Der französische Fotograf Jean-François Rauzier hat sich eine Zeit lang der kasachischen Hauptstadt Astana gewidmet. Bekannt ist er für seine „Hyperfotos“, surreale Fotomontagen seiner Stadtbilder. Mit der Technik hat er auch das oft als Geisterstadt beschriebene Astana erfasst. Ein Interview.
Jean-François Rauzier arbeitet seit den 1970ern als Fotograf. Zuerst in der Werbebranche, bis er 2002, als das Internet und das Digitale in voller Entwicklung waren, das Hyperfoto erfand. Ein Hyperfoto, das sind hunderte oder tausende Bilder in einem, vom kleinsten Detail bis zum größten Gebäude. Heute reist er durch die ganze Welt, um verschiedene Orte als Hyperfotos zu zeigen.
Das Ergebnis wirk oft unwirklich. In Astana, seit 1997 die „neue“ Hauptstadt Kasachstans, hat Rauzier sich vor allem an der Architektur orientiert. Seine Werke wurden vom 21. Januar zum 12. Februar in der Pyramide des Friedens und der Einigung in Astana ausgestellt, wofür er von Sembol Construction (SML), eine türkische Baufirma, die einen Großteil der neuen Gebäude in Astana realisiert hat und auch bei der Expo-2017 sehr präsent ist, gesponsert wurde.
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Rauziers Bilder zeigen Astana, das viele Einwohner als leer und kalt bezeichnen, in einem vollkommen neuen Licht, und bilden somit auch für Kasachstan eine gerngesehene Vitrine. Wir haben ihn per Telefon interviewt.
Warum haben Sie sich gerade für Astana enschieden?
Anfangs hatte ich noch nie von der Stadt gehört. In Istanbul habe ich dann über eine meiner Galerien zwei Werke an die Stiftung des Präsidenten Nasarbajew verkauft. Sie wurden in der Astana Library ausgestellt. Als ich vom Verkauf erfuhr, habe ich mir die Stadt näher angeschaut. Ich war besonders von der außerordentlichen Architektur überwältigt. In Sachen Architektur ist Astana eine fantastische Stadt.
Ich habe also Kontakt zur Stiftung aufgenommen, die mich wiederum mit Sembol verbunden hat. Sie waren sehr an meiner Arbeit interessiert, haben mich eingeladen und wir haben alles unter ausgezeichneten Bedingungen besichtigt. So war Astana für mich wirklich eine plötzliche Entdeckung.
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Als ich nach Astana kam, hatte ich einen Aufenthalt in Brasilia und eine große Brasilientour hinter mir. Ich fand es interessant, Astana nach Brasilia zu behandeln. Die beiden Städte sind sich ähnlich. Nicht unbedingt, was ihre Architektur angeht, aber in ihrer Organisation: Beide haben große Alleen, große offene Flächen, usw.
Wie haben Sie den Alltag dieser Stadt erlebt?
Ich war insgesamt acht tage dort, hatte einen Reiseleiter, einen Fahrer und ständig Termine. Es war sehr intensiv und drehte sich vor allem um die Architektur. Ich war nicht in den Wohnvierteln, habe zwar auch Menschen fotografiert, aber nur im Chan-Tschatyr Einkaufszentrum. Ich würde eher nach Almaty fahren, um Leute zu fotografieren. In Astana war ich nur wegen der Architektur.
So habe ich mich auch nicht mit dem Lebensniveau beschäftigt, nur mit den sehr schönen Gebäuden. Manche Ausländer, die in Astana wohnen und meine Ausstellung besucht haben, sagten mir, sie hätten ein ganz anderes Bild von Astana. Dieselben Reaktionen hatte ich auch in Brasilia, das die meisten Brasilianer wenig schätzen.
Die meisten Ihrer Bilder zeigen Gebäude von SML, die Firma, die Ihre Ausstellung finanziert hat. Haben Sie sich darauf beschränkt?
Die Hälfte meiner Motive sind von Sembol und die andere Hälfte von anderen Baufirmen. Ich war vollkommen frei in meiner Arbeit, sie haben mir nur die Liste ihrer Gebäude zukommen lassen. Ich habe sie natürlich fotografiert, wie alle anderen. Ich hatte auch den Vorteil, Zugang zur Militärakademie und zum Präsidentenpalast zu haben, was Ausländern üblicherweise untersagt ist. Ich hatte das Glück, einen exklusiven Blick auf manche Objekte werfen zu können.
Ihr Konzept, das Hyperfoto, spielt vor allem mit geometrischen Formen. Sind die Formen ein Kriterium, nach dem Sie sich für eine bestimmte Stadt entscheiden?
Ich richte mich nicht unbedingt nach geometrische Kriterien. Astana ist ein besonderer Fall: Es hat neue Gebäude, ohne Patina. Die Wände sind sauber und glatt. In Astana habe ich mich sehr auf die Form konzentriert, während ich in anderen, älteren Städten viele Türen, Balkone oder Böden fotografiere. In Paris gibt es kein emblematisches futuristisches Gebäude. Dort gehe ich eher auf die Stimmung ein.
In Astana und Brasilia habe ich etwas futuristische Montagen realisiert, weil die Städte mich dazu inspiriert haben. Ich passe mich immer an den Ort an. Es gibt diese alte Frage in der Fotografie: Macht der Künstler oder der Ort das Bild? Für mich ist der Ort ausschlaggebend.
Die Ausstellung in Astana ist jetzt beendet. Wird sie auch an anderen Orten gezeigt?
Nein, es ist im Moment nicht vorgesehen. Aber ich würde es nicht ausschlagen, wenn sich eine Möglichkeit ergeben würde. Meine Werke bleiben oft vor Ort, weil die Ausstellungen viel Raum benötigen. Es ist etwas frustrierend, von dieser Bildreihe zu wissen und sie anschließend zu vergessen. Das Problem ist der teure Transport.
Meine einzige Wanderausstellung zeigt die aserbaidschanischen Städte Gandscha und Qäbälä. Was Astana angeht, warum nicht eine neue Ausstellung für die Expo-2017? (lacht)
Wo fahren Sie als nächstes hin?
Nächsten Monat werde ich in Kuba sein, auf der Suche nach vergilbten, ganz alten Motiven. Was danach kommt, weiß ich noch nicht. Ich warte auf eine Einladung (lacht). Ich entscheide mich meist spontan für ein bestimmtes Ziel. Ich bin recht produktiv, bin immer hungrig nach neuen Städten. Und wenn ich mit einem Ort fertig bin, ziehe ich weiter.
Ich bin schon durch die ganze Welt gereist, aber noch nicht so viel durch Europa. Ich war noch nicht in Mittel- und Osteuropa. Das fehlt mir, denn dort gibt es auch Schätze. Im Moment habe ich ebenfalls Lust auf Zentralasien, Almaty oder woanders. In Frankreich ist diese Region kaum bekannt, man tut sich sogar schwer, sie auf einer Karte zu orten. Für die Zukunft plane ich eine große Ausstellung über die Seidenstraße.
Mit Jean-François Rauzier sprach Etienne Combier
Aus dem Französischen übersetzt von Florian Coppenrath