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Mehrere Verletzte bei gewaltsamen Zusammenstößen an der tadschikisch-kirgisischen Grenze

Am 8. Mai kam es in einem umstrittenen Gebiet an der Grenze zwischen Tadschikistan und Kirgistan zu Zusammenstößen. Mindestens zwei tadschikische Grenzsoldaten wurden von Steinen und Geschossen getroffen, bevor sie Mörser einsetzten, die drei kirgisische Soldaten schwer verletzten. Solche Auseinandersetzungen haben in den letzten Monaten zugenommen und scheinen unaufhaltbar.

Grenze Kirgistan Tadschikistan
In letzter Zeit vermehren sich die Zwischenfälle an der Grenze zwischen Tadschikistan und Kirgistan

Am 8. Mai kam es in einem umstrittenen Gebiet an der Grenze zwischen Tadschikistan und Kirgistan zu Zusammenstößen. Mindestens zwei tadschikische Grenzsoldaten wurden von Steinen und Geschossen getroffen, bevor sie Mörser einsetzten, die drei kirgisische Soldaten schwer verletzten. Solche Auseinandersetzungen haben in den letzten Monaten zugenommen und scheinen unaufhaltbar.

Erneute Eskalation an der tadschikisch-kirgisischen Grenze: Einem Bericht der russischen Onlinezeitung Fergana News zufolge wurden am 8. Mai bei gewalttätigen Zusammenstößen mindestens fünf Menschen verletzt. Der Konflikt begann zwischen Dorfbewohnern und wurde von Grenzsoldaten fortgeführt. Zwei tadschikische Soldaten wurden von Steinwürfen und Gewehrfeuer getroffen, während drei kirgisische Grenzsoldaten von Mörserfeuer getroffen wurden.

Der Vorfall ereignete sich in einem umstrittenen Gebiet an der Grenze zwischen den beiden Ländern, in der Nähe der Stadt Tschorkuh im Distrikt Isfara, im Norden Tadschikistans und dem Dorf Schek im kirgisischen Distrikt Batken im Südwesten Kirgistans.

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Obwohl sich die tadschikische und die kirgisische Wiedergabe der Ereignisse in mehreren Punkten unterscheiden, scheint es erwiesen, dass ein Streit um rund 50 Hektar Land die Ursache der Gewalt ist. Manche Felder in der Nähe der Grenze sind nicht klar abgegrenzt.

Widersprüchliche Versionen

In einer von der kirgisischen Nachrichtenagentur AKIpress zitierten Erklärung behaupten die kirgisischen Grenzsoldaten, dass das Land schon immer von kirgisischen Dorfbewohnern aus dem Distrikt Batken genutzt wurde. Das Staatskomitee für Nationale Sicherheit Tadschikistans behauptet seiterseits, dass „die Ursache des Konflikts die willkürliche Aneignung von vier Hektar Land durch Bürger der Kirgisischen Republik“ sei und dass „dieses Land laut Gesetz Tadschikistan gehört“.

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Zu Beginn des Konflikts fingen etwa 40 tadschikische und kirgisische Dorfbewohner auf jeder Seite an, sich gegenseitig mit Steinen zu bewerfen. Laut einem Bericht habe ein Mann auch eine Schrotflinte abgefeuert. Nach der Version der kirgisischen Grenzsoldaten feuerten diese daraufhin mehrere Warnschüsse ab, um die beiden Gruppen zu zerstreuen. Von tadschikischer Seite aus heißt es, dass „die kirgisischen Grenzsoldaten provozierten, anstatt den Konflikt zu lösen, das Feuer auf unbewaffnete tadschikische Bürger eröffneten“ und dabei zwei Grenzsoldaten verletzten. Doch die tadschikische Version ist selbst widersprüchlich. Laut Angaben der Stadtverwaltung von Isfara wurde einer der beiden tadschikischen Soldaten durch einen Stein verwundet.

Drei durch Mörserbeschuss verwundete kirgisische Grenzsoldaten

Dann feuerten nach Angaben des Grenzschutzes tadschikische Soldaten unerwartet Mörser auf kirgisische Bürger ab. In einem vom kirgisischen Onlinemedium Kaktus online gestellten Video hört man zahlreiche Schüsse und sieht zwei Grenzsoldaten, die einen Verletzten tragen. Diese Mörserschüsse werden weder im Bericht der tadschikischen Sicherheitsdienste noch in der Meldung der offiziellen tadschikischen Agentur Khovar erwähnt.

Karte Ferganatal Konflikte

Nach Angaben der kirgisischen Nachrichtenagentur 24.kg wurden drei Soldaten getroffen und in der Stadt Batken ins Krankenhaus eingeliefert. Einer der Grenzschutzbeamten, dessen Zustand als „äußerst ernst“ eingestuft wird, ist an der Wirbelsäule, im Unterleib und im Becken verletzt. Die beiden anderen Grenzschutzbeamten erlitten Brustverletzungen. Ihr Zustand wird als „stabil“ und „mäßig“ bewertet. Darüber hinaus wurde auch ein Ortsansässiger, dessen Zustand nicht spezifiziert wurde, ins Krankenhaus eingeliefert.

Telefongespräch zwischen den stellvertretenden Premierministern

Vor Ort scheinen Verhandlungen zwischen den Grenzschutzbeamten die Lage beruhigt zu haben. Darüber hinaus telefonierte Außenminister Tschyngys Aidarbekow auf Initiative Kirgistans am Abend des 8. Mai mit seinem tadschikischen Amtskollegen Sirodschiddin Muhriddin. Während des Gesprächs betonten die beiden Minister „die Notwendigkeit eines koordinierten Vorgehens, um den Vorfall rasch zu lösen“. Sie zeigten sich auch darüber einig, wie wichtig es ist, „der Bevölkerung vor Ort die Situation zu erklären“, um „die Spannungen in der Grenzregion zu mildern und eine weitere Eskalation zu verhindern“.

Wie Radio Azattyk am 9. Mai berichtete, fand zudem ein Telefongespräch zwischen dem für die Grenzen zuständigen stellvertretenden Ministerpräsidenten Kirgistans, Akram Madumarow, und seinem tadschikischen Amtskollegen Asim Ibrohim statt. Beide Seiten verurteilten den Gebrauch von Schusswaffen und einigten sich, dass weitere Schritte zum Abbau der Spannungen unternommen werden sollten. „Beide Seite drückten ihr Engagement für frühere Abkommen und für einen konstruktiven Ansatz zur Lösung der Probleme aus“, so Madumarow. „Die Situation in der Batken-Region steht unter der besonderen Kontrolle der Regierung„, fügte er hinzu. Nach Angaben der Agentur 24.kg besuchte der kirgisische Vizeminister am 9. Mai mit einem Militärflugzeug den Ort des Vorfalls. Asia-Plus berichtet, dass Botschafter beider Länder einberufen wurden und die Regierungen Protestnoten austauschten.

Zunahme der Grenzzwischenfälle zwischen Tadschikistan und Kirgistan

Solche Absichtserklärungen der Behörden verdecken aber kaum die Grenzspannungen zwischen den beiden Ländern. Seit 2019 nehmen Zwischenfälle an der Grenze zu. Tadschikistan und Kirgistan haben eine gemeinsame Grenze von 976 Kilometern Länge. Davon sind nur 504 Kilometer offiziell definiert und demarkiert. Die Grenzfrage wird durch zwei tadschikische Enklaven auf kirgisischem Territorium weiter erschwert.

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Beispielsweise brach im Juli 2019 in der Nähe der tadschikischen Enklave Woruch und des kirgisischen Dorfes Ak-Sai ein Konflikt um eine Flagge und ein Schild aus, die auf umstrittenem Gebiet aufgestellt worden waren. Es kam zu einer Schießerei und einem Todesopfer auf tadschikischer Seite. Die kirgisische Regierung beschloss daraufhin, mehrere hundert Menschen aus dem Dorf zu evakuieren. Wenige Tage später traf der kirgisische Präsident Sooronbaj Dscheenbekow am Ort des Geschehens mit seinem tadschikischen Amtskollegen Emomali Rahmon zusammen, um die Verhandlungen über die Grenze voranzubringen.

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Im September 2019 führte der Bau eines neuen Kontrollpunktes im Grenzbereich zu neuen Spannungen. Es kam zu einer Schießerei, bei der ein kirgisischer und drei tadschikische Grenzsoldaten getötet wurden. Darüber hinaus wurde im Dezember eine tadschikische Dorfbewohnerin mit Schrot verletzt, während 200 Menschen im Gebiet von Batken durch Steine verletzt wurden. Die Scharmützel wurden in der Nacht vom 9. auf den 10. Januar wieder aufgenommen, als Tadschiken und Kirgisen erneut mit Steinen und Jagdgewehren aufeinanderprallten.

Trotz der von den Präsidenten Kirgistans und Tadschikistans im Juli 2019 eingeleiteten Vermittlung scheinen die Verhandlungen ins Stocken geraten zu sein. Die zentralen Behörden sind überfordert, und nichts scheint die Eskalation aufhalten zu können. Am 21. Februar wurde Berichten zufolge bei einem Treffen zwischen dem tadschikischen und dem kirgisischen Vizepremierminister ein Gebietsaustausch erörtert, der den Grenzverlauf vereinfachen würde. Diese Information wurde jedoch sofort von Nasirbek Borubajew, dem Sonderbeauftragten der kirgisischen Regierung für Grenzfragen, dementiert.

Quentin Couvreur
Journalist für Novastan (Französisch)

Aus dem Französischen von Florian Coppenrath

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