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Unser Rückblick: das Jahr 2020 in Zentralasien

Wie im vorigen Jahr fassen wir auch zu Beginn des Jahres 2021 noch einmal zusammen, was Zentralasien 2020 bewegt hat.

Flaggen Zentralasien

Wie im vorigen Jahr fassen wir auch zu Beginn des Jahres 2021 noch einmal zusammen, was Zentralasien 2020 bewegt hat.

Das Jahr 2020 war in Zentralasien wie in der ganzen Welt von der Corona-Krise geprägt, die das Gesundheitswesen und die Wirtschaft der Region auf eine harte Probe stellte. Doch auch zahlreiche andere Probleme füllten lokale und internationale Schlagzeilen, wie zum Beispiel Grenzkonflikte, Umweltprobleme, Gewalt gegen Frauen und der Umsturz in Kirgistan.

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Andererseits gab es auch Lichtblicke: So lieferte die Region viele spannende Kulturgüter und auch so manche gute Nachricht im Bereich von Artenvielfalt und einem wachsenden gesellschaftlichen Engagement an vielen Orten. Wir ordnen unseren Überblick nach Ländern.     

Kasachstan: Doppelspitze und Wasserknappheit  

Wie schon im Jahr zuvor setzte auch 2020 die kasachstanische Regierung auf eine harte Bewährungsprobe. Zu Beginn des Jahres erschütterte das Land ein interethnischer Konflikt im Süden Kasachstans – zwischen der dort ansässigen Minderheit der DunganInnen und KasachInnen. Bei dem Vorfall sollen Tausende KasachInnen mehrere von DunganInnen besiedelte Dörfer überfallen haben, wobei elf Menschen tödlich verletzt worden sind.

Zunächst hieß es von offizieller Seite, dass die gewalttätige Auseinandersetzung von einer privaten Streiterei entfacht worden sei. Die DunganInnen interpretierten die Ereignisse hingegen als Pogrom. Die Ermittlungen geben Hinweise darauf, dass hier viel mehr kriminelle Banden ihre Finger im Spiel hatten, die in der Grenzregion zu Kirgistan Droggenschmuggel betreiben. Trotz strafrechtlicher Verfolgung blieb eine Beleuchtung des darin verborgenen Nationalismus aus.

Viel Zeit für die Auseinandersetzung mit dem Vorfall blieb der Regierung jedoch nicht, da die Eindämmung der Covid-19-Pandemie das Tagesgeschehen der kasachstanischen Politik ab Anfang März bestimmte. In Zentralasien weist das Land nämlich die höchsten Infektionszahlen auf. Nachdem zunächst schrittweise die Transportwege ins Ausland gekappt worden waren, folgte mit der Ausrufung des Notstandes im März eine landesweite Quarantäne. Bis Mai stand wie in vielen Teilen der Welt das gesellschaftliche Leben still, einige Großstädte waren vollständig abgeriegelt.

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Nach einer kurzen Lockerung der Maßnahmen zu Beginn des Sommers erfasste schließlich eine zweite Welle an Infektionen das Land im Juli und August. Die Regierung führte als Hilfsmaßnahmen beispielsweise Finanzhilfen für einkommensschwache Familien sowie die Stabilisierung der Lebensmittelpreise ein. Zudem steht die Zulassung eines kasachstanischen Impfstoffes kurz bevor. Nichtsdestotrotz wurde die jahrelange Unterfinanzierung des Gesundheitswesens und des Bildungssektors im Zuge der Pandemie sehr deutlich.

Für große Überraschungen sorgte in diesem Jahr die Ab- und Besetzung von politischen Ämtern. So wurde im April Gulshara Ábdiqaliqova zur ersten weiblichen Gouverneurin in der Geschichte Kasachstans. Dieser historische Schritt zeugte davon, dass das Vertrauen in Frauen in politischen Machtpositionen gestiegen ist.

Für größere Schlagzeilen sorgte allerdings die Absetzung der Senatorin des Parlaments, Dariģa Nazarbaeva, durch den Präsidenten Qassym-Schomart Toqaev. Bei der Betroffenen handelte es sich nämlich um niemanden geringeren als die Tochter des ehemaligen Präsidenten Nursultan Nazarbaev, der als Vorsitzender des Sicherheitsrates nach wie vor eine bedeutende Rolle spielt. Infolge dessen hat Toqaev zudem weitere Ämter umbesetzt, was die Gerüchte um interne Streitigkeiten in der Regierungsspitze und um den Ausbau von Toqaevs Macht befeuerte. Nach Einschätzungen von ExpertInnen bleibt jedoch abzuwarten, inwiefern sich die Machverhältnisse des Systems Nazarbaev tatsächlich verändern.

Im Bereich des Umweltschutzes kann Kasachstan für 2020 eine gemischte Bilanz ziehen. Einerseits verschärfte sich die Wasserknappheit, sodass das Schicksal des Balqash-Sees immer mehr dem des Aral-Sees ähnelt. Zudem wurde der niedrigste Wasserstand des Kaspischen Meeres seit 30 Jahren gemessen. Außerdem waren Teile Kasachstans von der gravierenden Heuschreckenplage im Sommer betroffen.

Andererseits freuten sich TierschützerInnen über die erste Fotografie eines Schneeleoparden mit seinem Jungen seit 30 Jahren am Almaty See. Der Schneeleopard gilt als gefährdete Tierart, die Opfer von Wilderei und Vertreibung ist. Erst im Oktober beschloss die Regierung eine härtere Ahndung von Umweltdelikten und umfassendere Umweltbildung, sodass vielleicht auch weitere Tierarten ihren Weg in die kasachstanische Natur zurückfinden.

Kirgistan: Großflächige politische Krise

War 2020 auf der ganzen Welt ein Krisenjahr, so gilt das in Kirgistan um ein Mehrfaches. Den Winter über füllte sich die dortige Medienlandschaft mit Berichten über die katastrophalen Luftverschmutzungswerte in der Hauptstadt Bischkek, die zeitweise gar die schlechteste Luft weltweit aufwies. Vor allem aufgrund der Heizung und der klimatischen Bedingungen ist das ein saisonales Problem, das demnach zurzeit wieder akuter denn je erscheint.

Andere gesellschaftliche Probleme halten sich zu jeder Jahreszeit. So zum Beispiel die Gewalt gegen Frauen, die gleich zu Beginn des Jahres durch zwei Mordfälle für Aufruhr sorgte. Trotz einer der progressivsten Gesetzgebungen im postsowjetischen Raum scheinen sich solche Fälle zu mehren. Das hat gewiss auch mit einem mangelnden politischen Willen zu tun. So landeten die Demonstrierenden für Frauenrechte am 8. März nach Übergriffen von Nationalisten selbst auf dem Polizeirevier. Bestehende Reformen wie die geltende Frauenquote von 30 Prozent bei Wahlen werden regelmäßig umgangen

Auf regionaler Ebene gab es im Jahr 2020 wie auch im Vorjahr mehrere Eskalationen des Grenzkonflikts mit Tadschikistan im Süden des Landes. Ein im Januar angekündigter Gebietsaustausch verlief später im politischen Sand und wurde von weiteren, teils tödlichen Zwischenfällen gefolgt (siehe Teil zu Tadschikistan). Ende Mai kam es ebenfalls zu gewalttätigen Zwischenfällen an der Grenze mit Usbekistan. 

Wie auch in den anderen Ländern Zentralasiens wurden die ersten Coronavirus-Fälle in Kirgistan relativ spät registriert, erst im März. Durch eine früh eingeführte strenge Quarantäne hielten sich die Fallzahlen auch mehrere Monate in Grenzen, die Lockerung der Maßnahmen offenbarte aber den katastrophalen Zustand des öffentlichen Gesundheitssystems, was sich mitunter durch extrem hohe Ansteckungszahlen beim medizinischen Personal abzeichnete. Nach einer Erleichterung im Sommer erlebt das Land seit Oktober eine zweite Welle, jedoch ohne strengen Lockdown. 

Bischkek Demonstration Weisses Haus
Demonstrierende vor dem Weissen Haus in Bischkek am 6. Oktober

Viele kleinere Spannungsfelder dieser Art, weiter befeuert durch einen bereits Ende 2019 aufgedeckten und durch spätere Berichte weiter vertieften Korruptionsskandal, mündeten nach der Parlamentswahl Anfang Oktober in eine großflächige politische Krise. Nach Protesten wurde die Wahl annulliert, der Präsident trat zurück und ein frisch aus dem Gefängnis befreiter Nationalpopulist gilt nun als Favorit für die im Januar geplante Präsidentschaftswahl. Für 2021 ist außerdem eine sehr umstrittene Verfassungsänderung im Gespräch, die nach einem zeitgleich mit der Präsidentschaftswahl organisierten Referendum über die Regierungsform abgehalten werden soll.    

Lichtblicke gibt es derweil in Sport und Kultur. So gewann zum Beispiel die Ringerin Ajsuluu Tynybekowa im Dezember erneut die Weltmeisterschaft in ihrer Gewichtskategorie und die MMA-Sportlerin Valentina Schewschenko verteidigte im November zum vierten Mal ihren UFC-Weltmeistertitel im Fliegengewicht. Das Jahr brachte auch mehrere musikalische Höhepunkte mit sich, darunter hochwertige Rap-Alben auf Kirgisisch und auf Russich, ein Produzentenalbum und einen neuen Weltrekord in Sachen Rezitation des Nationalepos Manas.  

Tadschikistan: Wahlen ohne Überraschungen

Das Jahr 2020 stand in Tadschikistan im Zeichen der Wahlen. Am 1. März waren die BürgerInnen des Landes aufgerufen, nicht nur die Abgeordneten für Regionalparlamente und Stadträte zu wählen, sondern auch über die Zusammensetzung des nationalen Parlaments abzustimmen. Die Parlamentswahl brachte vorhersagbare Ergebnisse: Die regierende Demokratische Volkspartei von Präsident Emomali Rahmon erhielt mehr als 50 Prozent der Zweitstimmen, während die einzige zu den Wahlen zugelassene Oppositionspartei an der Fünf-Prozent-Hürde scheiterte.

Am 11. Oktober fand dann die Präsidentschaftswahl statt, aus der Rahmon – seit nunmehr 28 Jahren an der Macht – mit 90,92 Prozent als Sieger hervorging. Da auch diese Wahl ohne wirkliche Oppositionskandidierende stattfand, bestand schon im Vorfeld kein Zweifel am Wahlausgang. Spannend war allein die Frage, ob Rahmon noch einmal antreten oder das Feld seinem Sohn Rustam Emomali überlassen würde. Dieser war Ende März zum Senator ernannt und nur wenige Wochen später zum Senatspräsidenten und somit zur Nummer zwei im Staat gewählt worden. Dies hatte zu Spekulationen geführt, ob er schon dieses Jahr seinen Vater beerben könnte. Mit der Nominierung Rahmons zum Präsidentschaftskandidaten wurden Ende August aber alle Zweifel ausgeräumt.

Emomalii Rachmon Duschanbe Tadschikistan
Emomali Rahmon, hier im Februar 2017 in Duschanbe, ist de facto seit dem Beginn des Bürgerkriegs der Staatschef Tadschikistans

Ein weiteres bestimmendes Thema des Jahres war die Corona-Pandemie, die auch Tadschikistan hart traf. Die ersten offiziell bestätigten Infektionsfälle meldete das Land am 30. April und somit circa anderthalb Monate später als seine Nachbarn. Doch schon zuvor hatten ExpertInnen sowie die Bevölkerung erhebliche Zweifel an der Aufrichtigkeit der Behörden. Dennoch wurde das persische Neujahrsfest Nawruz mit großen öffentlichen Feierlichkeiten begangen und auch die tadschikische Fußball-Liga erhielt den Spielbetrieb lange aufrecht und konnte so kurzzeitig internationale Popularität erlangen. Nachdem die ersten Covid-19-Erkrankungen offiziell wurden, stiegen die Infektions- und Todeszahlen erst einmal rasant an, was dazu führte, dass Gesundheitsminister Nasim Olimsoda mitten in der Krise entlassen wurde. Seitdem entwickelt sich die offiziell registrierte Pandemie bemerkenswert einheitlich, mit konstant ca. 40 Neinfektionen am Tag. 

Zu regelmäßigen gewaltsamen Auseinandersetzungen mit Toten und Verletzten kam es an der kirgisisch-tadschikischen Grenze im Ferganatal. So wurden am 8. Mai tadschikische Grenzschützer durch Schüsse verletzt, worauf sie mit Mörsern zurückschossen und so drei kirgisische Soldaten verletzten. Am 24. Mai führte ein Streit um Weiden an der tadschikisch-kirgisischen Grenze erneut zu einem Schusswechsel zwischen Grenzschützern. Ein 19-jähriger tadschikischer Soldat wurde dabei verletzt. Am 6. August wurde dann ein tadschikischer Dorfbewohner aus Woruch, einer tadschikischen Enklave auf kirgisischen Gebiet, durch Schüsse getötet. Die Grenzkonflikte im Ferganatal dauern seit Jahren an. Positive Nachrichten gibt es hingegen von der tadschikisch-usbekischen Grenze, wo die Minenräumung vollständig abgeschlossen wurde.

Im Bereich der Wirtschaft überraschte Tadschikistan damit, dass es die Privatisierung zweier seiner wichtigsten Unternehmen – des Aluminiumproduzenten TALCO und des Rogun-Wasserkraftwerks  – erlaubte. Gerade das Vorzeigeprojekt Rogun leidet seit Jahren unter massiven Schwierigkeiten bei der Finanzierung. Am 24. November gaben die Behörden jedoch bekannt, dass sie ein Darlehen in Höhe von 340 Millionen Dollar (285 Millionen Euro) bei der Credit Suisse und der Landesbank Baden-Württemberg erhalten und somit die Finanzierung des Jahrhundertbaus gesichert haben.

Weniger gut lief das Jahr 2020 in Tadschikistan für den Wolf. Dieser hatte sich in der Autonomen Provinz Berg-Badachschan derart vermehrt, dass ihm mit Waffengewalt an den Pelz gegangen wurde. EinwohnerInnen der eigentlich entwaffneten Region erhielten Waffen, um sich und ihr Vieh vor Wolfsattacken zu schützen und auch Sondereinheiten des Geheimdienstes machten Jagd auf die Tiere.

Turkmenistan: Die Pandemie, die nicht ihren Namen nennt

Offiziell gibt es in Turkmenistan weiterhin keine Infektionen mit dem Coronavirus. Das Land hielt sogar Massenveranstaltungen ab, darunter die Feierlichkeiten zum Tag des Sieges am 9. Mai. Dennoch hat die Regierung Maßnahmen ergriffen, die eindeutig darauf abzielen, Ansteckungszahlen zu reduzieren: Sie empfahlen den Einwohnern, eine Maske zu tragen und sich die Hände zu waschen, schlossen vorübergehend Geschäfte und andere Versammlungsorte, schränkten den Reiseverkehr innerhalb des Landes ein und sagten kürzlich auch die Neujahrsfeierlichkeiten in der Hauptstadt ab.

WHO Turkmenistan
Am 6. Juli ist eine Delegation der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Turkmenistan eingetroffen

Radio Azatlyk, der turkmenische Zweig von RFE/RL, berichtet von überfüllten Krankenhäusern, die Patienten abweisen, wobei die Covid-19-Symptome offiziell als „Lungenentzündung“ abgetan werden. Die Desinformation über die Krise hat es nicht einfacher gemacht herauszufinden, was wirklich vor sich geht. Am 31. März berichtete zum Beispiel Reporter ohne Grenzen fälschlicherweise, Turkmenistan habe das Wort „Coronavirus“ verboten.

Wie Eurasianet hervorhebt, hatte die Bevölkerung auch mit Lebensmittelknappheit zu kämpfen. Die Nachrichten-Webseiten Chronicles of Turkmenistan und turkmen.news (mit Sitz in Wien bzw. Amsterdam) berichteten im November, dass die Behörden Brot in den Städten Mary und Türkmenabat rationierten. Selbst Bewohner der Hauptstadt Aschgabat klagten demnach über Brotknappheit. Parallel trifft sie auch eine bedeutende Inflation: laut Chronicles of Turkmenistan wurde der Dollar im Januar 2020 auf dem Schwarzmarkt für 19,10 Manat verkauft, gegenüber 27 Manat am 13. Dezember. Als Reaktion dazu verbot die Regierung im April das Abheben von Fremdwährungen.

Im Umweltbereich gab es einige gute Nachrichten: Das Land verpflichtete sich mit der Ratifikation der Bonner Konvention dazu, wandernde Tiere zu schützen. Es trat auch dem Nagoya-Protokoll der Vereinigten Nationen über den Erhalt der Artenvielfalt bei. Gleichzeitig zeigen neue Methanlecks im Kaspischen Meer, die von der französischen Datenanalysefirma Kayrros im Oktober gemeldet wurden, die Kluft zwischen offiziellen Verpflichtungen und der Realität.

Das Klima hatte auch eine direktere und zerstörerische Wirkung. Im Mai protestierten Bewohner von Türkmenabat, im Osten des Landes, gegen die Untätigkeit der Regierung, nachdem Regenstürme Häuser beschädigt hatten und viele Menschen und Einrichtungen in der Region ohne Strom blieben. Regenstürme trafen die Region Lebap am 4. April und 13. Mai, zusätzlich zu einem Hurrikan am 27. April und dem Bruch eines Staudamms im Juni.

Das Parlament wurde durch eine Verfassungsänderung am 25. September zweikammerig. Das neue Oberhaus heißt Halk Maslahaty („Volksrat“ auf Turkmenisch) und besteht aus 56 Mitgliedern. Die Änderung des Artikels 76 macht den Sprecher des Halk Maslahaty auch zum Interimsstaatsoberhaupt, falls der Präsident nicht in der Lage sein sollte, seine Pflichten zu erfüllen. Kritiker sagen, die Änderung sei Teil einer Übergangsstrategie für den Präsidenten Gurbanguly Berdimuhamedow.

Schließlich erregte Berdimuhamedow gegen Ende des Jahres wieder die Aufmerksamkeit der internationalen Medien, diesmal durch die Enthüllung einer riesigen vergoldeten Statue eines Alabai-Hundes in Aschgabat am 10. November.

Usbekistan: Internationale Investitionen trotz Krise

Trotz der Pandemie hat Usbekistan im vergangenen Jahr wertvolle wirtschaftliche und öffentlich-private Partnerschaften schmieden können. Der französische Automobilhersteller PSA, der nach wenigen Anläufen schnell wieder aus dem Land verschwunden war, wurde im März durch Volkswagen ersetzt. Nichtsdestotrotz haben die französischen Firmen Total, Suez und Veolia Energieprojekte in die Wege geleitet. Seit diesem Jahr haben sich Apple und Netflix freiwillig dazu entschlossen, Usbekistan eine eigene digitale Mehrwertsteuer zu zahlen.

Gleichzeitig blieben die Touristen in diesem Jahr größtenteils aus, ein harter Schlag für den wichtigen Wirtschaftssektor. Im Zusammenhang mit der Pandemie wurden von den Behörden zwei Lockdowns verhängt. Das Land meldet derzeit 614 Todesfälle und insgesamt über 77.000 Fälle.

In Sachen Ökologie und Biodiversität ist die Situation in Usbekistan wie in ganz Zentralasien schwierig. Der Klimawandel trifft die Steppe und das Land hart, mit Perioden außergewöhnlicher Hitze von bis zu 44 Grad Celsius im Mai. Es gibt jedoch einige positive Anzeichen, da Usbekistan ein Naturschutzgebiet eingerichtet hat und einige bedrohte Arten wieder auftauchten. Auch in den Bereichen Energie und Transport hat das Land Großprojekte auf den Weg gebracht: In Usbekistan entsteht zum Beispiel eine der größten Windkraftanlagen der Welt und das Eisenbahnprojekt China-Kirgistan-Usbekistan wurde neu aufgelegt.

Samarkand
Samarkand

Die Kultur, ob sie nun hundertjährig ist wie das Ilkhom-Theater oder tausendjährig wie Samarkand, ist immer noch bedroht durch den Ruf nach vermeintlich rentablen Projekten. Teils organisiert sich aber auch gesellschaftlicher Protest. Im Sommer führte ein Fall brutaler Gewalt gegen eine junge Frau zum ersten bedeutenden feministischen Flashmob in sozialen Medien. Außerdem wurde im vergangenen Jahr eine Menschenrechts-NGO zugelassen, die erste seit 2003.   

Diese Bemühungen sollten jedoch nicht über das weiterhin recht geschlossene politische Leben hinwegtäuschen. Im März konnten zwei Oppositionsparteien trotz aller Bemühungen nicht zur Parlamentswahl antreten, die haushoch von der „liberaldemokratischen Partei“ des Präsidenten gewonnen wurde. Auch der Bruch eines Staudamms in der Region Sirdaryo im Mai soll auf Unterschlagungen beim Bau zurückzuführen sein. Vor dem Hintergrund einer weiterhin bedenklichen Menschenrechtslage kritisierte Human Rights Watch auch die fortschreitende Annäherung der Europäischen Union mit Usbekistan.

Die regionalen Beziehungen Usbekistans haben sich in dem Pandemie-Kontext, der auch zu Grenzschließungen führte, wenig entwickelt. Usbekistan und sein Nachbarland Tadschikistan haben im vergangenen Februar ihre Grenze von Landminen befreit, aber die Beziehungen zu Kirgistan sind wie in den vergangenen Jahren konfliktreich. Im Dezember erhielt das Land den Beobachterstatus in der Eurasischen Union, der in Zentralasien schon Kasachstan und Kirgistan angehören.

Das Jahr 2020 für Novastan

Novastan war auch teilweise von der Corona-Krise betroffen, wenn auch nur leicht. Seit dem Frühling hat sich der Novastan eV in Berlin vor allem auf Online-Ereignisse umgestellt und es gab mehrere interessante Gesprächsrunden zu Themen wie sexuelle Minderheiten in Zentralasien, der politischen Krise in Kirgistan oder Wohnen in Zentralasien. Die für den März geplante fünfte Dance with the Stans Party in Berlin musste leider abgesagt werden, wir hoffen aber, sie 2021 nachholen zu können.

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Redaktionell verzeichneten wir dank euch, liebe LeserInnen, ein erfolgreiches Jahr: Insgesamt haben mehr als 300.000 Personen unsere Webseite besucht, das sind etwa 40 Prozent mehr als im vorigen Jahr. Außerdem haben wir unsere Webseite im Sommer umfassenden Reparaturarbeiten unterzogen, um sie sicherer und schneller zu machen.

Im Herbst haben unsere französischen KollegInnen ein Abonnement-System mit Paywall eingeführt, wodurch die meisten französischsprachigen Artikel nur noch gegen einen kleinen monatlichen Beitrag zu lesen sind. Auf deutscher Seite haben wir uns vorerst gegen eine Paywall entschieden, planen aber noch ein leichteres Abo-Modell mit Extras für unsere regelmäßigen UnterstützerInnen. Außerdem startet mit dem neuen Jahr auch unsere englischsprachige Version und wir planen noch einige weitere Ereignisse und Neuerungen für 2021.

Somit danken wir Euch sehr herzlich für Eure Treue! Auch im kommenden Jahr werden wir Euch regelmäßig mit Analysen und Nachrichten zu Zentralasien versorgen.

Valentine Baldassari, Clément Clerc-Dubois, Florian Coppenrath, Jana Rapp und Robin Roth
Für die Redaktion von Novastan.org

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