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Die uigurische Kulturindustrie: Aufstieg und Fall in nur sieben Jahren

In der uigurischen Region Xinjiang nimmt der Druck der chinesischen Zentralregierung so stark zu, dass er die junge lokale Kulturindustrie zu überrollen droht. Eine Analyse.

Uyghurs' got talent:
Die uigurische Kulturindustrie basierte mitunter auf Sendungen wie "Uyghurs' got talent:!"

In der uigurischen Region Xinjiang nimmt der Druck der chinesischen Zentralregierung so stark zu, dass er die junge lokale Kulturindustrie zu überrollen droht. Eine Analyse.

Xinjiang erlebt zurzeit eine regelrechte kulturelle Ebbe. Die Kulturindustrie schien seit einigen Jahren einen Aufschwung zu erleben, der vor allem durch die Konsumgüterindustrie vorangetrieben wurde. Seit 2017 jedoch stagniert sie, da ihr vonseiten der chinesischen Zentralregierung extrem strenge Regeln auferlegt werden.

Die Region, die auch uigurische Region genannt wird, ist seit einigen Jahrzehnten der besonders kritischen Prüfung Pekings ausgesetzt. Da die meisten Einwohner muslimisch sind, sich die Region an Zentralasien annähert und der chinesischen Zentralmacht seit jeher trotzig begegnet, leidet sie umso mehr unter den extremen Sicherheitsbestimmungen und der kulturellen Bevormundung aus Peking.

Aufatmen zwischen 2010 und 2016

Die Beziehungen zwischen der uigurischen Region und der Volksrepublik waren nicht immer feindlich. Doch nach den blutigen Auseinandersetzungen in der Hauptstadt Ürümqi im Juli 2009, hat die Regierung Maßnahmen ergriffen. Unter anderem wurde der Posten des Generalsekretärs der Region gewechselt: Zhang Chunxian war ein überzeugter Verfechter der Politik des damaligen Präsidenten Hu Jintao (2003-2013) und überzeugt davon, die Wirtschaft ankurbeln zu müssen, um die Minderheiten zu besänftigen.

Dadurch konnte man zwischen 2010 und 2016 ein regelrechtes Aufatmen der Regionalpolitik beobachten, vor allem, was die Wirtschaft anbelangte. Die uigurische Region wurde sogar die einzige Provinz, in der das Bruttoinlandsprodukt höher war als der gemeinsame Durchschnitt der 12 Provinzen Westchinas.

Nachwirkung der großen Kulturrevolution

Der wirtschaftliche Erfolg war erst durch eine kulturelle Entwicklung möglich, die vor den Jahren der Kulturrevolution (1966–1976) unter Mao Zedong stattgefunden hatte. In der Zeit nach der Revolution zeigte sich die Regierung über einige Jahre hinweg offen gegenüber den verschiedenen Völkern, die in China leben. Auf diese Weise profitierten die Uiguren in der nordwestlichen Region Xinjiang zwischen 1980 und Mitte der 90er Jahre von einer Ära der Appeasement-Politik.

Diese Zeit begünstigte auch ein Aufblühen der zeitgenössischen uigurischen Literatur, die auch verschiedene Werke über uigurische Geschichte hervorbrachte, von denen einige bereits Klassiker geworden sind, etwa die historischen Romane von Abdurehim Ötkür, Zordun Sabir, Saifuddin Azizi und Memtimin Hoschur.

Wachsende Einzelunternehmen

Nach demselben Prinzip erlebte die Wirtschaft zwischen 2010 und 2016 einen Aufschwung. Obwohl entsprechende Studien die große Lohnschere zwischen Uiguren und Chinesen zeigen, konnten doch immerhin einige Uiguren davon profitieren. So konnte sich die uigurische Industrie, die bislang nur auf Landwirtschaft und Informatik in einem kleinen regionalen Markt beschränkt war, auf nationalem und sogar internationalem Niveau etablieren. In der gesamten Region konnten sich uigurische Unternehmen ausbreiten, vor allem in der Hauptstadt Ürümqi aber auch in den Regionen um Aksu und Hotan im Süden der Provinz.

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Uiguren hatten Schwierigkeiten Arbeit zu finden und wurden sowohl im öffentlichen Dienst als auch im privaten Sektor ausgegrenzt und diskriminiert. So begannen viele von ihnen . Hoch motiviert, „eigene Marken“ zu entwickeln, haben sich uigurischen Unternehmen in fast allen Bereichen der Leichtindustrie etabliert – vom Textilmarkt und der Lebensmittelverarbeitung bis hin zu Haushaltsgeräten, Informationstechnologie und vielen Alltagsgegenständen. 2016 gab es, laut Tahir Imin, einem jungen Protagonisten des uigurischen Unternehmenssektors, 30 000 uigurische Unternehmen in der Region.

Ethnische Industrie als Alternative für den Schutz der uigurischen Sprache

Es entwickelkte sich allmählich eine ethnische Industrie. Diese trieb auch die kulturelle Branche voran, indem sie den Gebrauch der uigurischen Sprache im Alltag und im öffentlichen Leben förderte. Die „Uigurisierung“ der Dinge des täglichen Lebens erhob das Uigurische auf eine überregionale Ebene, indem etwa chinesische Banken von nun an gezwungen waren, uigurische Bankkarten auszustellen und sogar einige Bankautomaten in Peking auf Uigurisch umzustellen.

2015 verkündete die erfolgreiche uigurische Moderatorin Munire Ghopur über ihren Weibo-Account, dem chinesischen Pendant zu Twitter, dass das Uigurische nun nach dem Mandarin offiziell die zweitgrößte Sprache in China sei.

Uigurische Konsumgüter
Ein paar Beispiele uigurischer Konsumgüter

Die ethnische Industrie spricht eine bestimmte Konsumgemeinschaft an und ist sich der Bedeutung regionaler und gemeinschaftlicher Bedürfnisse bewusst. Ihre Marketingstretegie konzentriert sich direkt auf diese Zielgruppe und bewirkt eine Stärkung des Gemeinschaftsinns, unabhängig davon, ob das überhaupt von den ethnischen oder nicht-ethnischen Unternehmern beabsichtigt wird.

Inoffizieller Kampf gegen Pekings Würgegriff

Dass die uigurische Leichtindustrie den Gebrauch der uigurischen Sprache ausgerechnet in einer Zeit begünstigt, in der sie gerade aus den Schulen und Universitäten verbannt wurde, ist sowohl ein Marketingargument als auch ein Pluspunkt für die Stärkung des Nationalgefühls. Tatsächlich beklagten sich die Uiguren über die Sinisierung ihrer Region durch gezielte Migrations- Sprach- und Kulturpolitik. Die Region ist zwar seit 1955 eine Autonomie und es gibt auch ein Gesetzt zum Schutz der Minderheitenrechte, das sich aber on der Verfassung von 1978 nicht ausreichend widerspiegelt. Das Autonomiegesetz trat erst 1984 inkraft, doch die tatsächliche Selbstständigkeit ist laut zahlreicher Forscher so instabil, dass das chinesische System in Wirklichkeit eine sehr beschränkte Autonomie gewährt. Andere Forscher, wie Gardner Bovingdon verurteilen diese Politik sogar als „Kolonisierungsprozess“.

In der Tat ist der Anteil der Han im Xinjiang von 6 Prozent in den 50er Jahren auf etwa 40 Prozent gewachsen, während der Anteil der uigurische Bevölkerung in demselben Zeitraum von 78 Prozent auf 47 Prozent gesunken ist. Die starke Immigration der Han in die Region, die Reglementierungen und Verbote der religiösen Praktiken, die Diskriminierung von Uiguren auf dem Arbeitsmarkt (die gesamte Region hat einen Arbeitslosenanteil von 4 Prozent, doch 8 Prozent der Uiguren sind arbeitslos) und die Verdrängung der uigurischen Sprache aus dem Bildungssektor sind die wichtigsten Gründe für die Unzufriedenheit der Uiguren, die sich bisweilen in Gewalttaten entladen.

Konfuzius Statue in Urumqi
Der Anteil der Han Chinesen im Xinjiang ist stark gestiegen. Eine Statue von Konfuzius in einem der Parks von Urumqi.

Dru Gladney spricht von internem Kolonialismus, wenn er die Situation erklären möchte, in der die Uiguren heute leben, doch er glaubt, dass viele Kämpfer und regionale Machthaber keine völlige Trennung von China anstreben, sondern einfach die Anerkennung einer wahren Autonomie fordern, wie sie in der chinesischen Verfassung festgelegt ist. Gleichzeitig verweigert China jeglichen Dialog und unterdrückt sämtliche Gespräche, indem es sich auf den 2001 eingeleiteten Antiterrorkampf beruft. Für Justin Rudelson, ein amerikanischer Sinologe, hat die uigurische Region ein viel größeres Potential als die anderen Regionen Chinas. Ihre Instabilität könnte auch Tibet, Hongkong und Taiwan destabilisieren.

Wenn Industrie Kultur schafft

In diesem Kontext entsteht etwas Interessantes: Die uigurischen Unternehmer hatten vor allem durch TV-Sendungen Anteil an der Ausweitung und Modernisierung der Kulturindustrie. Aus Sicht der Forscherin Sabina Mihelj ist der Markt extrem wichtig für die Schaffung eines gemeinsamen öffentlichen Raums im Sinne der Gemeinschaft, vor allem, wenn es sich um eine Minderheitengemeinschaft handelt, wie die Uiguren in ihrer Region.

Die enge Zusammenarbeit zwischen Fernsehen und den uigurischen Unternehmen begann Anfang 2014, indem neue Programme gestartet werden sollten, die das Modell chinesischer, westlicher und türkischer Fernsehproduktionen aufgreifen. Somit entstanden mit der uigurischen Version von China National Radio, Xinjiang TV, Urumchi TV, Xinjiang Regionalradio, Urumchi Radio und vielen weiteren neue Formate, die von uigurischen Privatunternehmen gefördert wurden.

Komplizierte uigurische Kulturindustrie

Diese Radio- und Fernsehformate werden offiziell als „öffentlich-private Kooperationsprogramme“ bezeichnet. Private Kulturunternehmen machen den offiziellen Regulierungsbehörden einen Programmvorschlag, diese müssen ihn im Voraus absegnen. Dauert das vorgeschlagene Programm eine Stunde, gesteht der Sender den Machern des Programms sechs bis zehn Minuten Werbung zu. Bevor das Programm fertiggestellt ist, muss es erneut von offizieller Seite geprüft werden. Im allgemeinen Sprachgebrauch werden diese Sendungen dann „Privatprogramme“ genannt.

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Es ist also die Werbezeit, die private Kulturunternehmen mit der Leichtindustrie verknüpft und diese finanziert wiederum die Programmproduktion durch den Kauf von Werbezeit. Genauso funktioniert es mit Radiosendungen.

Diese Zusammenarbeit ist für die Medien sehr von Vorteil, die von Natur her eigentlich offizielle audiovisuelle Organe der Volksrepublik sind. Der Inhalt für diese Kanäle wird von einer Drittfirma produziert, die nicht nur alle Kosten deckt, sondern auch eine Art Sendegebühr an die relevanten Medien zahlt. Anders als in den westlichen Ländern, in denen Produktionsfirmen ihre Programme an die Medien verkaufen, sind es hier Kulturunternehmen, die selbst produzieren und für die Ausstrahlung ihrer Programme bezahlen.

Ganze Programme in uigurischer Sprache

Um den Eindruck nationalistischer Tendenzen in diesen Programmen zu schwächen, fordern die staatlichen Medien von den Produktionsfirmen, auch chinesische Kandidaten zu zeigen und grundsätzlich während der ganzen Sendung chinesische Untertitel einzublenden. Außerdem wird gefordert, den Namen der Türkei nicht zu erwähnen, keine türkischen Produkte zu bewerben und keine Gegenstände zu zeigen, die türkische Buchstaben oder Sätze enthalten, wie der Regisseur und Produzent Tahir Hamut, der seit 2017 im Exil in den USA lebt, erklärt.

The Voice of the Silk Road TV Sendung
Die Sendung „The voice of the Silk Road“

So werden seit 2014 populäre internationale Formate wie „The Voice“ (Yipek yoli sadasi) oder „Got Talent“ (Talant sehnisi) komplett in uigurischer Sprache ausgestrahlt, von uigurischen Kulturunternehmen produziert und von der uigurischen Industrie finanziell unterstützt sowie mit einer Jury aus uigurischen Künstlern und einer Bühnenaufmachung, die dem internationalen Vorbild folgt ausgestattet.

Unerwarteter internationaler Erfolg

Die beiden Formate sind innerhalb eines Jahres sogar dermaßen beliebt geworden, dass ab der zweiten Staffel (pro Jahr gibt es zwei) Kandidaten aus verschiedenen Ländern teilnahmen. Diese Wettbewerbsformate haben schnell ein internationales Niveau erreicht, da sie im turksprachigen Zentralasien einzigartig sind. Kandidaten aus den Nachbarländern Chinas, die an Gesangs- oder Talentwettbewerben teilnehmen möchten, müssen nach Moskau oder Ürümqi reisen.

Während es in jedem Land der Welt nur ein Programm dieser Art („The Voice“ oder „Got Talent“) gibt, findet man in China zwei Programme in zwei verschiedenen Sprachen: In Peking auf Chinesisch, in Ürümqi auf Uigurisch. Sehr schnell haben diese uigurischen Shows unerwartete Bekanntheit erlangt. Auch die Wettbewerbsshow „Stage of Dance“ (Ussul Sehnisi) war nicht nur in der uigurischen Region, sondern auch in ganz Zentralasien sehr erfolgreich.

https://www.youtube.com/watch?v=jqJwM7YamWg

Neben diesen beiden internationalen und wettbewerbsfähigen Shows werden auch andere, ebenso beliebte lokale Programme wie „Nawa“ und „Meshrep“ vollständig von privaten Investoren finanziert. So haben sich auch Talkshows auf den regionalen uigurischen Kanälen etabliert, die sich an Programmen bekannter chinesischer und türkischer Shows orientieren.

Einige Sendungen mit sozialer Bestimmung

Unter allen regionalen Sendungen stechen zwei ganz besonders hervor, bei denen die Jury direkt aus uigurischen Unternehmern besteht: „Süßer Traum“ (Sherin Chüsh) und „Szene einer schönen Zukunft“ (Istiqbal Sehnisi). Die erste richtet sich an alle, die ein gutes Projekt planen, aber nicht über die finanziellen Mittel verfügen, um es umzusetzen. Die Kandidaten müssen die Jury von der allgemeinen Nützlichkeit ihres Projekts überzeugen und zeigen, dass es das Leben einer Gemeinschaft oder Gruppe von Menschen verbessern wird. Ist das Projekt überzeugend und umsetzbar, bestimmt die Jury über eine finanzielle Unterstützung.

Einige Bewerber sind Waisen, die in die Show kommen, um finanzielle Unterstützung für ihre Bildung zu erbitten. Weitere haben Ideen für technische Erfindungen und benötigen Unterstützung, um sie vermarkten zu können. Es kommen aber auch alleinerziehende Mütter, die sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser halten, um ihren Kindern eine gute Bildung zu ermöglichen. Diese Art von Kandidaten sind in der Regel glücklich über ihre Teilnahe an der Sendung und freuen sich auf die versprochene Unterstützung eines oder mehrerer Jurymitglieder.

Die andere ist eine Wettbewerbsshow, bei der junge Absolventen oder Arbeitslose ihre Fähigkeiten beweisen. Die Jurymitglieder stellen Fragen, um geeignete Kandidaten auszuwählen.

Laut dem Regisseur und Produzenten Tahir Hamut lag das Hauptaugenmerk der Sendung „Süßer Traum“ auf den Kandidaten, während die Show „Szene einer schönen Zukunft“ eher als Werbefläche für Unternehmen diente. Er schätzt, dass etwa 60 bis 70 Prozent der Kandidaten für die Sendung „Süßer Traum“ wirklich von der versprochenen finanziellen Unterstützung der uigurischen Unternehmen profitierten. In der  zweiten Sendung erhielt die große Mehrheit der Kandidaten in Wirklichkeit nicht die versprochene Unterstützung, weil die Unternehmen keine dezidierten Aussagen über Höhe oder Bedingungen der Unterstützung machten.

Das brutale Ende der uigurischen Kulturindustrie

Diese Entwicklung hat sich Ende August 2016 mit dem Wechsel des Vorstands der Kommunistischen Partei in der Region dramatisch verändert. Zhang Chunxian musste Chen Quanguo weichen. Dieser hatte zuvor fünf Jahre in Tibet ein strenges Kontrollregime geführt, für das er berühmt war, genau wie der Präsident Xi Jinping. Der neue Generalsekretär gab am 21. Februar 2017 in der Zeitung Xinjiang Daily (Link auf Chinesisch) an, dass „ein Xinjiang ohne Stabilität und Sicherheit nichtig ist.“

Stabilität ist Chen Quanguos Markenzeichen und er brauchte kein Jahr, um seine Vorstellung der Stabilität im Xinjiang durchzusetzen.  Verschiedene Uiguren zugeschriebene Attentate im Jahr 2014 boten ihm einen günstigen politischen Kontext. Die amerikanischen Forscher Adrian Zenz und James Leibold konnten zeigen, dass der neue Generalsekretär ein dichtes Netzwerk von High-Tech-Überwachung geschaffen hat. Die Anzahl der Polizisten hat er im Vergleich zu 2009 verzwölffacht.

Diese neue Strategie, die auf Sicherheit und extremer Überwachung basiert, hat aber auch die Wirtschaft der Region weitgehend zerstört. Chen Quanguo hat Maßnahmen eingeführt, die die Freizügigkeit der Arbeitnehmer stark einschränken. Die Uiguren, die bislang in städtischen Gebieten lebten und arbeiteten, sind gezwungen, in ihre Heimatstädte oder -dörfer zurückzukehren, wo es nur wenige Beschäftigungsmöglichkeiten gibt. In Ürümqi werden systematisch uigurische Geschäfte geschlossen. Im Süden der Region, wo die Bevölkerung zu 90 Prozent uigurisch ist, können die Bewohner nicht einmal ohne offizielle Genehmigung ihre Verwandten im Nachbardorf besuchen.

Beträchtliche Einschränkungen

Die Schaffung vieler neuer Checkpoints hat die Fahrzeiten fast verdoppelt und die Geschäftskosten somit erhöht. Unternehmen müssen sich auch nach hohen neuen Sicherheitsanforderungen richten, wie etwa die Installation von Metall- oder Röntgendetektoren, ähnlich wie an Flughafeneingängen, sie müssen auf eigene Kosten Überwachungsgeräte anschaffen, Alarmanlagen und Sicherheitstüren installieren und Sicherheitsleute einstellen. Gleichzeitig finden die enormen Investitionen des Staates aufgrund all dieser Sicherheitsmaßnahmen und vieler Auflagen keine Abnehmer.

Die Skyline von Urumqi
Die Skyline von Urumqi

Die aufwändigen Sicherheits- und Überwachungsmaßnahmen haben die junge uigurische Industrie und damit auch indirekt die Kulturindustrie stark erschüttert. Unter den Uiguren, die ursprünglich nicht aus Ürümqi stammen und deshalb aus den Städten vertrieben werden, gab es zahlreiche Unternehmer, die ihre Handelszentren in der Hauptstadt gegründet hatten.

Unternehmer werden alleingelassen

Zudem schuf Chen Quanguo auch politische Umerziehungslager, um die „drei Mächte“ auszurotten: den Separatismus/ Panturkismus, den Terrorismus und den religiösen Extremismus/ Panislamismus. Der neue Gouverneur zielt damit auf Familien, die sich im Ausland aufgehalten haben, insbesondere in muslimischen Ländern wie den turksprachigen Nachbarländern, oder auf Familien, die einen oder mehrere Verwandte in diesen Ländern haben.

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Die neuen Maßnahmen haben die Aktivitäten uigurischer Unternehmen so drastisch eingeschränkt, dass diese ihre Handels- und Geschäftsreisen in turksprachige Länder, durch die sie zwischen 2010 und 2016 ihre Unternehmen überhaupt erst aufbauen konnten, nicht mehr durchführen können. Laut dem Unternehmer Tahir Imin beschränkt sich die Haupttätigkeit der verbleibenden uigurischen Unternehmen auf den Verkauf chinesischer und ausländischer Marken, die aus chinesischen Städten importiert werden.

Das Ende der uigurischen Programme

Uigurische Fernsehsendungen unterlagen direkt den Richtlinien des neuen Generalsekretärs. Die beliebten Unterhaltungsprogramme wurden seit März 2017 eingestellt. Wie der Regisseur und Produzent Tahir Hamut erklärt, bestehen zwischen uigurischen Produktionsfirmen und den offiziellen Medien stets Ein-Jahres-Verträge, die gewöhnlich im März erneuert werden. Doch der Großteil uigurischer Sendungen konnte seine Verträge nicht erneuern. Auch Tahir Hamut, der unter anderem ein Kinderprogramm produziert, hatte aufgrund einer vagen Erklärung von Xinjiang-TV keine Erlaubnis, den Vertrag zu erneuern. „Bitte warten Sie, wir wissen nicht, was passieren wird, da die Politik sich verändert“, sagte ihm der Sender.

Einige lokale Shows wie „Nawa“ oder „Meshrep“ werden offenbar noch immer ausgestrahlt, doch mit verändertem Ton und Inhalt, die jetzt ihren kommunistischen Patriotismus zeigen. Außer diesem erzwungenen politischen Anstrich musste Tahir Hamut feststellen, dass die offiziellen Medien nun die Produzenten auffordern, eine Liste der geladenen Gäste und dem Publikum mitsamt Details über deren aktuelle Situation (ob sie etwa im Gefängnis waren oder in politischer Umerziehung) und ihre Kontaktdaten vorzulegen.

Antworten diese Gäste und Zuschauer beispielsweise nicht am Telefon, um identifiziert zu werden, kann dies dazu führen, dass der Vertrag zwischen Produktionsfirma und dem offiziellen Sender widerrufen wird, da davon ausgegangen wird, dass die betreffende Person im politischen Umerziehungsprozess oder im Gefängnis war.

Eine verfahrene Situation

Die beiden Unternehmer, die einem Interview zugestimmt hatten, betonten, dass diese Veränderungen den uigurischen Vertragspartnern nicht vorenthalten wurden und dass sie gewusst haben müssen, dass es eines Tages geschehen würde. Dieser Tag ist jedoch viel zu schnell gekommen, sodass die Uiguren keine Zeit hatten, eine Strategie zu entwickeln, um ihren Schwierigkeiten entgegenzuwirken. Unter Bedingungen, die für das uigurische Unternehmertum bereits ungünstig waren, wurde viel Geld, Aufwand und Energie investiert, um ein fast zufriedenstellendes Niveau zu erreichen.

Diejenigen, die ins Ausland gehen konnten, bevor die Situation völlig verfahren war, mussten alles hinter sich lassen, was sie über viele Jahre hinweg sorgfältig aufgebaut hatten. Diejenigen, die noch aktiv sind, organisieren nach wie vor Treffen zwischen uigurischen Unternehmern, aber sie müssen dies jetzt in Zusammenarbeit mit Regierungsvertretern, chinesischen Unternehmen aus Peking oder aus anderen chinesischen Städten tun und den Ideen des 19. Kongresses sowie der Weisheit des Präsidenten Xi folgen.

Dilnur Reyhan
Doktor der Soziologie, Vorsitzende des Vereins Oghouz

Aus dem Französischen von Elisabeth Rudolph

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