Vor seinem Rücktritt als Präsident Kirgistans am 15. Oktober hatte Sooronbaj Dscheenbekow ein Abkommen mit Russland über das Eisenbahnprojekt zwischen China, Kirgistan und Usbekistan angekündigt.
Im Interview mit dem Radiosender „Birintschi Radio“ hatte Sooronbaj Dscheenbekow am 19. September – einen knappen Monat vor seinem Rücktritt als Präsident von Kirgistan – mitgeteilt, dass eine Mitwirkung Russlands am Eisenbahnprojekt China-Kirgistan-Usbekistan gesichert sei. “Wir haben auf höchster Ebene eine Vereinbarung mit Russland über dessen Teilnahme an diesem Projekt getroffen. Derzeit laufen aktive Verhandlungen zwischen China, Kirgistan, Usbekistan und Russland (im Format drei plus eins)“, so Dscheenbekow.
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Russland soll demnach in die weiteren Verhandlungen an dem Eisenbahnkorridor einbezogen werden. Dies könnte das mehr als 25 Jahre alte Projekt voranbringen, zumal parallel ihm gerade die Corona-Pandemie neue Impulse zu verleihen scheint. Denn der Korridor würde es ermöglichen, Waren schneller von China nach Europa zu transportieren.
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Die russische Nachrichtenagentur Regnum hatte schon am 25. November 2019 gemeldet, dass Russland sich politisch für das Projekt engagiere und bereits umgerechnet drei Millionen US-Dollar in Studien investiert habe. Mittlerweile erwägt Russland sogar eine direkte Finanzierung, beispielsweise für den Bau der notwendigen Infrastruktur.
In Kirgistan fehlen Schienen
Der Eisenbahnkorridor China-Kirgistan-Usbekistan soll die chinesische Eisenbahn mit der usbekischen Hauptstadt Taschkent verbinden. Diese Bahnstrecke böte dann eine Anschlussmöglichkeit der zentralasiatischen Netze an die ganze Welt.
Die Linie beginnt in Kaschgar in der im Westen Chinas gelegenen Autonomen Uigurischen Region Xinjiang und führt über etwa 165 Kilometer bis zum Torugart-Pass. Dieser Streckenteil ist bereits vorhanden. Ab der Grenze aber werden die Güter dann mit Lastwagen durch Kirgistan gefahren, denn auf kirgisischer Seite existieren keine Schienen.
Ein Abschnitt von etwa 250 Kilometern Länge in Richtung Westen bis ins Ferganatal nach Usbekistan muss noch gebaut werden. Aber Kirgistan und China haben Schwierigkeiten, sich auf einen genauen Streckenverlauf auf kirgisischem Territorium zu einigen. Laut aktuellem Planungstand würde die Trasse durch die nördlich von Osch gelegenen Städte Ösgön und Kara-Suu führen, bevor sie schließlich Usbekistan erreicht.
China sucht Anschluss an Usbekistans Ölfelder
China als Initiator des Projekts will auf kürzestem Weg langfristig das Schienennetz nach Afghanistan, in den Iran, in die Türkei und nach Europa ausweiten. Ein großes Interesse hat China an einer Verbindung zum Ölfeld von Mingbuloq in Usbekistan.
Wie Bruce Pannier 2017 in einem Artikel für Radio Free Europe berichtete, wurde jene Förderstätte Mingbuloq überhaupt erst genutzt, als China National Petroleum Corp (CNPC) im Oktober 2008 eine Vereinbarung zur Entwicklung der Nutzung des Ölfelds (bis 2013) unterzeichnete.
CNPC schätzt, dass dort mehr als 30 Millionen Tonnen Öl vorhanden sind und Mingbuloq auf Dauer rund 4000 Barrel pro Tag fördern könnte. Diese Menge liegt zwar weit unterhalb des chinesischen Tagesverbrauchs, könnte aber ausgesprochen nah an seinem Staatsgebiet gewonnen werden.
Viele Probleme behindern Fortschritte
Das Projekt wurde vor 25 Jahren, wenige Jahre nach dem Zerfall der UdSSR, ins Leben gerufen, aber bis Oktober 2020 nicht umgesetzt. Die Gründe dafür sind vielfältig.
Das erste technische Problem liegt in der Spurweiten der Gleise: Die Eisenbahn Kirgistans nutzt eine Spurweite von 1,52 Metern, in China hingegen beträgt sie 1,435 Meter. Eine fehlende Einigung würde eine Umspuren während der Fahrt erfordern.
Kirgistan hat darüber hinaus das Projekt mehrfach verzögert. Wie Bruce Pannier in einem weiteren Artikel für Radio Free Europe betont, sträubt sich Kirgistan aus finanziellen und geografischen Gründen, seinen Teil der Arbeit zu leisten.
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Im Jahr 2017 erklärte Kirgistans damaliger Präsident Almasbek Atambajew, dass man gar keine Bahnlinie brauche, die in Kirgistan keinen Halt macht. Gleichzeitig schlug er aber einen längeren Streckenverlauf vor, der kleinere Städte im Norden des Landes anschließen würde. Diese Verbindung würde einschließlich Tunnel und Brücken das Gesamtbudget um 1,5 Milliarden US-Dollar (1,2 Milliarden Euro) erhöhen – eine unrealistische Summe angesichts des aktuellen Budgets von 1,3 Milliarden Dollar (1,1 Milliarden Euro), das vor allem von China bezahlt wird. Der Einstieg Russlands könnte nun vielleicht Neuverhandlungen zugunsten Kirgistans ermöglichen.
Doch auch Sorgen anderer Art verlangsamten das Projekt. Wie das kirgisische Nachrichtenportal Times of Central Asia unterstreicht, waren trotz aller Bemühungen um eine Zusammenarbeit der Regierungen auch die verschiedenen Grenzkonflikte seit 2017 ein weiteres Hindernis für die Entwicklung.
Fragwürdige russische Beteiligung
Angesichts der Uneinigkeit der bisherigen Partner ist schwer zu sagen, inwieweit der Einstieg eines vierten Landes, das nicht direkt mit der Bahnlinie verbunden ist, das Projekt wiederbeleben kann.
Vor allem aber bleibt eine Frage unbeantwortet: Warum sollte Russland seine Expertise und Mittel einbringen, wenn es keinen direkten wirtschaftlichen Nutzen aus dem Projekt zu ziehen scheint? Denn als Alternativroute nach Peking könnte das Projekt dem derzeitigen Monopol Russlands für den Transitverkehr chinesischer Fracht in Richtung Europa starke Konkurrenz machen.
Clément Clerc-Dubois, Redakteur für Novastan
Aus dem Französischen von Robin Roth
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