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Kirgistan verabschiedet Gesetz über „ausländische Vertreter“

ENTSCHLÜSSELUNG. Der Präsident Kirgistans hat das vom Parlament angenommene Gesetz „Über ausländische Vertreter“ unterzeichnet. Dieses gefährdet die Arbeit von rund 18.500 im Land tätigen gemeinnützigen Organisationen.

Kirgistans Parlament hat ein Gesetz „Über ausländische Vertreter“ verabschiedet, Photo: Wikimedia Commons

ENTSCHLÜSSELUNG. Der Präsident Kirgistans hat das vom Parlament angenommene Gesetz „Über ausländische Vertreter“ unterzeichnet. Dieses gefährdet die Arbeit von rund 18.500 im Land tätigen gemeinnützigen Organisationen.

Während der Plenarsitzung am 14. März haben die Abgeordneten des kirgisischen Parlaments Dschogorku Kengesch in dritter Lesung den Gesetzentwurf „Über ausländische Vertreter“ verabschiedet, der das Gesetz „Über gemeinnützige Organisationen“ ändert.

Der Text wurde innerhalb von zwei Minuten ohne Debatte mit 66 Ja-Stimmen und fünf Nein-Stimmen angenommen, berichtet das kirgisische Nachrichtenportal Kloop. Die übereilte Aufnahme auf die Tagesordnung sowie die schnelle Abstimmung könnten laut 24.kg durch die darauffolgenden Parlamentsferien vom 18. März bis 1. April erklärt werden. Am 2. April wurde das gesetzt von Präsident Sadyr Dschparow unterzeichnet, sodass es nun in Kraft ist.

Was besagt der Text?

Dem Gesetzentwurf zufolge werden gemeinnützige Organisationen, die Mittel aus dem Ausland erhalten und sogenannte „politische“ Aktivitäten durchführen, in einem speziellen Register als „ausländische Vertreter“ erfasst. Diese Non-Profit-Organisationen, von denen es im Land 18 500 gibt, müssen alle sechs Monate zusätzliche Berichte über ihre Aktivitäten und die Mitarbeiter:innen ihrer Leitungsgremien vorlegen.

Darüber hinaus wird jedes Jahr ein Auditbericht verlangt und sie können außerplanmäßigen Kontrollen unterzogen werden. Außerdem müssen die Organisationen den von ihnen produzierten und/oder verbreiteten Inhalten eine Beschreibung beifügen, aus der hervorgeht, woher diese stammen und wohin sie versendet oder verbreitet werden sollen.

Das Gesetz erteilt außerdem den Behörden weitreichende Befugnisse zur Überwachung und sieht mögliche strafrechtliche Sanktionen in Form einer Geld- oder Freiheitsstrafe vor, erläutert Radio Free Europe.

Nationale und internationale Kritik

„Wenn das Gesetz in seiner jetzigen Form in Kraft tritt, könnte es den am stärksten gefährdeten Teilen der Bevölkerung schaden, die grundlegende Dienstleistungen wie Nahrung, Gesundheitsversorgung und Bildung benötigen, welche von gemeinnützigen Organisationen und NGOs bereitgestellt werden“, warnten die Botschaften des Vereinigten Königreichs, Frankreichs, Kanadas, Deutschlands, der USA und der Europäischen Union auf X.

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Die Botschaften betonen, dass NGOs „keine Gegner, sondern unersetzliche Partner beim Aufbau eines demokratischen, gerechten und wohlhabenden Kirgistans sind“. Wie Kloop berichtet, erklärte die Bürgerrechtsorganisation Adilet außerdem, dass das Gesetz aufgrund der im Land geltenden Vereinigungsfreiheit gegen die Menschenrechte und die Verfassung des Landes verstoße.

Der Text des Gesetzes erinnert indes stark an ein ähnliches Gesetz, das 2012 in Russland erlassen wurde und zur Schließung zahlreicher Menschenrechtsorganisationen und unabhängiger Medien führte.

NGOs beunruhigt

Der Gesetzentwurf wurde auch von der Internationalen Partnerschaft für Menschenrechte (IPHR), dem norwegischen Helsinki-Komitee, Human Rights Watch, Amnesty International sowie Vertreter:innen von Medien und Zivilgesellschaft kritisiert, berichtet Radio Free Europe.

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Eine Gruppe von 15 Organisationen, darunter die Menschenrechtsbewegung Bir Düinö, hatte bereits im Vorfeld der Abstimmung einen gemeinsamen Brief an vier internationale Finanzinstitutionen geschrieben, in dem sie ernsthafte Bedenken hinsichtlich des Gesetzentwurfs zum Ausdruck brachten. Ihnen zufolge schaffe dessen Annahme unweigerlich ein Klima der Angst, die Bürger:innen und Organisationen der Zivilgesellschaft  daran hindere, ihre Meinung zu äußern.

Dschaparows Antwort

In seiner Antwort an US-Außenminister Antony Blinken erklärte Präsident Sadyr Dschaparow, dass dessen Brief, in dem er Bedenken zu dem Gesetz geäußert hatte, „Anzeichen einer Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Kirgisischen Republik zeigt“. Ihm zufolge seien die Befürchtungen des US-Außenministers unbegründet, da das Gesetz „die Aktivitäten von Organisationen, die in der Kirgisischen Republik tätig sind, klarstellen und rationalisieren soll“.

Allerdings scheint das Gesetz eher Teil eines Kampfes um Einfluss zu sein. Der Anthropologe Boris Pétric, der die politischen Veränderungen in Zentralasien verfolgt, erklärt gegenüber Novastan: „Kirgistan ist zu dem geworden, was ich ein globalisiertes Protektorat nannte. Tatsächlich manipuliert die politische Elite immer Ressourcen, die von außen kommen. Seit den 2010er Jahren beobachten wir eine Verschärfung der internationalen politischen Beziehungen unter dem Druck Russlands, so dass die Vereinigten Staaten in dieser Region nicht mehr präsent sind.“

Ein Gesetz nach amerikanischem Vorbild?

Laut Präsident Dschaparow habe die neue Bestimmung das Gesetz zur Registrierung ausländischer Agenten in den Vereinigten Staaten zum Vorbild. „In diesem Zusammenhang kann man nur die Frage stellen: Warum ist das für Sie möglich, für uns aber nicht?“, so Dschaparow. „Gesellschaft und Staat müssen sehen, aus welchen ausländischen Quellen die Mittel welcher Non-Profit-Organisation kommen und für welche Zwecke. Unsere Forderungen sind klar und werden von der Gesellschaft unterstützt und sie stehen voll und ganz im Einklang sowohl mit der Verfassung als auch mit unseren internationalen Verpflichtungen.“

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Boris Pétric meint hingegen, der Text sei von „einem Autoritarismus, der Angst schürt und Freiheiten einschränkt“, geprägt und nicht mit dem US-Gesetz vergleichbar. Er fügt hinzu: „Wir können die Funktionsweise des amerikanischen und kirgisischen Lebens nicht vergleichen, das wäre übertrieben. Es handelt sich um ein typisches Gesetz, das Freiheiten einschränkt und die Beziehungen zur Außenwelt systematisch als eine Art Bedrohung betrachtet.“

Die Freiheit im Niedergang

Wie das kirgisische Nachrichtenportal Kaktus berichtet, wurde im März während der 55. Sitzung des UN-Menschenrechtsrats in Genf die Frage nach der Verschlechterung der Lage der Menschenrechte und der Meinungsfreiheit in Kirgistan aufgeworfen. Sigrid Lipott, Vertreterin der Globalen Allianz für Bürgerbeteiligung (CIVICUS), forderte in ihrer Rede den Rat auf, auf die sich verschlechternde Lage im Land zu reagieren.

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CIVICUS hatte Kirgistan aufgrund dieses Gesetzentwurfs und des Gesetzes, das auf unabhängige Medien abzielt, bereits zuvor in die Liste der Länder aufgenommen, in denen die bürgerlichen Freiheiten rapide zurückgehen.

Zoé Toulouse für Novastan

Aus dem Französischen von Robin Roth

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