Seit dem 20. Januar 2021 ist Joe Biden Präsident der Vereinigten Staaten. Die Frage nach einem neuen Schwung in den Beziehungen zu Zentralasien ist in aller Munde, aber was ist damit gemeint? Zwischen China und Russland ist das Engagement der Vereinigten Staaten in der Region komplex und durchläuft unterschiedliche Dynamiken. Folgende Analyse der französischen Redaktion von Novastan erschien am 27. Mai 2021.
Am 20. Januar trat Joe Biden die Nachfolge von Donald Trump als Präsident der Vereinigten Staaten an. Die beiden Präsidenten scheinen in vielen Fragen uneins zu sein, so könnte auch die US-Außenpolitik gegenüber Zentralasien einen neuen Schub erfahren.
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Historisch gesehen ist die Beziehung der Vereinigten Staaten zu der Region nicht besonders ausgeprägt. Wird also die Biden-Administration diejenige sein, die endlich die US-zentralasiatischen Beziehungen ausbaut?
Ein wahrscheinlicher Erhalt des Status Quo
Für viele Außenpolitikexperten bringt die neue Biden-Administration keine konkreten Veränderungen mit sich. Der kritischere Diskurs des neuen Präsidenten über die Situation in Zentralasien und sein Lob der Menschenrechte bedeuten keine plötzliche Zunahme des Interesses an der Region.
Laut der amerikanischen Onlinezeitung Eurasianet wird die Möglichkeit eines radikalen Wandels in den Beziehungen durch die Tatsache beeinträchtigt, dass die Biden-Administration hauptsächlich aus alten Gesichtern besteht. Sie stellt jedoch fest, dass es nur eine Verbesserung gegenüber der Trump-Administration geben kann.
Es gibt bereits Anzeichen für eine Entwicklung im Verhältnis zwischen den beiden Seiten. Wie das US-Medienhaus The Diplomat berichtet, haben die Vereinigten Staaten, Afghanistan und Tadschikistan ein trilaterales Gespräch initiiert, um Entwicklung, Sicherheit und Frieden zu fördern.
Wachsende Interessen
Für den ehemaligen amerikanischen Botschafter Richard E. Hoagland, der von Novastan kontaktiert wurde, sind bereits Fortschritte zu verzeichnen. Die Ernennung des US-Botschafters in Kirgistan Donald Lu zum stellvertretenden Außenminister für süd- und zentralasiatische Angelegenheiten sei ein deutliches Zeichen. „Er wird der erste stellvertretende Staatssekretär für zentralasiatische Angelegenheiten sein, der echte Erfahrung in der Region hat“, so Hoagland.
Emmanuel Dupuy, Präsident des Institute for Prospective and Security in Europe (IPSE), erklärt gegenüber Novastan, dass mehrere Faktoren auf eine Entwicklung in den Beziehungen zwischen den USA und Zentralasien hinweisen. Einer davon ist das C5+1-Format, das im November 2015 mit dem Ziel gegründet wurde, den Dialog und die Zusammenarbeit zwischen den Vereinigten Staaten und den Ländern Zentralasiens sicherzustellen. Die C5+1 traf sich zuletzt am 23. April und bekräftigte ihre Unterstützung für die laufenden Bemühungen der Arbeitsgruppen für Wirtschaft, Energie, Umwelt und Sicherheit.
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Ein Rückläufiger Trend lässt sich beim militärischen Engagement der Vereinigten Staaten in Zentralasien verzeichnen. Dupuy erinnert daran, dass der 11. September 2021 den vollständigen Abzug der US-Truppen aus Afghanistan markieren wird. Im Juli 2014 wurde mit dem Stützpunkt Manas im Norden Kirgistans die letzte US-Militärbasis in der Region geschlossen.
Ein amerikanisches Desinteresse an Zentralasien?
Die Veränderung der Biden-Administration in den Beziehungen zu Zentralasien scheint relativ gering, sie ist aber unbestreitbar eine Verbesserung gegenüber zu früheren Administrationen. In der Tat halten sich die Beziehungen zwischen den USA und Zentralasien schon lange in Grenzen.
Historisch gesehen gestaltete sich das amerikanische Vorgehen in Zentralasien zum Teil als ein Machtkampf mit Peking und Moskau. Dieser an Zentralasien selbst desinteressierte Supermacht-Wettbewerb bleibt nicht ohne Folgen, da die fünf zentralasiatischen Länder zunehmend in Richtung der US-Rivalen tendieren.
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Dupuy beschreibt die Haltung der Vereinigten Staaten als Teil des „Double Containment“: Die Aktionen der Vereinigten Staaten in Zentralasien dienen demnach hauptsächlich dazu, den chinesischen und russischen Einfluss in der Region zu begrenzen.
In ihrer Vorstellung von Zentralasien schließen die Vereinigten Staaten neben den üblichen fünf Ländern Kasachstan, Kirgistan, Usbekistan, Tadschikistan und Turkmenistan auch Afghanistan und Pakistan ein. Die Einbeziehung Afghanistans in die Region erlaubt es den USA, sich von einem allzu schwachen Vorgehen freizusprechen, da sie in dem Land militärisch engagiert sind.
Die Passivität der Trump-Administration
Die Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten im Jahr 2017 hat die ohnehin schon angespannten Beziehungen nicht verbessert, wie einige Experten behaupteten. Es wurde kein neues Interesse an Zentralasien gezeigt, außer dem Wunsch, weiterhin ein Gegengewicht zum Einfluss Russlands und Chinas zu schaffen.
Für Richard Hoagland hat das Interesse der USA an Zentralasien jedoch nie nachgelassen. In der Tat haben der Dialog zwischen beiden Seiten und die bilateralen Institutionen – ein Erbe der vorherigen Administrationen – während der Trump-Administration gut bestanden. „Wir haben unsere Botschaften, Austauschprogramme und umfangreiche Unterstützung beibehalten, ohne dass sich wirklich etwas geändert hat“, sagt er.
Eine unambitionierte diplomatische Agenda
2015 hatten die Vereinigten Staaten eine diplomatische Agenda für Zentralasien veröffentlicht. Darin bekennen sie sich mitunter zur Souveränität und zu den Menschenrechten in der Region, und erklären ihre Bereitschaft, diese Werte zu verteidigen. Der Text war jedoch nicht unumstritten, wobei mehrere Medien, wie Eurasianet, das usbekische Podrobno.uz oder das chinesische CGTN, ihn als lächerlich und ohne Wirkung qualifizierten.
Am 5. Februar 2020 erschien eine erneuerte Version dieses Programms. Doch auch diesen Text bezeichneten mehrere Medien als bloßen Aufguss ohne wirkliche Verbesserungen.
In der Partnerschaft zwischen den Ländern der Region und den Vereinigten Staaten ragen in den vergangenen Jahren jedoch einige Ereignisse hervor. Im Januar 2018 hatte Donald Trump Nursultan Nazarbaev, den damaligen Präsidenten von Kasachstan, anlässlich einer Stärkung der strategischen Partnerschaft zwischen den beiden Ländern empfangen. Erst kürzlich, am 7. Januar 2021, unterzeichneten die beiden Länder zusammen mit Usbekistan eine Wirtschaftspartnerschaft in Höhe von 1 Milliarden US-Dollar (830 Millionen Euro).
Trotz solcher seltenen Ausnahmen hat das letzte halbe Jahrzehnt nichts Wesentliches in der Entwicklung der Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und Zentralasien gebracht hat. Die Tatsache, dass kein US-Präsident jemals einem der fünf zentralasiatischen Länder einen offiziellen Besuch abgestattet hat, unterstreicht das wahrscheinliche Desinteresse weiter.
Diese Haltung hat stellenweise auch Spannungen entfacht. Ein Beispiel ist die kalte Schulter zwischen den Vereinigten Staaten und Turkmenistan im April 2020, nachdem letzteres die Bedeutung der US-Wirtschaftshilfe leugnete.
Joe Biden und die Wege zur Veränderung
Die Biden-Administration hat durchaus das Potenzial, einen Wandel in den Beziehungen herbeizuführen. Dafür sind aber konkrete Schritte erforderlich.
Laut Ex-Botschafter Hoagland ist der beste Weg, die Beziehungen zwischen beiden Seiten zu entwickeln, die Organisation von mehr hochrangigen politischen Besuchen auf Ebene von Präsidenten und Ministern. Ihm zufolge müssen die Vereinigten Staaten ihre bisherigen Bemühungen fortsetzen und erweitern: „Wenn in letzter Zeit der Eindruck entstanden ist, dass die USA nicht voll involviert sind, dann müssen wir aktiv werden.„
Dupuy unterscheidet mehrere Möglichkeiten zur Stärkung der amerikanischen Präsenz in der Region. Sie alle sind Teil der Entwicklung amerikanischer Soft Power, das heißt des Exports von Kultur, Umweltschutz, Sprache und Bildung.
Bildung und Umweltschutz als Eingangstor
Im Bereich Bildung ist der Export amerikanischer Universitäten nach Zentralasien für den Präsidenten von IPSE eine wahrscheinliche Perspektive. Ebenso würde die Einbeziehung zentralasiatischer Forscher in amerikanische Think Tanks und umgekehrt das Wissen beider Seiten fördern und ihre Beziehungen stärken.
Der russische Politiker Andrei Serenko bekräftigt diese Sichtweise in der russischen Zeitung „Nesawissimaja Gaseta“. „Die Vereinigten Staaten werden zu einem Vermittler, einem externen Schiedsrichter, dessen Dienste noch notwendiger werden, nicht nur für die afghanische Regierung und die Taliban, sondern auch für die Nachbarn des Landes, hauptsächlich die zentralasiatischen Republiken“, schreibt er.
Neben der Bildung könnte der Bereich Umwelt und Ökologie eine gute Möglichkeit für die Vereinigten Staaten darbieten, in Zentralasien Fuß zu fassen. Wie die US-Botschaft in Kasachstan mitteilte, hat die US-Behörde für internationale Entwicklung (USAID) ihren Fünfjahresplan in Kasachstan mit „USAID Regional Water and Environment Vulnerability“ betitelt.
Der Plan zielt darauf ab, die Zusammenarbeit zwischen den USA und Kasachstan beim Wasser- und Umweltrisikomanagement rund um die Flüsse Amudarja und Syrdarja zu stärken, die durch mehrere Länder der Region fließen. Das Austrocknen eines anderen Flusses, des Urals, hat die Bevölkerung stark beeinträchtigt.
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In größerem Umfang ist das Wassermanagement in ganz Zentralasien, einer Region mit geringen Niederschlägen, ein großes Thema. Im März 2020 erklärte die Weltbank, die Entwicklung in der Zentralasien sei an den richtigen Umgang mit der kostbaren Ressource Wasser gebunden. Umso mehr, als 2021 als besonders trockenes Jahr erwartet wird.
Die Umwelt scheint also ein günstiger Sektor für die Unterstützung der Vereinigten Staaten zu sein, zumal sich seine Konkurrenten in Zentralasien nicht als Umweltschützer positionieren.
Einerseits wird das sowjetische Handeln im 20. Jahrhundert von Experten für das Austrocknen des Aralsees im Südwesten Kasachstans und im Westen Usbekistans verantwortlich gemacht. Andererseits führt Chinas „Neue Seidenstraßeninitiative“, ein groß angelegtes Kooperationsprojekt, das auch Zentralasien zugutekommt, zu ökologischen Kollateralschäden. Forscher sehen in dem Projekt vor allem katastrophale Folgen für die Berge der Region.
Die Mängel des chinesischen Einflusses
Die Vereinigten Staaten könnten paradoxerweise sogar von der chinesischen Konkurrenz profitieren. So ist China wegen seines wachsenden Eifers in Zentralasien immer häufiger Gegenstand von Kritik. So ist die Entwicklung der „Digitalen Seidenstraße“, einer 2015 begonnenen Initiative für ein Überwachungs- und Kommunikationsnetzwerk, zunehmend umstritten.
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Chinas Repressionen gegen ethnische Minderheiten in Xinjiang, schadet dem Ansehen des Landes in Kasachstan und Kirgistan erheblich. Die klare Verurteilung dieser Politik durch die Biden-Administration könnte helfen, das Image der Vereinigten Staaten zu verbessern.
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Experten zufolge ist der Multilateralismus ein weiterer Weg ist, um Chinas Einfluss entgegenzuwirken und die Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und Zentralasien zu stärken. Da China in der Region überwiegend unilateral agiert, könnte ein multilaterales Vorgehen mit den zentralasiatischen Ländern auch dem US-Image zugutekommen.
Obwohl die neue Biden-Administration kein besonders großes Interesse an Zentralasien zeigt, entwickelt sich die US-zentralasiatische Zusammenarbeit stärker als im vorigen Jahrzehnt. Auch die Herangehensweise ist nicht dieselbe, denn Bildung und Umweltschutz scheinen an die Stelle des früher sehr ausgeprägten militärischen Engagements zu treten. So scheint der Schlüssel zu einer künftig starken Beziehung zwischen den Vereinigten Staaten und Zentralasien scheint in der Ausnutzung der Unzulänglichkeiten Russlands und Chinas, Soft Power und Diskussionen zu liegen.
Leonard Dillies
Journalist für Novastan France
Aus dem Französischen von Florian Coppenrath
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