DIE LUFT ZUM ATMEN. Das Heizkraftwerk und die Zementfabrik von Duschanbe sind die größten Luftverschmutzer der tadschikischen Hauptstadt. Ruß ist allgegenwärtig. Im Umfeld der Anlagen häufen sich Atemwegserkrankungen. Der folgende Artikel erschien im November 2020 im Rahmen des Projekts Air of Central Asia. Wir übersetzen ihn mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.
Duschanbe gehört laut dem britischen Beratungsunternehmen Mercer zu den zwanzig Städten mit der schlechtesten Luftqualität im asiatisch-pazifischen Raum. Im Jahr 2018 überstieg die Menge der Schadstoffemissionen in die Atmosphäre den Vergleichswert von 1991, als Duschanbe eine der zehn meistverschmutzten Städte der UdSSR war.
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Die Schadstoffmenge in der Luft wächst in Duschanbe im Vergleich zu anderen Städten Tadschikistans besonders schnell. Ein Anstieg der Schadstoffemissionen in der Atmosphäre von Duschanbe ist seit 2015 zu beobachten, was zeitlich mit der Kapazitätserhöhung des am Stadtrand gelegenen Heizkraftwerks TEC-2 zusammenfällt.
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Die größten Luftverschmutzer der Stadt sind heute: TEC-2, das Zementwerk von Duschanbe, Kesselhäuser, kleine Werkstätten und andere Industrieunternehmen, die Energie durch Verbrennung von Kohle beziehen, und solche, die Kunststoff verarbeiten und verbrennen.
Bleiben oder gehen?
Der Mikrodistrikt „Sowjetskij 1“ gehört in Bezug auf Emissionen zu den gefährlichsten Gegenden von Duschanbe. Zu Sowjetzeiten gab es hier eine Maschinenbauanlage mit Filtern zur Reinigung von Emissionen. Jetzt wird das Gelände von einer privaten Organisation gepachtet, die hier eine Werkstatt für die Herstellung von Beschlägen und Eisenprodukten betreibt. Das Gelände der ehemaligen Fabrik ist dreckig und vernachlässigt. Der Schrott wird ohne den Einsatz von Filtern verbrannt.
Auf der anderen Seite der Anlage befinden sich neun große Grillhäuser. Der Rauch hängt über dem Mikrodistrikt wie über einem großen Ofen. Die Emissionen entstehen hauptsächlich nachts. Ruß setzt sich an Hauswänden ab, die Wäsche muss nach dem Waschen so schnell wie möglich trocknen, sonst wird sie mit einer dunklen Schicht überzogen.
Die Anwohner:innen der Mahalla, wie sie selbst den Mikrodistrikt nennen, haben sich immer wieder über die Emissionen beschwert: Sie schrieben Briefe, appellierten an den Bürgermeister und Umweltschützer:innen. Doch all diese Appelle blieben wirkungslos.
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Im Jahr 2020 waren nach inoffiziellen Angaben vor allem die in der Nähe des Werks lebenden Menschen von Atemwegserkrankungen betroffen. Familien, die neben dem Hauptverschmutzer der Stadt lebten, verloren hier nacheinander ihre Lieben. Surajo Rahimowa ist Allergologin am Krankenhaus von „Sowjetskij 1“. Sie verbindet die Zunahme von Atemwegs- und Lungenerkrankungen mit der schlechten Umweltsituation in der Gegend.
„Die Zahl der Patienten mit Allergien und Lungenerkrankungen steigt. So wie sich der Ruß aus Emissionen auf Möbeln und Wänden ablagert, setzt er sich in der Lunge eines Menschen ab. Selbst in unserem Krankenhaus können Sie dieses Phänomen beobachten – überall ist Ruß. Wir müssen jedes Jahr unsere Büros renovieren. Aber was ist mit dem Körper des Menschen?“, erklärt die Ärztin.
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Einige Bewohner:innen solch ungünstig gelegener Gegenden wie „Sowjetskij 1“ meinen, dass der einzige Ausweg aus dieser Situation darin besteht, umzuziehen. Dies ist unter anderem die Meinung der 17-jährigen Marjana, einer Schülerin der 11. Klasse in der Sekundarschule Nr. 20 in Duschanbe. Seit dem Alter von 13 Jahren leidet sie an Allergien, die mit dem Umzug ihrer Familie von Chudschand nach Duschanbe begannen. „In Duschanbe gibt es viele Quellen für schädliche Emissionen: Der Straßenverkehr, brennendes Laub, der Staub von den zahlreichen Baustellen. Meine Augen beginnen zu tränen, ich atme schwer, habe Husten und Atemnot“, erzählt das Mädchen.
Laut Marjana verstärken sich ihr Husten und ihre Atemnot im Winter, wenn das TEC-2 und das Zementwerk voll ausgelastet sind. „In den letzten Jahren habe ich mich oft erkältet. Daraus hat sich eine chronischer Rhinitis entwickelt. Mir fällt das Atmen schwer, ich habe oft Tränen in den Augen, weil ich das Gefühl habe zu ersticken. Die Leute bleiben stehen und fragen: Was ist los mit Ihnen, brauchen Sie Hilfe? Und ich ersticke einfach“, beschwert sich Marjana.
Marjana träumt davon, in einer Stadt zu leben, in der man ohne Atemnot im Park spazieren kann, in der die Kleidung am Abend nicht dunkel vom Ruß ist, in der man einfach durchatmen kann. „Ich will nicht viel, sondern einfach nur gesund sein. Wenn hier alles so weitergeht, werden meine Altersgenossen auch weiterhin die Stadt verlassen“, sagt Marjana.
Irreführenden Messungen
Die tadschikischen Behörden betrachten die Luftverschmutzung nicht als ernsthaftes Problem. Die Luftqualitätskontrolle wurde in den letzten Jahren durch das von der Regierung erklärte Moratorium für private Geschäftstätigkeiten erschwert. Mit ihm geht eine Kürzung bei Aufsichtsbehörden und geplanten Inspektionen einher. Dies hat die Nichteinhaltung von Umweltstandards durch Unternehmen und eine Zunahme schädlicher Emissionen zur Folge. Das Moratorium galt aufgrund der wirtschaftlichen Lage von 2018 bis Januar 2021.
Die Luftqualitätskontrolle in Duschanbe wird von einer automatischen Luftüberwachungsstation durchgeführt, die auf dem Gelände der Hauptdirektion des Hydrometeorologischen Dienstes Tadschikistans installiert ist. Die Station misst die Luftqualität außerhalb der sanitären Schutzzonen von Industrieanlagen. Sie befindet sich im Zentrum Duschanbes, während sich die größten Luftverschmutzer in anderen Stadtteilen weit vom Messbereich entfernt befinden. Neben der automatischen Luftmessstation werden zwei mobile Einheiten (eine davon gehört dem Ausschuss für Umweltschutz) zur Messung der Luftqualität direkt an den Emissionsquellen eingesetzt.
Air of Central Asia
Aus dem Russischen von Robin Roth
„Air of Central Asia“ ist Teil des Projekts “Developing Journalism – Exposing Climate Change”, welches auf die Identifizierung und Lösung von Problemen des fortschreitenden Klimawandels durch die Entwicklung und Stärkung unabhängiger Medien in Zentralasien zielt. ExpertInnen des Zentrums für Medien-Entwicklung (Kirgistan) sowie der Redaktionen von Anhor.uz (Usbekistan), Asia-Plus (Tadschikistan) und Vlast (Kasachstan) leisten Unterstützung als MentorInnen. Das Projekt wurde von n-ost (Deutschland) und dem Internationalen Zentrum für Journalismus MediaNet (Kasachstan) mit Unterstützung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) umgesetzt.
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