Was bewegte Zentralasien im Jahr 2017? Unsere Redaktion hat Bilanz gezogen und die wichtigsten Ereignisse des Jahres zusammengestellt. Erschienen ist der Jahresrückblick zuerst in der Neujahrsausgabe unseres wöchentlichen Newsletters.
Kasachstan
EXPO in Astana
Kasachstan stand dieses Jahr von den zentralasiatischen Staaten wohl am stärksten im internationalen Rampenlicht: Die EXPO zum Thema Energie der Zukunft in Astana war das wohl prägnanteste Großereignis Zentralasiens.
Kasachstan als Mediator
Mit den Astana-Gesprächen zum Syrien-Konflikt versuchte sich das Land international als Mediator zu etablieren. Auch in der inner-zentralasiatischen Diplomatie zeigt Kasachstan Interesse an einer engeren Kooperation. So wird immer wieder eine Wiederbelebung der Zentralasiatischen Union diskutiert. Es lief allerdings nicht immer so rund in der kasachstanischen Diplomatie, wie die Grenzspannungen mit Kirgistan gegen Ende des Jahres bezeugen.
Ein neues Alphabet?
Präsident Nasarbajew setzte außerdem den Zeitplan für die Umstellung von kyrillischer auf lateinische Schrift im Kasachischen. Das neue Alphabet wurde dieses Jahr vorgestellt, ist aber umstritten. Bis 2025 soll der Übergang vollständig umgesetzt werden.
Streik aber keine Lösung
Zum Ende des Jahres rief ein Streik von Minenarbeitern in Temirtau Nervosität in dem autoritären Staat hervor. Er rief traumatische Erinnerungen an die Ereignisse von Schanaössen hervor, von vor fast auf den Tag genau sechs Jahren. Obwohl der Streik von Temirtau friedlich ausgegangen ist, bleiben viele Probleme ungelöst.
Und 2018…?
Das Jahr 2018 steht in Kasachstan unter dem Zeichen der guten Beziehung zu Usbekistan. Neben Diskussionen um die Wiederbelebung einer zentralasiatischen Union steht vor allem auch die Frage der Nachfolge auf den seit 1989 amtierenden Präsidenten Nursultan Nasarbajew latent in der luft.
Kirgistan
Kirgistans neuer Präsident
Hauptereignis des Jahres in Kirgistan war ohne Zweifel die Präsidentschaftswahl im Oktober, aus der Sooronbaj Dscheenbekow als fünfter Präsident des Landes herausging. Besonders war, dass die Wahl bei zwischenzeitlich über 50 KandidatInnen bis zum Ende spannend blieb und den ersten friedlichen Machtwechsel zweier gewählter Staatschefs in Zentralasien darbot.
Dies sollte jedoch nicht darüber hinwegsehen lassen, dass Dscheenbekow seinen Sieg auch der Mobilisierung des Staatsapparats gegen Opponenten und unabhängige Medien zu verdanken hat.
Kirgistan international
International lässt die bis vor kurzem noch sehr angespannte Beziehung zu Kasachstan über die erheblichen bilateralen Fortschritte mit Usbekistan hinwegsehen. Im Februar war der kirgisische Präsident zuletzt auf Staatsbesuch in Belgien und in Deutschland.
Und 2018…?
Das gerade begonnene sechsjährige Präsidentschaftsmandat von Dscheenbekow lässt viele Fragen offen. International gibt der Präsident bisher eher ein gutes Bild ab, im Inland jedoch scheint sich ein harter Kurs gegen unabhängigen Journalismus fortzuführen.
Der scheidende Präsident Almasbek Atambajew könnte entgegen seiner Ankündigung eines Rückzugs aus der Politik bald schon zum Vorsitzenden der Regierungspartei SDPK ernannt werden. Im September wird Kirgistan schließlich nach 2014 und 2016 die dritte Ausgabe der Weltspiele der Nomaden austragen.
Tadschikistan
Tadschikistans missliche Lage
Zum 20. Mal jährte sich dieses Jahr die Unterzeichnung des Friedensvertrags, der dem fünfjährigen tadschikischen Bürgerkrieg ein Ende setzte. Das Land ist immer noch stark von den Auswirkungen des Konflikts gezeichnet.
Das zeigen sowohl die wirtschaftlichen als auch die sozialen Probleme. Zu den gefährdetsten Gruppen gehören vor allem Frauen. Allerdings könnte sich die wirtschaftliche Situation durch den Anstieg der Rücküberweisungen von Arbeitsmigranten mit der wirtschaftlichen Erholung Russlands verbessern.
Jobvermittlung im Dunstkreis des Präsidenten
Die Ernennung von Rustam Emomali, dem Sohn des Präsidenten Emomalii Rachmon, zum Bürgermeister der tadschikischen Hauptstadt Duschanbe bewies einmal mehr die Zentralisierung der Macht auf die Präsidentenfamilie. Gezeichnet wurde die Hauptstadt 2017 auch durch die fortwährenden Abrisse historischer Gebäude.
Tadschikistan international
Das Land kam 2017 vor allem auch wegen seiner absurd scheinenden Verbote und Kleidungsvorschriften in die Schlagzeilen. Die gemeinsame Grenze mit Afghanistan führt nach wie vor zu einem verstärkten Interesse internationaler Akteure an dem Land.
Und 2018…?
Der Präsident und seine Familie werden das Land auch 2018 dominieren. Die schlechte wirtschaftliche und soziale Situation sowie die ausufernde Korruption werden sehr wahrscheinlich nicht angegangen werden. So bleibt das Land auch weiterhin stark abhängig von seinen Arbeitsmigranten in Russland und somit von der russischen Wirtschaft.
Die Beziehungen zum Nachbarstaat Usbekistan werden sich unter dem neuen usbekischen Präsidenten vermutlich weiter vorsichtig entspannen. Interessant bleibt auch, wie das Land mit dem Problem islamistischer Radikalisierung umgehen wird.
Turkmenistan
PräsidentschaftsWAHL?
Bei der Präsidentschaftswahl am 12. Februar bestätigten die TurkmenInnen ihren Präsidenten Gurbanguly Berdimuchammedow mit 97,69 Prozent der Stimmen im Amt. Obwohl er gegen acht weitere Kandidaten angetreten war und sogar Wahlkampf geführt hatte, kam das Ergebnis nicht überraschend. Turkmenistan nimmt in der Rangliste zur Pressefreiheit für 2017 der Organisation Reporter Ohne Grenzen unverändert den letzten Platz in der Region ein.
Sportspektakel
Um dennoch für positive Schlagzeilen zu sorgen, organisierte Turkmenistan mit den fünften Asiatischen Hallenspielen, sein größtes internationales Ereignis seit der Unabhängigkeit. Für die Spiele wurden in der Hauptstadt Aschgabat ein neuer Flughafen und die weltweite größte Pferdeskulptur errichtet und neue Geldscheine gedruckt.
Die Asiaden bedeuteten eine zusätzliche Bürde für die Bürger Turkmenistans, denen außerdem die wirtschaftliche Situation zu schaffen machte. Aufgrund niedriger Preise für Erdgas wurden Grundlebensmittel knapp. Der Staat reagierte mit Sparmaßnahmen, wie der massenhaften Entlassung von arbeitenden Rentnern aus Ministerien und Behörden.
Und 2018…?
Die wirtschaftliche Lage Turkmenistans könnte sich im nächsten Jahr weiter verschlechtern. Die Erlöse aus dem Verkauf von Gas an den einzigen verbliebenen wichtigen Handelspartner China dürften nicht ausreichen, dass Staatsbudget zu decken. Das könnte zu weiteren Entlassungen im Staatssektor und zunehmendem Mangel an Lebensmitteln und Medizin führen.
Usbekistan
Ein Jahr mit dem neuen Präsidenten
Auch in Usbekistan ist ein Jahr vergangen, ein überaus Spannendes sogar. Vier Themen aus Usbekistan beschäftigten uns in ihren verschiedenen Facetten dieses Jahr ganz besonders: Grenzpolitik, die Umwelt und die usbekische Währung, der Sum.
Grenzpolitik
Seit etwas mehr als einem Jahr ist nun Shawkat Mirsijojew an der Macht. Ein junger Reformer, der viel versprochen und einiges gehalten hat. Stichwort Grenzpolitik; Für einige Länder unter anderem Deutschland, Österreich und die Schweiz war für April 2017 die Visafreiheit geplant. Die neue Deadline – Januar 2021. Mirsijojew legte seinen Fokus auf ein besseres Verhältnis mit den Nachbarstaaten. Sein Besuch in Kirgistan gilt als historisch!
Umwelt
Auch in Sachen Umwelt hat sich mit Mirsijojew einiges getan. Im April unterschrieb nun – wenn auch mit zweijähriger Verspätung – Usbekistan den Klimavertrag von Paris. Usbekistan gilt mit seinem Baumwollanbau als großer Wasserverschwender in der Region. Um Konflikte darum zu vermeiden und die Umwelt zu schonen, unterstützt Usbekistan nun zumindest offiziell einen Wassermanagemententwurf der UNO.
Währung
Und zu guter Letzt noch eine weitere erfreuliche Nachricht. Usbekistan hat seine Währung liberalisiert. Der Schwarzmarkt – auf dem man für Euro oder Dollar oft das Doppelte des offiziellen Kurses bekam – ist mit der Liberalisierung obsolet. Bisher war der Kursunterschied ein entscheidender Grund für ausländische Unternehmen Usbekistan fern zu bleiben.
Und 2018… ?
Der Liberalisierungskurs, den der neue Präsident Mirsijojew sowohl in Hinsicht auf die Beziehungen zu seinen Nachbarstaaten als auch auf wirtschaftlicher Ebene einschlägt könnte durchaus dazu führen, dass Usbekistan 2018 ein Wirtschaftswunder erlebt.
Julius Bauer, Florian Coppenrath, Charlotte Dietrich, Folke Eikmeier
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