Kasachstan tritt 2017 auf die Bühne. Menschen aus aller Welt richten ihre Augen auf Almaty und Astana. Auf zwei Städte inmitten eines Steppenlandes, das zuvor kaum einer auf der Landkarte einzuordnen wusste. Kasachstan tritt selbstbewusst aus seinem Schatten und versprüht neuen Glanz als Gastgeber internationaler Events. Unser Gastautor Hektor Hebe analysiert die Stellung Kasachstan in der Region weltweit und wie sich das Land am liebsten selbstdarstellt.
Kaum einer kennt das Steppenland im Herzen Zentralasiens. Das soll sich 2017 ändern. Bereits im Januar lud das Land zur Winteruniversiade ein. Sportler wie aus Deutschland, Frankreich, Südkorea, den USA und China reisten nach Almaty, um sich mit Champions in verschiedenen Disziplinen zu messen. Kasachstan zeigte sich als erfolgreicher Gastgeber. Die Straßen der Stadt glänzten, die Organisation lief wie am Schnürchen, alle hatten Freude an der Olympiade für den Sportnachwuchs.
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Nach elf Tagen Wettkampf flogen die Teams zurück in ihre Heimatländer. Als sie von der Startbahn abhoben, schauten sie über das vom gelbbraunen Smog eingehüllte Almaty, eingebettet zwischen schneeweißen Bergen, dessen Spitzen im Sonnenschein schimmern. Vielleicht sahen sie auch das graue Dach einer Lagerhalle nahe des Flughafens. Dort ging es während der Winteruniversiade weniger freudig zu. Zahlreiche Straßentiere mussten für das Sportevent beseitigt werden. Für die Hunde und Katzen begann das neue Jahr blutig. Aber die Straßen müssen schließlich glänzen.
Sport, Syrien und eine Weltausstellung
Auch in Astana laufen die Vorbereitungen für die Weltausstellung EXPO auf Hochtouren. Es ist das Event des Jahres, auf das Kasachstan seit Jahren hinarbeitet. Die Hoffnung und Erwartungen sind groß. Neue Investoren und zahlreiche Besucher sollen ins Land strömen. Die Tore ins Steppenland stehen weit geöffnet. Seit dem 1. Januar 2017 können Bürger aus rund 40 Staaten für 30 Tage ohne Visum ins Land einreisen. Die Pressestelle der nationalen Fluggesellschaft Air Astana rechnet mit einem Anstieg von 8,2 Millionen Fluggästen, doppelt so viel wie üblich. Das Airport-Projekt Astanas soll den Flughafen für den Ansturm rüsten. Geplant ist der Bau eines neuen Terminals für den internationalen Flugverkehr bis Mai.
Parallel zur Planung der EXPO fanden bereits mehrere Runden der syrischen Friedensgespräche in Astana statt. Nach sechs Jahren Krieg und circa 500.000 Toten, versuchen die Delegationen der Konfliktparteien seit dem 23. Januar im zerrissenen und zerstörten Syrien Frieden zu schaffen. Der russische Präsident Wladimir Putin schlug die Gespräche im Herzen Zentralasiens vor, nachdem die syrische Armee die Metropole Aleppo im Dezember vergangenen Jahres eingenommen hatte.
Unter der Regie Putins, des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan und des iranischen Präsidenten Hassan Ruhani kamen Vertreter der Opposition und Repräsentanten des syrischen Präsidenten Al-Bashar Assad in Astana zusammen. Ziel ist es, eine Lösung für den komplexen Konflikt zu finden. Ein Konflikt, der zum Bürgerkrieg führt und über die syrischen Grenzen hinaus einen Stellvertreterkrieg provoziert.
Astana – das Genf Asiens?
Dass die Wahl auf Kasachstan fällt, sei laut des deutschen Auslandsrundfunks Deutsche Welle bedeutsam: Man treffe sich nicht etwa in Genf, sondern im Herzen Zentralasiens, das sowohl Russland als auch den Turkvölkern der Türkei kulturell nahesteht. Bereits im Oktober 2016 hatte Kasachstan ein Treffen in Astana vorgeschlagen, damals für die USA und Russland. Auch Putin lud die Vertreter der neuen US-Regierung unter Donald Trump nach Astana ein, worauf Washington den US-Botschafter in Kasachstan George Krol als Beobachter schickte.
Brüssel entsandte eine Delegation und die UN ihren Sondergesandten für Syrien, Staffan de Mistura. Die Verhandlungen in Astana fanden unter der Schirmherrschaft Russlands, der Türkei und des Iran statt. Die USA und die EU legten währenddessen ihr Augenmerk auf den Syrien-Gipfel in Genf, geführt durch die Vereinten Nationen (UN).
Ob in Genf oder in Astana, die Regierungsvertreter und Opposition begegnen sich nach wie vor mit tiefem Misstrauen. Anfang des Jahres saßen sich die syrische Regierung und die Opposition noch am Rundtisch in Astana gegenüber. Aktuell boykottieren die Rebellen die Gespräche, da nach ihrer Meinung Russland nicht die im Dezember vereinbarte Waffenruhe einhalte. Laut der Nachrichtenagentur Reuters, habe der stellvertretende kasachische Außenminister Akilbek Kamaldinow mitgeteilt, dass die Delegationen Russlands, der Türkei und des Iran sich geeinigt hätten, das nächste Treffen für den 3. und 4. Mai anzusetzen.
Der Frieden bleibt ungewiss. Nach sechs Jahren Krieg ist Syrien ein zerstörtes und ethnisch sowie religiös zersplittertes Land, das als Spielball von internationalen Interessen nicht zur Ruhe kommt. Der Gastgeber Kasachstans, Präsident Nursultan Nasarbajew, ließ zu Beginn der Gespräche in Astana verlauten, dass der syrische Konflikt nur durch Verhandlungen gelöst werden könne. „Die momentane Situation in Syrien beschäftigt die gesamte Welt“, so das Staatsoberhaupt. Der Krieg, der nun seit fast sechs Jahren andauert, habe nichts gebracht außer Elend und Leid für das Land, in dem verschiedene Zivilisationen und Kulturen zusammenlebten.
Kasachstans Rolle auf der Weltbühne
Wie Syrien ist auch Kasachstan eine kunterbunte Nation, die im vergangenen Dezember ihren 25. Unabhängigkeitstag feierte. Die geopolitische Lage der jungen Republik ist zugleich Chance und Herausforderung: im Norden liegt Russland, im Osten grenzt China, im Westen wähnt man die frischesten Vorposten Europas (Georgien, Ukraine etc.) und südlich, hinter Usbekistan, liegt Afghanistan, das von Krieg und Terrorismus gekennzeichnet ist.
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Innerhalb Zentralasiens spielt Kasachstan eine Vorreiterrolle, denn es ist nicht nur die größte, sondern auch die politisch und wirtschaftlich einflussreichste Nation. Die riesigen Ölreserven lassen die einheimische Wirtschaft wachsen, wobei die restlichen Länder der Region nicht mithalten können. Die Einwohnerzahl Kasachstans fällt mit 17 Millionen klein aus, desto größer ist die multiethnische Vielfalt.
Laut Landesstatistik leben in Kasachstan Angehörige von mehr als 120 Ethnien, wobei Russen die größte Minderheit bilden. Zu den turksprachigen Minderheiten zählen Usbeken, Tataren, Mescheten und Aserbaidschaner sowie kleinere Gruppen, u.a. Baschkiren und Turkmenen. Weitere Minderheiten sind Uiguren aus China, und Ukrainer, Deutsche, sowie kleine Gruppen aus Polen, Lettland, Litauen und Weißrussland aus Europa. Kasachstan betont, es sei ein Beispiel dafür, dass Freundschaft zwischen Völkern möglich sei.
Kooperation statt Konfrontation
Die Vielfalt verleiht Kasachstan die Kompetenz als Vermittler zu agieren. Sei es innerhalb der islamischen Welt, immerhin sind ca. 70 Prozent der kasachischen Bevölkerung sunnitische Muslime, oder sei es zwischen der Türkei und Russland. Die Kasachen sind sowohl eng mit Russland verbunden als auch mit den Türken, da beide Nationen den Turkvölkern angehören.
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Auch Deutschland hat einen verwurzelten Platz in Kasachstan aufgrund der deutschen Minderheit. Die diplomatische Zusammenarbeit der Länder feierte am 11. Februar das 25. jährige Jubiläum. Kasachstan soll eine Brücke schlagen zwischen Europa und Asien, das ist das Ziel. Aber solch eine enge Verflechtung wünscht sich nicht nur Deutschland bzw. die EU oder die USA, sondern auch globale Spieler aus den anderen Himmelsrichtungen. Russland, China, Israel, der Iran sowie die Türkei ringen um Einfluss in dem geopolitisch wichtigen Gebiet.
Kasachstan setzt auf Diplomatie
Wer sich die kasachische Flagge genauer anschaut, entdeckt eine goldene Sonne und ein Adler ruhend im Zentrum. Sie tauchen in ein Türkisblau ein, das wie der endlose Horizont der Steppe leuchtet. Man könnte sich fragen, wohin dreht sich die kasachische Sonne? In welche Richtung breitet der Adler seine Flügel aus? Kasachstan will seine guten Beziehungen zu Russland wahren und gleichzeitig die zur NATO weiter ausbauen. Zudem setzt es auf enge bilaterale Beziehungen sowohl mit Israel als auch mit dem Iran.
Mit den Chinesen werden Milliarden-Dollar-Abkommen im Bereich der Öl– und Gasindustrie geschlossen. Außerdem liegt Kasachstan im Zentrum der Seidenstraße, wodurch es eine bedeutsame Rolle innerhalb des Wirtschaftsgürtels von China nach Europa einnimmt. Aufgrund dieser Lage nehmen Projekte für Pipelines, Eisenbahnstrecken, See– und Flussrouten, Fluglinien sowie Autobahnen zu. Dadurch ist ein Austausch in alle Himmelsrichtungen offen.
Zusammenhalt innerhalb Zentralasiens
Darüber hinaus bemüht sich Kasachstan um eine Zusammenarbeit zwischen den regionalen Staaten, die bisher recht porös ist. Das liegt unter anderem daran, dass Turkmenistan eine Politik der Isolation betreibt und Usbekistan vor allem auf bilaterale Beziehungen setzt. Bisher sind nur Kasachstan und Kirgisistan Mitglieder des postsowjetischen Integrationsprojekts Eurasische Wirtschaftsunion (EAWU), wobei Tadschikistan den Beitritt anstrebt.
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In Anbetracht zukünftiger Herausforderungen ist eine engere Kooperation der fünf zentralasiatischen Staaten wünschenswert. Gemeinsam lassen sich Probleme leichter lösen – sei es die Frage um nachhaltige Wassernutzung in Zeiten des Klimawandels oder die Abwehr der Terrormiliz „Islamischer Staat“, die aus Afghanistan überzuschwappen droht.
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Kasachstan liegt nicht nur im Herzen Zentralasiens, es ist auch die Hauptschlagader der Region. Als stärkste Wirtschaftsmacht der Region trägt Kasachstan große sowie kleine Verantwortungen sowohl auf der Weltbühne also auch vor der eigenen Haustür.
Kasachstan hinter den Kulissen
Kasachstan will beeindrucken und glänzen auf der Weltbühne. Doch ist es für die Rolle als Global Player gerüstet? Wie schaut es hinter den Kulissen aus? Profitiert das Volk von den glamourösen Events und der schillernden Gastgeberrolle, in der sich Kasachstan präsentiert? Wer Kasachstan bereist, begreift schnell: das Land ist voller Kontraste.
Morgens Shoppen im dreistöckigen Einkaufzentrum bei Gucci mit Starbucks-Kaffe in der Hand; Mittags mit dem Auto durch die Peripherie gen Westen, wo die Straßen irgendwann zu Staub verpuffen und im Nirgendwo enden; am Abend Nan, Marmelade, getrocknete Sauermilchkugeln, Gurken und ein heißer Chai in einem überschaubaren Häuschen mit Blechdach und einem stechend himmelblauen Eingangstor, an dem Esel und Ziegen grasen.
Wenn die Scheinwerfer aus sind
Kasachstan möchte den Eindruck erwecken, eine moderne aufsteigende Wirtschaftsmacht im asiatischen Raum zu sein – was auch weitgehend zutrifft – allerdings strahlen der Prunk und Pomp nicht über die Stadtgrenzen hinaus. Wer Almaty oder Astana hundert Kilometer hinter sich lässt, findet ein anderes Gesicht des Steppenlandes. Den Zauber einer atemberaubenden Landschaft, einer fremden Kultur und schlichten Einfachheit, die europäische und amerikanische Besucher magisch anzieht, ja, vielleicht sogar mehr fasziniert als die in den Himmel ragenden Hochhäuser Astanas oder die luxuriösen Einkaufzentren Almatys mit ihren blitzblank geleckten Marmorböden.
Der Kontrast zwischen dem Leben in den Städten und auf dem Land ist unübersehbar. Die Kluft zwischen reich und arm wächst. Das im Westen des Landes gewonnene Öl versickert größtenteils in den pompösen Städten oder eben für Großevents wie die EXPO. Anfang des Jahres verkündete der Präsident Nursultan Nasarbajew in seiner Ansprache die dritte Modernisierungswelle.
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Aber bringen Wirtschaftswellen langfristig gesehen nichts als Dürre, pflanzt man nicht auch den Samen für sozialen Fortschritt? Kasachstan setzt auf die wirtschaftliche Karte, wobei soziale Fragen wie Menschen-, Umwelt- sowie auch Tierrecht hinterher hinken. Gerade aufgrund der ethnisch-religiösen Vielfalt Kasachstans und der geopolitischen Lage kann der alleinige Wegweiser „Wirtschaft“ in eine Sackgasse führen. Die innere Stabilität ist poröse, solange soziale Fragen verdrängt werden und sich eine parallele Scheinwelt neben der Realität aufbaut.
Was bleibt vom Glanz?
Was bleibt vom Glanz, sobald die Scheinwerfer aus sind? Es bleibt ein authentischer Glanz durch die atemberaubende Natur, die gastfreundlichen Menschen und die Vielfalt an Traditionen, Kultur sowie Geschichte. Ein Schimmer aus Gegensätzen und Widersprüchen eines jungen Staates, der seine Rolle auf der Weltbühne finden will. Es ist für jedes Land eine Herausforderung, jeden Tag aufs Neue in kleinen Schritten in die richtige Richtung zu gehen. Es ist ein langer, steiniger Weg, den wir als Weltgemeinschaft zusammenfinden und festigen werden.
Hektor Hebe
Gastautor