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Neue Ansätze in Russlands Zentralasienpolitik

Russland möchte die Zusammenarbeit mit Zentralasien intensivieren. Im Rahmen einer Videokonferenz am 15. Oktober verabschiedeten die Außenminister Russlands und der zentralasiatischen Staaten eine Erklärung zur gemeinsamen Zusammenarbeit. Neu ist vor allem die Etablierung des gemeinsamen Dialogformats „Zentralasien + Russland“.

Am 15. Oktober haben sich die Außenminister Kasachstans, Kirgistans, Usbekistans, Tadschikistans, Turkmenistans und der Russischen Föderation zu einer gemeinsamen Videokonferenz getroffen.

Russland möchte die Zusammenarbeit mit Zentralasien intensivieren. Im Rahmen einer Videokonferenz am 15. Oktober verabschiedeten die Außenminister Russlands und der zentralasiatischen Staaten eine Erklärung zur gemeinsamen Zusammenarbeit. Neu ist vor allem die Etablierung des gemeinsamen Dialogformats „Zentralasien + Russland“.

Am 15. Oktober haben sich die Außenminister Kasachstans, Kirgistans, Usbekistans, Tadschikistans, Turkmenistans und der Russischen Föderation zu einer gemeinsamen Videokonferenz getroffen. Obwohl dies erst die dritte Zusammenkunft in dem Format „Zentralasien + Russland“ war, verabschiedeten die Außenminister die gemeinsame Erklärung „Über die strategischen Richtungen der Zusammenarbeit“, aus der unter anderem hervorgeht, dass dieses Dialogformat aufrechterhalten und intensiviert werden soll.

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Für Russlands Zentralasienpolitik stellt dies eine echte Neuerung dar, denn während andere Akteure wie die USA oder die Europäische Union schon länger ihre „C5+1“-Formate pflegen, beschränkte sich Russland bisher im Wesentlichen auf bilaterale Zusammenarbeit oder auf Kooperation im Rahmen von internationalen Bündnissen. Zu nennen wäre hier zum einen die Eurasische Wirtschaftsunion (EAWU), in der neben Russland, Belarus und Armenien auch Kasachstan und Kirgistan Mitglieder sind, während Usbekistan den Beobachterstatus innehat, zum anderen die Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit (OVKS). Letztere besteht aus den fünf Mitgliedern der EAWU und Tadschikistan.

Kooperation in vielen Bereichen

Aus der Pressemitteilung des russischen Außenministeriums geht hervor, dass ein Schwerpunkt des Treffens auf aktuellen Fragen in Bezug auf die Zusammenarbeit im Kampf gegen die Covid-19-Pandemie lag. Diese nimmt zwar auch in der gemeinsamen Erklärung der Außenminister ihren Platz ein, steht hier allerdings einer breiten Palette an Kooperationsfeldern gegenüber. Diese umfassen unter anderem Sicherheitspolitik, Wirtschaft, Transportwesen, Migration, Umwelt und den Energiesektor.

Die konkrete Ausgestaltung der Zusammenarbeit bleibt jedoch in vielen Bereichen vage. So heißt es zum Beispiel im Abschnitt zur Migration, dass es wichtig erscheine, „konkrete Schritte zur Schaffung von möglichst günstigen Bedingungen für das Leben und die Arbeit von ArbeitsmigrantInnen aus einzelnen Ländern Zentralasiens zu unternehmen“, ohne diese Schritte jedoch näher zu benennen.

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In Bezug auf die Umwelt werden einige Probleme wie Wasserverschmutzung und Gletscherschmelze namentlich erwähnt. Inwieweit Russland, das zuletzt Umweltkatastrophen auf eigenem Territorium kaum Herr wurde, bei der Bewältigung dieser Probleme helfen mag, lässt das Dokument aber offen.

Was die Wirtschaft betrifft, so hebt das Dokument eine Reihe von bisherigen Erfolgen hervor. Tatsächlich ist Russland schon jetzt einer der wichtigsten Investoren für die zentralasiatische Wirtschaft und auch die Handelsbilanz lässt sich mit einem Volumen von mehr als 30 Milliarden US-Dollar im Jahr 2019 – was in etwa der Handelsbilanz zwischen Zentralasien und der Europäischen Union entspricht – sehen. Diese Zusammenarbeit beabsichtigen die Partner zu intensivieren. Auch im Energiesektor sollen gemeinsame Projekte entstehen, wissenschaftliche Erkenntnisse ausgetauscht und die Technologie verbessert werden. Darüber hinaus soll auch bei der Ausbildung von SpezialistInnen kooperiert werden.

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Von einem deutlichen gemeinsamen Interesse ist der Abschnitt zum Transportwesen geprägt, da sowohl Russland als auch den zentralasiatischen Staaten eine wichtige Rolle als Transitländer des Warenverkehrs zwischen Europa und Asien zukommt. „Wir stellen fest, dass wir bereit sind, zusammenzuarbeiten, um die strukturellen und institutionellen Herausforderungen […] zu bewältigen, um die Transit- und Handelskosten zu senken, die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen und den Marktzugang anderer Länder zu verbessern“, heißt es in der Erklärung. Dass Russland durchaus bereit ist in diesem Bereich zu kooperieren, zeigte sich zuletzt im September, als bekannt wurde, dass Moskau sich beim Bau des Eisenbahnkorridors China – Kirgistan – Usbekistan einbringen möchte.

Von besonderem Interesse dürfte die Zusammenarbeit in Sachen Sicherheitspolitik sein. Wie die russische Tageszeitung Kommersant hervorhebt, versprechen die Länder, keine Schritte zu unternehmen, die die Interessen der Partner gefährden und Konfrontationen hervorrufen könnten. Ein solcher Interessenskonflikt könnte aber auftreten, wenn die zentralasiatischen Länder beispielweise ihren Luftraum für die militärischen Bedürfnisse anderer Mächte bereitstellen. Vor allem die USA hatten zuletzt mit Kasachstan und Usbekistan über die Möglichkeit von Transitflügen durch deren Luftraum gesprochen. Darüber hinaus bietet Russland Hilfe an, um den von afghanischen Staatsgebiet ausgehenden Bedrohungen wie Terrorismus, Drogenhandel und Waffenschmuggel zu begegnen.

Ein Schlag gegen die USA?

Wie der Kommersant berichtete, sei die Erklärung zwar in Moskau erarbeitet, danach aber mit allen beteiligten Staaten abgesprochen und überarbeitet worden. „Das Ergebnis ist ein Dokument, das den Interessen aller Beteiligten entspricht, nicht nur eines externen Spielers, was es von der amerikanischen oder europäischen Strategie unterscheidet“, lobt die russische Tageszeitung unter Verweis darauf, dass das amerikanische Papier allein fünfmal „Demokratie“ und viermal „Menschenrechte“ erwähne.

Die Vereinigten Staaten hatten im Februar ihr diplomatisches Programm für Zentralasien in den Jahren 2019-2025 vorgestellt. Das Dokument mit dem Titel “Advancing Sovereignity and Economic Prosperity” (dt.: Förderung von Souveränität und wirtschaftlichem Wachstum) nennt die Prioritäten der US-Regierung in der Region, welche unter anderem die Unterstützung der Unabhängigkeit und Souveränität der Staaten der Region, die Achtung der Menschenrechte, den Kampf gegen den Terrorismus aber auch Investitionen der USA in die zentralasiatischen Volkswirtschaften umfassen.

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Schon damals kritisierte Russland die amerikanische Strategie scharf. “Unsere amerikanischen Kollegen glauben leider, dass sie alles tun können, was sie wollen, und gleichzeitig ihre Gesprächspartner dazu bringen, sich von Russland und wahrscheinlich auch von China abzuwenden”, erklärte Außenminister Sergej Lawrow gegenüber der russischen Agentur TASS. Westliche KommentatorInnen kritisierten hingegen eher die mangelnde Innovativität der amerikanischen Strategie sowie die fehlenden Mittel für deren Umsetzung.

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Die neuen Ansätze in Russlands Zentralasienpolitik und die in der gemeinsamen Erklärung getroffenen Vereinbarungen könnten durchaus dazu beitragen, Russlands Rolle in Zentralasien zu festigen. Hierfür ist aber notwendig, auf die Erklärung auch konkrete Taten folgen zu lassen und sie somit mit Leben zu füllen. „Es ist klar, dass die deklarative Strategie nur ein Dokument ist und die Realitäten viel komplizierter sind“, schlussfolgert auch der Kommersant. Ob die neue Strategie also geeignet sein wird, andere weltpolitische Akteure aus der Region zurückzudrängen, bleibt mehr als fraglich – insbesondere da die zentralasiatischen Staaten sich in der Vergangenheit stets in verschiedene Richtungen orientierten und sich nicht nur an einen Partner banden. Abgesehen davon sind gewiss nicht die USA Russlands Hauptkonkurrent um die Hegemonie in Zentralasien, sondern vielmehr China.

Robin Roth, Chefredakteur von Novastan

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