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Verurteilt wegen lustig – Fünf Jahre Haft für Temirlan Ensebek

Ein kasachstanisches Gericht hat Temirlan Ensebek, Autor eines satirischen Accounts in sozialen Netzwerken, wegen "Aufstachelung zu ethnischem Hass" schuldig gesprochen. Auf das Urteil folgte eine Welle von Reaktionen, sowohl seitens der kasachstanischen Gesellschaft als auch von internationalen NGOs.

Ein Gericht in Almaty hat den Satiriker Temirlan Ensebek zu 5 Jahren Haft verurteilt, Photo : KATRIN BOLOVTSOVA sur Pexels

Ein kasachstanisches Gericht hat Temirlan Ensebek, Autor eines satirischen Accounts in sozialen Netzwerken, wegen „Aufstachelung zu ethnischem Hass“ schuldig gesprochen. Auf das Urteil folgte eine Welle von Reaktionen, sowohl seitens der kasachstanischen Gesellschaft als auch von internationalen NGOs.

Das Urteil fiel am 11. April 2025 im Nauryzbaı-Bezirksgericht in Almaty. Der 30-jährige Temirlan Ensebek, der für seine satirischen Veröffentlichungen über die kasachstanische Politik und Gesellschaft über den Instagram-Account Qaznews24 – das Pendant zum „Postillon“ in Deutschland oder „The Onion“ in den USA – bekannt ist, erhält eine fünfjährige Freiheitsstrafe, die mit zahlreichen beruflichen und sozialen Verboten verbunden ist. Laut Radio Azattyk ist es ihm nun untersagt, als Journalist zu arbeiten, sich öffentlich zu äußern und an Demonstrationen teilzunehmen.

Ein Lied als Auslöser

Der Fall geht auf einen Post vom Januar 2024 zurück. Darin hatte Ensebek als Reaktion auf Äußerungen der russischen Moderatorin Tina Kandelaki das Lied „Yo, Orystar! “ (Kasachisch für „Hey, ihr Russen!“) an einen Instagram-Post angehängt. Die Moderatorin hatte eine angebliche Russophobie in Kasachstan angeprangert.

Nach kasachstanischem Recht ist das Lied jedoch nicht verboten. In der Anklageschrift heißt es allerdings, dass die Musik darauf abziele, „die Würde der ethnisch russischen Bürger zu verletzen“, so Radio Azattyk. Dabei belegte die von der Verteidigung vorgelegte linguistische Analyse deutlich, dass das Ziel der Satire unmissverständlich Tina Kandelaki und russische Propagandisten sind, und nicht das russische Volk selbst.

Ein spannungsgeladener Prozess

Aus seiner Haftanstalt nahm Temirlan Ensebek per Videokonferenz an seinem Prozess teil. Er beschwerte sich mehrmals, die Wortwechsel mangels Tonqualität nicht zu hören. Seine Anwältin Janara Balgabaeva unternahm mehrere Anläufe, den Prozess aufgrund der voreingenommenen Haltung der Richter anzuprangern – diese hatten kategorisch alle Petitionen der Verteidigung zurückgewiesen, berichtet Orda.

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Mehrere von der Verteidigung geladene Zeugen durften außerdem nicht erscheinen. Richterin Beinegul Kajsina begründete dies damit, dass „das Gericht nicht von der Meinung der Gesellschaft geleitet wird“, fügte Orda hinzu.

Die Unterdrückung hört nicht im Gerichtssaal auf

Das Urteil löste eine starke Mobilisierung von Aktivisten, Künstlern und Bürgern aus. Am 10. April versuchten Demonstranten, der Anhörung beizuwohnen, und skandierten „Aşyq sot!“ (sinngemäß „Offenes Verfahren“). Die Polizei nahm sie fest, führten sie gewaltsam ab und belegte die meisten von ihnen mit Ordnungsstrafen, wie Radio Azattyk berichtete.

Unter ihnen befand sich auch Maria Kochneva, Zeugin und Lebensgefährtin des Verurteilten. Wie Orda berichtete, ließen die Behörden sie nach kurzer Zeit frei – unter der Bedingung, vor Gericht zu erscheinen.

Internationale NGOs sind sich einig

Mehrere Menschenrechtsorganisationen haben auf den Fall reagiert. Human Rights Watch bezeichnete ihn als Missbrauch des Strafrechts, um Andersdenkende mundtot zu machen.“ Amnesty International spricht von einer „politisch motivierten Verfolgung“. Die Internationale Partnerschaft für Menschenrechte (IPHR) hält die Strafe für eine „unverhältnismäßige Reaktion auf eine Satire“ und fordert Ensebeks sofortige Freilassung.

Seit 2021 veröffentlicht Qaznews24 ironische Inhalte über Korruption, Personenkult und Propaganda und zieht die kasachstanische Elite und Regierungsmitglieder durch den Kakao. Bereits 2021 wurde Temirlan Ensebek nach einer Hausdurchsuchung wegen „Fake News“ kurzzeitig inhaftiert.

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Mit dieser Verurteilung senden Kasachstans Behörden ein klares Signal an die Öffentlichkeit. Der Politologe Dosym Satpaev kommt zu dem Schluss, dass „die Machthaber den politischen und medialen Raum vor einer künftigen Machtübergabe säubern wollen.“

Nine Apperry für Novastan

Aus dem Französischen von Arthur Siavash Klischat

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