverhältnis. Dass die wirtschaftliche Abhängigkeit durch von China finanzierte Infrastrukturprojekte groß ist, ist hinlänglich bekannt. Tadschikistan soll sich aber auch bei Chinas Verfolgung der Uiguren kooperativ zeigen und seinem Nachbarn eine zweite Militärbasis im eigenen Land gewährt haben. Auch das steht im Widerspruch zur Strategie der OVKS, keine fremden Militärbasen in den eigenen Ländern zu dulden.
Usbekistan: Ein Jahr im Zeichen der Präsidentschaftswahl
Das zentrale politische Ereignis in Usbekistan war die Präsidentschaftswahl am 24. Oktober, aus der Amtsinhaber Shavkat Mirziyoyev mit 80,1 Prozent der Stimmen als klarer Sieger hervorging. Vertreter:innen der außerparlamentarischen Opposition waren nicht zur Wahl zugelassen worden, obwohl die Oppositionspartei Erk noch im April erklärt hatte, dass sie an der Wahl teilnehmen wolle. Die Wahlbeobachtungsmission der OSZE berichtete darüber hinaus von „schweren Verfahrensfehlern“.
Da Mirziyoyev als Reformer gilt, lag auch in diesem Jahr ein besonderes Augenmerk auch darauf, wie es denn um die Freiheiten im Land steht. Zwar liberalisierte Usbekistan Anfang Juli sein Religionsgesetz und hob unter anderem das Verbot religiöser Kleidung auf, dennoch war es zuvor zu mehreren Verhaftungswellen gegen mutmaßliche Islamisten gekommen. Und zur gleichen Zeit wurden die Onlinemedien Kun.uz und Azon.uz wegen Artikel mit religiösem Inhalt zu hohen Geldstrafen verurteilt. Schlimmer erging es dem Blogger Miraziz Bazarov, der am 28. März von drei unbekannten Angreifern mit Baseballschlägern attackiert und schwer verletzt wurde. Bazarov war bekannt dafür, dass er sich für die Rechte von LGBT*IQ einsetzt.
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Angesichts der Machtübernahme der Taliban im benachbarten Afghanistan rückte Usbekistan ins Interesse der Weltpolitik. Am 29. August reiste der damalige Bundesaußenminister Heiko Maas nach Taschkent, um die Zusammenarbeit in Bezug auf Afghanistan zu koordinieren. Der Flughafen der usbekischen Hauptstadt war zuvor ein Hub für die Evakuierung deutscher Staatsangehöriger und Ortskräfte. Zur Aufnahme afghanischer Flüchtlinge erklärte sich Taschkent indes nicht bereit. Mittlerweile unterhält Usbekistan zum südlichen Nachbarn normale Beziehungen.
Bei einem am 12. März online abgehaltenen Gipfeltreffen zwischen Angela Merkel und Shavkat Mirziyoyev standen neben der Covid-19-Pandemie noch vor allem wirtschaftliche Themen im Zentrum der Gespräche. Unter anderem sprachen die beiden Regierungschefs über den geplanten WTO-Beitritt des zentralasiatischen Landes. Frankreich ist hingegen wieder auf dem usbekischen Automobilmarkt präsent: Mit Renault drängt ein weiterer europäischer Hersteller auf den sich rasch entwickelnden Markt.
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Eine der wichtigsten Branchen der usbekischen Wirtschaft ist nach wie vor der Tourismus. So verabschiedete Präsident Mirziyoyev im Februar per Dekret einen Aktionsplan, um den durch die Covid-19-Pandemie arg gebeutelten Tourismussektor anzukurbeln. Parallel dazu steigen Usbekistans Schulden immer weiter an. In der ersten Hälfte des Jahres 2021 sind die gesamten Auslandsschulden des Landes um sechs Prozentpunkte auf 57 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) gestiegen.
Wie aus dem erstmals von Usbekistan veröffentlichten ESG-Bericht hervorgeht, macht das Land aber in Sachen Nachhaltigkeit umfangreiche Fortschritte. Im Bereich Umwelt bleiben die meisten Probleme aber nach wie vor erhalten. Wie auch das benachbarte Turkmenistan überstrapaziert Usbekistan seine Wasserressourcen. Die Gefahr anhaltender Dürren steigt. Insbesondere in industriellen Ballungszentren bereitet die Luftverschmutzung den Einwohner:innen im wahrsten Sinne des Wortes Kopfschmerzen.
Turkmenistan: Korruption, Dürre und Lebensmittelknappheit
Im Februar wurden im Zuge einer Regierungsumbildung mehrere Minister der turkmenischen Regierung entlassen. Zugleich übernahm Serdar Berdimuhamedow, Sohn des amtierenden turkmenischen Präsidenten, die Rolle als stellvertretender Premierminister für Digitalisierung und innovative Technologien. Der neu geschaffene Posten geht mit dem Vorsitz der Obersten Kontrollkammer und einer Mitgliedschaft im staatlichen Sicherheitsrat einher. Beobachter sehen darin deutliche Anzeichen, dass Präsident Gurbanguly Berdimuhamedow die Position seiner Familie in der Regierung weiter festigen will.
Im Mai veröffentlichte eine Gruppe investigativer JournalistInnen des Organized Crime and Corruption Reporting Project (OCCRP) einen Bericht, der darauf hindeutet, dass sich die Familie des Präsidenten durch Insiderhandel und Korruption im Zusammenhang mit Nahrungsmittelimporten bereichert – und das in Zeiten, in denen die turkmenische Bevölkerung unter den Folgen einer weiteren Dürre leidet.
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So führten 2021 massiver Wassermangel sowie anhaltend hohe Temperaturen in weiten Teilen Turkmenistans zu erheblichen Verlusten bei der Reis- und Weizenernte. Seit Anfang des Jahres stiegen die Lebensmittelpreise im Land, was zu Hungersnöten führte. Mit der Dürre verschlechterte sich auch die Situation derjenigen, die bislang von der eigenen Viehhaltung lebten, da es nicht mehr genug Gras gab, um die Tiere zu ernähren. Bereits im Mai war der Wasserstand der wichtigsten Stauseen des Landes unter das kritische Niveau gefallen, sodass das restliche Wasser darin nicht mehr für Bewässerungszwecke verwendet werden konnte, da es unterhalb des Damm-Abflusses lag. Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) stellte in einem Ende August veröffentlichten Bericht fest, dass der Wasserverbrauch Turkmenistans dessen Reserven um 44 Prozent übersteigt.
Die Lage hinsichtlich der Corona-Pandemie bleibt auch 2021 intransparent. Zwar bestreiten die Behörden weiterhin die Existenz des Virus auf dem Staatsgebiet. Dennoch ergriff die Regierung im Jahresverlauf verschiedene Maßnahmen, die scheinbar einer Ausbreitung von Viruserkrankungen entgegenwirken sollten, darunter eine Maskenpflicht und Maßnahmen zur sozialen Distanz. Am 7. Juli führte Turkmenistan zudem als eines der ersten Länder weltweit eine Impfpflicht für alle Bürger:innen über 18 ein. Anfang November bezweifelte Anfang November die leitende Notfallbeauftragte der Weltgesundheitsorganisation Catherine Smallwood die Aussagen der Regierung. Sie halte es „aus wissenschaftlicher Sicht für unwahrscheinlich, dass das Virus nicht in Turkmenistan zirkuliert“ und verwies auch auf die lange Geschichte der Datenunterdrückung in dem Land.
International verzeichnete Turkmenistan wachsendes Interesse an den eigenen Gasreserven. So stieg das zentralasiatische Land 2021 zum wichtigsten Gaslieferanten Chinas auf. Zum Jahresbeginn die Präsidenten von Aserbaidschan und Turkmenistan eine Absichtserklärung für eine transkaspische Pipeline. Das Projekt könnte Entspannung in das angespannte Verhältnis der beiden Länder bringen und würde Turkmenistan einen Zugang zum europäischen Energiemarkt eröffnen.
Allerdings ist fraglich, ob das Bauvorhaben überhaupt rentabel umgesetzt werden könnte. Besser stünden die Chancen für den Export über die Ukraine, da hier bereits bestehende Infrastruktur genutzt werden könnte. Kiew strebt dazu ein Verfahren vor einem internationalen Schiedsgericht an, da die ukrainische Regierung der Meinung ist, Gazprom habe in der Vergangenheit Pipelines für zentralasiatisches Gas blockiert. Für ein anderes Bauprojekt, die TAPI-Pipeline zwischen Turkmenistan, Afghanistan, Pakistan und Indien, traf sich die turkmenische Regierung im Februar mit den Taliban.
Uigurische Region: Menschenrechte im Fokus
Wie auch in den vergangenen Jahren geriet die Uigurische Autonome Region Xinjiang vor allem durch die durch China begangenen Menschenrechtsverletzungen an den dort lebenden muslimischen Minderheiten in den Fokus der Weltöffentlichkeit. Nicht zuletzt deswegen versuchte Peking der Welt zu zeigen, dass in der Region alles in Ordnung sei. Während Muslime in aller Welt das Ende des islamischen Opferfests feierten, inszenierte China eine Propagandakampagne, um der Welt die Religionsfreiheit der Uigur:innen zu demonstrieren.
Zuvor war die Unterdrückung der Uigur:innen bei den Vereinten Nationen zum Thema geworden, als am 12. Mai sehr zum Missfallen Chinas auf einer Online-Konferenz die Lage in Xinjiang diskutiert wurde. In Frankreich war bereits im Januar das Buch „Rescapée du goulag chinois“ (dt.: „Überlebende des chinesischen Gulags“) erschienen, in dem die Uigurin Gulbahar Haitiwaji über ihre Haft in einem der chinesischen „Umerziehungslager“ berichtete.
Und am 1. März erklärte Nürnbergs Oberbürgermeister Marcus König, dass der diesjährige Menschenrechtspreis der Stadt an die aus Xinjiang stammende Kasachin Sayragul Sauytbay gehen werde. Sauytbay war ebenso wie Haitiwaji durch ihren Bericht aus den Lagern bekannt geworden.
In Kasachstan bekam vor allem das Schicksal der in Xinjiang lebenden ethnischen Kasach:innen viel Aufmerksamkeit. Seit mehr als 300 Tagen finden vor dem chinesischen Konsulat in Almaty Demonstrationen statt [fr/ru], in denen die Freilassung inhaftierter Kasach:innen gefordert wird. Die kasachstanischen Behörden lehnten derweil die Einbürgerungsanträge mehrerer aus Xinjiang geflohener Kasach:innen mit der offiziellen Begründung ab, dass diese illegal ins Land eingereist waren.
2021 bei Novastan
Wir bei Novastan sind in diesem Jahr einige spannende redaktionelle Partnerschaften eingegangen. So waren wir im April Medienpartner des Osteuropa-Filmfestivals GoEast in Wiesbaden, dessen diesjährige Ausgabe das Augenmerk auf Zentralasien setzte. Ebenso haben wir die Übersetzungen von mehreren Reihen der Berliner Medien-NGO n-ost zu Umweltfragen in Zentralasien übernommen: “Die Luft zu Atmen” ist eine Bestandsaufnahme der Luftqualität in verschiedenen Ländern und “Flussgeschichten” berichtet von der Entwicklung mehrere wichtiger Flüsse in der Region.
Ebenso waren wir an der Veröffentlichung eines Berichts über Tschernobyl-Liquidatoren aus Tadschikistan für das Energiewende Magazin beteiligt. Wir beendeten das Jahr mit unserem zehnten Geburtstag, zu dem wir uns eine neue Webseite gönnen, die Anfang 2022 Online gehen soll. Mehr dazu könnt ihr in unserem Sondernewsletter nachlesen. Ende November haben wir bei unserem jährlichen Treffen in Berlin die Zusammenarbeit zwischen unserer deutsch- und französischsprachigen Redaktion besprochen.
Auf Seiten des Novastan e.V. gab es auch in diesem Jahr weiterhin vor allem Online-Events – im Januar sprachen wir über die Wahlen in Kirgistan und im Mai über Jugend und Globalisierung in Kasachstan. Im Sommer organisierten wir eine Online-Ausstellung über Handlungsanweisungen im öffentlichen Raum und im Herbst konnten wir noch eine leicht verkleinerte Version unserer Zentralasien-Party Dance with the Stans organisieren.
Dank neuer Webseite und eurer treuen Unterstützung werden wir auch nächstes Jahr wieder die wichtigsten Themen aus Zentralasien beleuchten und eine Reihe an spannenden Ereignissen abhalten – online und offline. Indes wünschen wir euch ein wunderschönes neues Jahr! Vielen Dank, dass ihr bei uns seid!
Für die Redaktion von Novastan Julius Bauer, Florian Coppenrath, Lisa Möckel, Robin Roth und Hera Shokohi
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