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Unser Rückblick: Das Jahr 2023 in Zentralasien

Wie zu Beginn jedes Jahres fassen wir noch einmal zusammen, was Zentralasien im Vorjahr bewegt hat.

Wie zu Beginn jedes Jahres fassen wir noch einmal zusammen, was Zentralasien im Vorjahr bewegt hat.

Globale Krisen wie der Klimawandel, der Krieg Russlands gegen die Ukraine und zunehmender Autoritarismus prägten auch im vergangenen Jahr die zentralasiatischen Staaten. In Kasachstan konnte sich die Regierung unter Präsident Toqaev auch mit Hilfe starker Repressionen stabilisieren und suchte trotz des weiterhin großen Einfluss Russlands die geopolitische Nähe zum Westen. Obwohl das Verhältnis von Kirgistan und Tadschikistan weiterhin vom schwelenden Konflikt um die fast 1000 km lange Grenze bestimmt war, führten intensive Verhandlungen dazu, dass sich die Lage im Vergleich zum Vorjahr deutlich entspannte und die beiden Länder sich bereits über große Teile des gemeinsamen Grenzverlaufs einigen konnten. Während das vergangene Jahr in Turkmenistan von Versorgungs- und Umweltkrisen geprägt war, stand die politische Situation in Usbekistan im Zeichen einer Verfassungsänderung und der Wiederwahl von Präsident Mirziyoyev. Ein Überblick.

Kasachstan: Lokale Proteste, globale Öffnung

Nachdem das letzte Jahr in Kasachstan von den Januar-Ereignissen geprägt war, hat sich die Lage in diesem Jahr wieder stabilisiert. Der Einfluss der Familie von Ex-Präsident Nursultan Nazarbaev wurde weiter zurückgedrängt. Bei der Parlamentswahl am 19. März, bei der die regierende Partei Amanat mehr als 54 Prozent der Sitze gewann, konnten erstmals seit langer Zeit wieder unabhängige Kandidierende teilnehmen. Dennoch agiert das Regime äußerst repressiv gegenüber der Opposition. So wurden Aktivist:innen der politischen Bewegung „Oyan, Qazaqstan“ („Wach auf, Kasachstan!“) zu 15 Tagen Haft verurteilt, weil sie gegen die Wahlergebnisse protestiert hatten. Auch in der Ölarbeiterstadt Jańaózen flammten neue Proteste auf, die aber diesmal – im Gegensatz zu den Januar-Ereignissen – nicht auf das ganze Land übergriffen.

Auch im zweiten Jahr des Krieges in der Ukraine bleibt Kasachstans Verhältnis zu Russland ambivalent. So plant Kasachstan ein Register ausländischer Agent:innen einzuführen, bei dem Beobachter:innen Parallelen zum russischen Vorbild sehen. Außerdem half das Land russischen Unternehmen, europäische Sanktionen zu umgehen, und geriet so ins Visier des Westens. Dennoch wurde die Zusammenarbeit mit den USA und der Europäischen Union intensiviert. Dass Kasachstan angesichts der geopolitischen Situation auch für Deutschland interessanter wird, wurde deutlich, als Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier das zentralasiatische Land im Juni besuchte.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Kasachstans Präsident Qasym-Jomart Toqaev bei ihrem Treffen am 20. Juni in Astana, Foto: president.kz
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Kasachstans Präsident Qasym-Jomart Toqaev bei ihrem Treffen am 20. Juni in Astana, Foto: president.kz

Die Zivilbevölkerung steht Russland zunehmend skeptisch gegenüber. Dies spürten auch russische Musiker:innen, deren Konzerte in Zentralasien vermehrt abgesagt wurden. Die Konzert-Absagen sind auch im Kontext von intensiven Diskursen um Dekolonialisierung zu sehen, welche die kasachstanische Gesellschaft beschäftigen. Doch auch der Staat distanziert sich immer mehr von seinem sowjetischen Erbe und gab im Oktober mehr als 2,4 Millionen Akten zu Fällen von Repressionen während der Sowjetzeit frei.

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Auch der internationale Stahlkonzern ArcelorMittal beschäftigte in diesem Jahr Kasachstans Öffentlichkeit. Nachdem es am 28. Oktober in einer Mine des Unternehmens erneut zu einem Grubenunglück mit 46 Toten gekommen war, kündigte die Regierung ein Investitionsabkommen mit ArcelorMittal auf. Der Konzern des indischen Geschäftsmanns Lakshmi Mittal , der neben dem Stahlwerk von Temirtaý auch eine Vielzahl von Bergwerken im Gebiet Qaraģandy unterhielt, musste in der Folge Kasachstan verlassen. Bereits im August war es nach einem tödlichen Unfall in einem anderen Bergwerk des für seinen laxen Umgang mit Sicherheitsvorschriften bekannten Unternehmens zu massiver Kritik an ArcelorMittal gekommen.

Industriestädte wie Temirtaý oder Atyraý machten Anfang des Jahres durch ihre hohe Luftverschmutzung Schlagzeilen, welche die Bevölkerung zunehmend belastet. Doch das ist nicht das einzige Umweltproblem: Die Hauptstadt Astana war im Mai von akutem Wassermangel bedroht, und auch im Kaspischen Meer geht der Wasserstand in bedrohlichem Maße zurück. Sollte nicht gegengesteuert werden, droht seine Austrocknung.

Kirgistan: Flaggenwechsel im Schatten autoritärer Züge

Kirgistan beginnt das neue Jahr mit einer neuen Flagge. Präsident Sadyr Dschaparow unterzeichnete am 22. Dezember ein entsprechendes Gesetz, das eine leichte Neugestaltung des Nationalsymbols vorsieht. Für die Initiatoren markiert die Änderung einen Meilenstein in der Entwicklung des Landes, kritische Stimmen sehen darin jedoch einen weiteren Schritt in der Etablierung autoritärer politischer Strukturen, die sich im Laufe des Jahres in Angriffen auf die Presse– und Meinungsfreiheit, Verhaftungen politischer Gegner:innen und einem erneuten Anlauf zur Verabschiedung eines Gesetzes über “ausländische Agenten” manifestierten. Die Debatte um die Staatsflagge, so eine weitere Hypothese, habe dazu gedient, von bestehenden strukturellen Problemen wie Armut und Umweltverschmutzung abzulenken.

Auch der medienwirksame Kampf der Sicherheitsbehörden gegen die organisierte Kriminalität kann als Bekräftigung des staatlichen Gewaltmonopols gesehen werden, etwa zum Aufbau eines eigenen “Mafia-Staates”, wie manche Beobachter:innen meinen. Dafür spricht auch, dass im Laufe des Jahres mehrere Dutzend Dienstgebäude des Sicherheitsdienstes GKNB eröffnet oder renoviert wurden. Außerdem hat Kirgistan im Oktober die Aufenthaltsbedingungen für Ausländer:innen verschärft: Wer ohne Visum nach Kirgistan einreisen kann, muss nun eine Karenzzeit von 120 Tagen zwischen zwei Aufenthalten einhalten.

Außenpolitisch stand das Jahr im Zeichen verstärkter Bemühungen um eine Grenzfestlegung mit Tadschikistan sowie um die Pflege der Beziehungen zu anderen Nachbarstaaten. Auch China bleibt ein bevorzugter Partner für Infrastrukturinvestitionen. Vor dem Hintergrund von Russlands Aggression gegen die Ukraine versucht Kirgistan wie die übrige Region eine Balance zwischen der Aufrechterhaltung der politischen Beziehungen zu Moskau (etwa durch Verhaftung und Ausweisung russländischer Oppositioneller) und gleichzeitiger Partnerschaft mit europäischen Staaten und den USA zu halten. Wirtschaftlich könnte das Land von den geopolitischen Spannungen sogar profitieren – der Außenhandel erreicht Rekordumsätze, was allerdings auch den Verdacht der Umgehung der Sanktionen gegen Russland aufkommen lässt.

Tadschikische Soldaten werden mit Brot und Salz begrüßt – eine Geste der Gastfreundschaft, Foto: Verteidigungsministerium Kirgistan

Vor allem unter den städtischen Eliten gewinnen die Themen Dekolonisierung und Erinnerungspolitik zunehmend an Aktualität. Das betrifft auch die Sprachpolitik: Im Laufe des Jahres wurde die Idee einer Latinisierung der kirgisischen Sprache wieder aufgegriffen und ein neues Sprachgesetz verabschiedet, nach dem Angestellte im öffentlichen Dienst Kirgisisch können müssen – gegen den Protest Moskaus. In diesem Zusammenhang eine gute Nachricht für alle, die sich selbst für die kirgisische Sprache interessieren: Im Mai ist ein ausführliches Grammatikbuch in deutscher Sprache erschienen.

Tadschikistan: Anhaltende Grenzkonflikte und diplomatische Bemühungen

Der Grenzkonflikt zwischen Tadschikistan und Kirgistan, infolgedessen es im September 2022 zu Kämpfen kam, trübt die Beziehung zwischen den beiden Staaten nach wie vor. Einschneidend sind auch die Auswirkungen auf die lokale Bevölkerung wegen der Schließung der Grenzübergänge für Personen- und Warenverkehr. Wie etwa der Pamir-Highway von den Grenzschließungen betroffen ist, lest ihr in unserer Reportage. Zu allem Überfluss ist das Pamir-Gebirge stark vom Klimawandel betroffen.

M41 bei Dschelondy, Foto: Matthieu Audiffret

Allerdings nahmen die Spannungen im Zuge des Grenzkonflikts im Laufe des Jahres stetig ab. In mehrmals tagenden Kommissionen wurden weite Teile der Grenzlinie zwischen Tadschikistan und Kirgistan festgelegt; bisher wurde über mehr als 664 km (ca. zwei Drittel) der gemeinsamen Grenze verhandelt. Der Besuch von Präsident Emomalj Rahmon in Kirgistan am EU-Zentralasien-Gipfel hatte daher auch eine symbolische Bedeutung.

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Rahmon war auch bei den Gipfeltreffen mit den Golfstaaten und mit den USA anwesend. Darüber hinaus befindet sich die bilaterale Zusammenarbeit mit dem sprachlich eng verwandten Iran in stetem Ausbau, doch auch der Einfluss Chinas lässt sich nicht von der Hand weisen. Schließlich machte die Ernennung eines Vertreters der Taliban-Regierung im Konsulat in Chorugh Schlagzeilen.

Was Menschenrechte betrifft, steht Tadschikistan nach wie vor in der Kritik. Soziale Probleme wie Druck der Behörden auf die Gesellschaft und fortlaufende Repression, zunehmender Druck auf Medienschaffende und einem demzufolge weiterhin schlechten Ranking in Sachen Pressefreiheit, Erschwerung der Berufsausführung von Anwälten durch die Behörden oder Menschenhandel als scheinbar letzter Ausweg für Bedürftige sind nach wie vor existent. Auch die Aga-Khan-Stiftung steht immer mehr unter Druck: Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen der Stiftung in Berg-Badachschan wurden verstaatlicht.

Tadschikistan ist auch von überregionalen Problemen betroffen, etwa von der «Zwiebelkrise» Anfang des Jahres. Außerdem sind nicht nur die Zustände in der Rekrutierung von Soldaten für die Armee in Tadschikistan prekär, sondern auch jene tadschikistanischer Migrant:innen und deren Dienst in der russischen Armee.

Die Diskriminierung von Frauen in verschiedenen Bereichen der Arbeitswelt und der Gesellschaft – sei es als Sozialarbeiterin oder sogar als schwangere Frau –  ist groß und hochaktuell.  Mehr zu sozialen Problemen in Tadschikistan lest ihr im Interview mit der UN-Berichterstatterin für Menschenrechte.

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Wie in Kirgistan und in Kasachstan gibt es auch in Tadschikistan Stimmen, die eine Dekolonisierungs-Debatte für nötig halten.

Turkmenistan: Klimakrise und kritische Menschenrechtslage

Auch nach der Übergabe von Gurbanguly Berdimuhamedow an seinen Sohn Serdar Berdimuhamedow hält der Ex-Präsident die Macht in Turkmenistan fest in der Hand. Die Rückkehr zum Einkammerparlament Anfang des Jahres stärkte die Position des ehemaligen Staatspräsidenten und verdeutlicht die inoffiziellen Machtverhältnisse in Turkmenistan.

Wirtschaftlich wurde auch Turkmenistan von der „Zwiebelkrise“ getroffen, die in Zentralasien nach einem frostigen Winter zu Nahrungsmittelengpässen geführt hat. Außenpolitisch befindet sich das Land in einem Spagat zwischen Europa und Russland. Turkmenistan verfügt über riesige Gasreserven, die nach den EU-Sanktionen gegen Russland eine interessante Alternative für den europäischen Markt darstellen könnten. Auf der anderen Seite versucht Russland seinen Einfluss im Land zu bewahren und blockiert Planungen zur transkaspischen Pipeline, die Turkmenistan via Türkei mit Europa verbinden würde.

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Auch die Situation turkmenischer Migrant:innen in der Türkei hat sich weiter verschlechtert. Türkische Behörden versuchen verstärkt gegen illegale turkmenische Arbeitskräfte vorzugehen. Dennoch stehen die meisten einer Rückkehr nach Turkmenistan skeptisch gegenüber, da sie Repressalien in ihrer Heimat befürchten. Zu allem Überdruss nimmt die Brotkrise kein Ende. In dem isolierten zentralasiatischen Land sind große Teile der Bevölkerung auf subventionierte Lebensmittel angewiesen. Im Laufe des Jahres häuften sich Meldungen über zu spät gelieferte Mehl- und Butterrationen, was zu Unmut in der Bevölkerung führte.

Besorgniserregende Bilder liefert auch das Kaspische Meer. An der turkmenischen Küste wurde ein Rückgang des Pegels von bis zu 40 cm gemeldet. Neben Klimaveränderungen werden vor allem sinkende Zuflussmengen der Wolga für das Absinken des Wasserspiegels verantwortlich gemacht. Sollten keine Maßnahmen zur Rettung unternommen werden, könnte der Pegel bis zum Jahr 2100 um weitere 8 bis 30 Meter sinken. Eine Austrocknung würde die Anrainerstaaten aber teuer zu stehen kommen. Turkmenistan investierte in den letzten Jahren in den Bau von riesigen Häfen am Kaspischen Meer, die zur Entwicklung der Handelsrouten zwischen China und Europa beitragen sollten.

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In Bezug auf Menschenrechte und Geschlechtergleichstellung hat Turkmenistan weiterhin Aufholbedarf. Frauen werden systematisch unterdrückt und als Bürgerinnen zweiter Klasse behandelt. Abtreibung ist praktisch verboten, Zwangsehen und häusliche Gewalt sind weit verbreitet. In puncto Pressefreiheit gehört Turkmenistan zu den fünf am schlechtesten abschneidenden Ländern der Welt. Mit der Übernahme von Serdar Berdimuhamedow hat die Zensur in dem autoritär regierten Land sogar noch zugenommen.

Usbekistan: Verfassungsänderung und Präsidentschaftswahlen

Im Frühjahr 2023 fand in Usbekistan ein verfassungsänderndes Referendum statt. Kritiker:innen mahnten schon seit 2021 vor der Volksbefragung. Sie diene lediglich dazu, die Amtszeit von Präsident Mirziyoyev zu verlängern, indem seine Präsidentschaftszeit auf Null gesetzt werde. Am 30. April wurden die Bürger:innen Usbekistans befragt, ob sie das neue Verfassungsgesetz der Republik Usbekistan akzeptieren würden.
Die Gewalttaten der Regierung gegen Demonstrant:innen im Vorjahr in Karakalpakstan wurden hingegen verschwiegen. Weitere Demonstrant:innen, Aktivist:innen und Blogger:innen wurden zu langen Haftstrafen verurteilt. Eine Aufhebung des Autonomiestatus von Karakalpakstan war in der neuen Verfassung jedoch nicht mehr vorgesehen.

Die Verfassungsänderung wurde erwartungsgemäß mit hoher Wahlbeteiligung und Zustimmung angenommen. Einige Änderungen wurden von internationalen Beobachter:innen positiv aufgenommen, wie das Recht auf Wohnung, das Verbot der Geschlechterdiskriminierung oder die Höherstufung von Lehrkräften im Bildungswesen, andere wurden als oberflächlich kritisiert, manche gar als Pfeiler einer autoritären Kehrtwende gewertet. Die Pressezensur wird rigoros aufrechterhalten.

Präsident Shavkat Mirziyoyev, hier bei der Stimmabgabe, hat seine Macht durch das Verfassungsreferendum gefestigt, Photo: president.uz

Keine Überraschungen brachten am 9. Juli die vorgezogenen Präsidentschaftswahlen. Wie im Vorfeld vermutet, fehlte es an politischer Konkurrenz und ernstzunehmender Opposition, so dass Mirziyoyev wiedergewählt wurde. Ein Karrieresprung gelang auch der Präsidententochter Saida Mirziyoyeva, die Ende August zur Leiterin der Präsidialadministration ernannt wurde.

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Nicht nur der Austausch zwischen den Turkstaaten, sondern auch der internationale Dialog wurde von usbekischer Seite intensiviert. So stattete der Präsident im Mai Berlin einen offiziellen Besuch ab, traf dort unter anderem Bundeskanzler Scholz und Bundespräsident Steinmeier und eröffnete die Ausstellung „Archäologische Schätze Usbekistans“.

Ungeachtet der Energiekrise in Usbekistan wurde der Stromexportvertrag mit Afghanistan verlängert, während das Projekt der transafghanischen Eisenbahn erneut auf Hindernisse stößt. Verstärkt wurde der Austausch mit Iran, Singapur und den Golfstaaten. Die wirtschaftlichen Verflechtungen mit Russland führten in den zentralasiatischen Staaten immer wieder zu Konflikten zwischen europäischen und russischen Interessen.

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Die menschenrechtswidrigen Zustände in Usbekistan gehören zu den Schattenseiten des vergangenen Jahres. Obwohl sich die Frauenrechte in Usbekistan vordergründig verbessert haben, ist die strafrechtliche Verfolgung von Sexualdelikten zu lasch. Aufsehen erregten nicht zuletzt die Vergewaltigungen Minderjähriger aus einem Kinderheim in der Provinz Xorazm durch usbekische Staatsbeamte. Die verhängten Strafen fielen milde aus.
Homosexuelle wiederum werden systematisch kriminalisiert, erniedrigt und verfolgt, auch an HIV erkrankte Personen erleben Diskriminierung. Besorgniserregend ist auch das häufige Phänomen der Femizide. Leider ist gerade das eigene Zuhause der Frauen oftmals der gefährlichste Ort für geschlechtsspezifisch motivierte Morde. Immerhin wurde häusliche Gewalt in Usbekistan kriminalisiert.

Das im Oktober von Mirziyoyev unterzeichnete Gesetz, welches Polygamie unter Strafe stellt, wird in Usbekistan insbesondere in den sozialen Medien diskutiert und trifft nicht nur auf Befürworter:innen, sondern auch auf Gegner:innen. Das Leben der Frauen in Usbekistan ist auch aus historischer Perspektive alles andere als märchenhaft, wie ein Forschungsbeitrag dokumentiert. Beim diesjährigen goEast-Filmfestival in Wiesbaden wurde ein queerer Kurzfilm der usbekischen Fotografin und Regisseurin Kamila Rustambekova gezeigt: „Ertak“ erzählt eine Geschichte über homosexuelle Beziehungen und Diskriminierung in Usbekistan.

Szene aus dem Film „Ertak“ (Foto bereitgestellt von goEast-Filmfestival)

Eine politische Kontroverse löste auch die Verlegung eines usbekischen Elektro-Festivals aus, das nicht wie gewohnt am Ufer des Aralsees, sondern in Buchara stattfand.

Die historischen Panoramen zu Usbekistan konzentrierten sich auf zwei Schauplätze: die Wiege der usbekischen Zivilisation, das Farg’ona-Tal, und die wechselvolle Geschichte Bucharas.

Novastan

Für uns bei Novastan hat das Jahr 2023 eine lang ersehnte Neuerung unserer Internetpräsenz gebracht. Seit April ist die vierte Version unserer Website online, die eine übersichtlichere und transparentere Nutzung ermöglichen soll. Jeder Artikel ist nun mit einem Infokasten versehen, der anzeigt, ob es sich um eine Übersetzung oder einen eigenen Text handelt.

Im November sind rund 30 Novastanis aus den verschiedenen Teams in Berlin zum „Kongress“ zusammengekommen – einem Werkstatttreffen, bei dem wir uns vernetzen und gemeinsame Arbeitsprozesse verbessern. Wie in den vergangenen Jahren wurde das Treffen durch die großzügige Unterstützung des Deutsch-Französischen Bürgerfonds ermöglicht.

Gruppenbild Novastan 2023
Knapp 30 Vertreter:innen der verschiedenen Zweige von Novastan haben sich am 4. und 5. November in Berlin getroffen. Foto: Kelley Luyken

Neben der regulären redaktionellen Arbeit hat der Novastan e.V. auch zahlreiche Veranstaltungen für Zentralasien-Interessierte organisiert – allen voran zwei „Dance with the Stans“ Parties in Berlin, zwei Filmabende und regelmäßige Stammtische in Berlin und in Leipzig. Auf der Mitgliederversammlung im Dezember haben der Vorstand und der Aufsichtsrat daher eine durchaus positive Jahresbilanz gezogen.

Auch im kommenden Jahr wollen wir Zentralasien und Europa einander näher bringen und freuen uns auf Eure Teilhabe und Unterstützung!

Florian Copperath, Michèle Häfliger, Jan Ritter, Robin Roth und Berenika Zeller

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