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Journalismus wird in Tadschikistan zu einem gefährlichen Beruf

Im Anschluss an Proteste in der Region Berg-Badachschan haben die Machthabenden in Tadschikistan zahlreiche Journalist:innen und Blogger:innen inhaftiert und aufgrund angeblicher terroristischer Tätigkeiten zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Diese harte Gangart und Misshandlungen in der Haft haben auch internationale Akteure auf den Plan gerufen.

Journalisten Tadschikistan
Journalisten in Tadschikistan (Foto; Cabar.asia)

Im Anschluss an Proteste in der Region Berg-Badachschan haben die Machthabenden in Tadschikistan zahlreiche Journalist:innen und Blogger:innen inhaftiert und aufgrund angeblicher terroristischer Tätigkeiten zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Diese harte Gangart und Misshandlungen in der Haft haben auch internationale Akteure auf den Plan gerufen.

Am 24. März wurde bekannt, dass gegen den in Prag lebenden ehemaligen Journalisten von „Radio Ozodi“ (tadschikischer Ableger von Radio Liberty/ Radio Free Europe), Rustam Dschoni, ein Strafverfahren eingeleitet wurde. Seine Redaktion erfuhr dies vom Ermittler des Hauptstadtbezirks Sino, Abduchakim Schafijew. Dschoni sei zur Fahndung ausgeschrieben, die Behörden hätten Interpol um Mithilfe bei seiner Festnahme gebeten.

Medienberichten zufolge wird Dschoni beschuldigt „die Aktivitäten einer extremistischen Organisation geplant zu haben“. Er und seine Frau Anora Sarkorowa, eine ehemalige Journalistin der BBC, halten die Vorladungen der Strafverfolgungsbehörden und Verhöre ihrer Verwandten in Duschanbe für einen „Einschüchterungsversuch“, damit sie aufhören, kritische Beiträge in den sozialen Medien zu veröffentlichen.

Internationale Forderungen nach Freilassung

Das Norwegian Helsinki Committee, International Partnership for Human Rights, Civil Rights Defenders, die Helsinki Foundation for Human Rights sowie die Front Line Defenders fordern unterdessen in einer gemeinsamen Erklärung die Freilassung von Chursched Fosilow. Dieser war am 6. März von Mitarbeitern der Sicherheitsbehörden festgenommen worden. Er arbeitete an Reportagen für lokale Medien in Pandschakent (Provinz Sughd). Nach Angaben seiner Angehörigen wird ihm vorgeworfen, in den Medien und auf Internetseiten öffentlich zu einer gewaltsamen Änderung der Verfassungsordnung Tadschikistans aufgerufen zu haben. Fosilov ist 37 Jahre alt, Vater dreier Kinder und befindet sich aktuell in einer vorübergehenden Haftanstalt in Chudschand. Seine Familie will diese Anschuldigungen nicht hinnehmen.

In ihrer gemeinsamen Erklärung weisen die fünf Menschenrechtsorganisationen darauf hin, dass im vergangenen Jahr insgesamt sieben Journalist:innen, Blogger:innen und andere Medienschaffende inhaftiert wurden und dass „die Kampagne zur Ausübung von Druck auf Journalisten weitergehe“. Sie bezeichneten die Strafverfahren gegen die Journalist:innen als „Teil einer Aktion zur Unterdrückung von Andersdenkenden in Tadschikistan“. In der Mitteilung heißt es weiterhin, dass das Land seinen Verpflichtungen im Bereich der Meinungsfreiheit nicht nachkomme und die Verhandlungen der Journalist:innen hinter geschlossenen Türen stattfänden, um Tatsachen vor der Öffentlichkeit zu verbergen.

Die Autor:innen der Mitteilung sind der Meinung, dass die Anschuldigungen gegen Fosilov an den Haaren herbeigezogen und keinerlei Beweise gegen ihn vorgebracht worden seien, weshalb seine Inhaftierung gegen das Gesetz verstoße. Sie rufen die Regierung Tadschikistans dazu auf, ihren internationalen Verpflichtungen nachzukommen und die Verfolgung von Journalist:innen zu beenden.

Fosilov arbeitete sowohl mit unabhängigen lokalen als auch ausländischen Medien zusammen und berichtete vor allem über die Probleme der Bewohner:innen des Serafschan-Tals, wobei er nicht selten Kritik gegenüber der Lokalverwaltung zur Sprache brachte. Er war auch in sozialen Medien aktiv. Vor einigen Jahren wurde er im tadschikischen Staatsfernsehen als Mitarbeiter der unabhängigen Website „Akhbor.com“ bezeichnet, die aus Prag sendet.

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Der aktuelle Bericht der Organisation Freedom House stuft Tadschikistan als eines der repressivsten Länder in Zentralasien ein. Im Anfang März publizierten Bericht erreicht Tadschikistan im Freiheitsindex lediglich 7 von 100 möglichen Punkten. Als Grund für diese niedrige Bewertung gibt Freedom House an, dass im vergangenen Jahr in Tadschikistan Journalist:innen, Menschenrechtler:innen und öffentliche Organisationen stark in ihrer Arbeit eingeschränkt wurden.

Verschärfung der Situation im Jahr 2022

Die tadschikische Journalistin Machpora Kiromowa bezeichnet 2022 als „sehr schwieriges“ Jahr für Journalist:innen und Blogger:innen in Tadschikistan. „Natürlich haben wir die Anspannung auch schon früher gespürt, aber es scheint, als sei letztes Jahr die Entscheidung getroffen worden, jegliche Meinungsfreiheit auszumerzen. Leider wurde als Mittel der Wahl Artikel 307 des Strafgesetzbuchs gewählt, das auf einfachem Wege aus Freidenkenden und Schreibenden Extremisten macht“, so Kiromowa. Sie bezieht sich dabei auf die Verhaftung von acht Journalist:innen und Blogger:innen, denen Verbindungen zu verbotenen und extremistischen Organisationen vorgeworfen werden und die deshalb zu langjährigen Freiheitsstrafen verurteilt wurden. Die Verhaftungen begannen im Mai 2022 nach Protestaktionen in Berg-Badachschan.

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Am 17. Mai des vergangenen Jahres wurde die Journalistin und Persönlichkeit des öffentlichen Lebens Ulfatchonim Mamadschojewa verhaftet und später zu einer Haftstrafe von 21 Jahren verurteilt worden. Im Laufe des Prozesses, der hinter verschlossenen Türen stattfand, wurde Mamadschojewa schwerer Straftaten für schuldig befunden. Unter anderem soll sie zum Umsturz der Staatsgewalt aufgerufen haben (der o.g. Artikel 307, Strafgesetzbuch der Republik Tadschikistan). Noch am Tag vor ihrer Verhaftung hatte die 65-jährige Journalistin im Gespräch mit Reporter:innen die Anschuldigungen zurückgewiesen. Im Anschluss an Mamadschojewa wurde der Blogger Chuschrus Dschumajew festgenommen und auf Grundlage desselben Artikels zu acht Jahren Freiheitsstrafe verurteilt.

Im Juni und Juli 2022 verhafteten die Sicherheitskräfte fünf weitere Journalist:innen und Bloger:innen: Daler Imomali, Abdullo Gurbati, Muhammad Sulton, Abdusattor Pirmuchammadsoda und Zavikbek Saidamini. Alle wurden der Verbindung zu verbotenen Organisationen und des Extremismus für schuldig befunden. Imomali wurde zu zehn Jahren, die anderen vier Journalisten zu je sieben Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Alle Journalisten bestritten die gegen sie gerichteten Vorwürfe und bestehen auf ihrer Unschuld. Unter anderem schrieb Pirmuchammadsoda einen Brief aus der Untersuchungshaft, in dem er von schwerer Folter auf dem Polizeirevier der Stadt Wahdat berichtet, um ihn zum Geständnis nicht begangener Straftaten zu zwingen. Die Generalstaatsanwaltschaft wies diesen Vorwurf zurück. Eine Revision der inhaftierten Journalisten gegen das Urteil blieb erfolglos. Trotz vielfacher Kritik und Aufrufen von Menschenrechtsorganisationen wurden die Behörden im Fall dieser Journalisten nicht aktiv. Im Gegenteil entsteht der Eindruck, dass sich die Verhaftung von Journalist:innen fortsetzt.

Aus Einschüchterung wird Selbstzensur

Die Inhaftierung der acht Journalist:innen und Blogger:innen hat das Komitee zum Schutz von Journalisten (CPJ) dazu veranlasst, Tadschikistan als eines von 12 Ländern einzustufen, die für Journalist:innen besonders gefährlich sind. Nuriddin Karschibojew, Vorsitzender der Nationalen Vereinigung unabhängiger Medien Tadschikistans (NANSMIT) erklärt, dass die Verhaftung von Journalisten, wie etwa im Falle Fosilows, direkt mit ihrem Beruf zusammenhänge. „Diese Aktionen wirken sich negativ auf die Arbeit anderer Journalisten aus, indem sie die Selbstzensur in der Gesellschaft stärken, der journalistischen Aufgabe als Rückhalt der demokratischen Gesellschaft Schaden zufügen.“

Die Journalisten-Vereinigung und tadschikische Medien reagierten im vergangenen Sommer mit Nachdruck auf die Misshandlung von Daler Imomali im Gebäude der Staatsanwaltschaft und den Angriff auf vier Korrespondenten von „Radio Ozodi“ und „Current Time TV“. Über die Verhaftung von Fosilow wurde hingegen geschwiegen. Karschibojew merkt an, dass „das Schweigen journalistischer Organisationen nicht bedeutet, dass sie mit der Verhaftung Chursched Fosilows einverstanden sind“.

Ein Korrespondent von „CABAR.asia“ kontaktierte den Medienrat, eine der führenden Medienorganisationen Tadschikistans, um eine Stellungnahme zu diesem Fall einzuholen. Vertreter der Organisation ließen jedoch verlautbaren, dass keine Stellungnahme zum Fall Khurshed Fozilovs abgegeben werde, da Details des Falles unbekannt seien. Das Zentrum für investigativen Journalismus und die Wochenzeitung „SSSR“, für die Fosilow arbeitete, veröffentlichten nicht einmal die Nachricht von der Verhaftung des Korrespondenten und die Chefetagen waren zu keinem Kommentar bereit.

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Tatsächlich wurden tadschikische Journalist:innen aufgrund ihrer Reaktionen auf Verhaftungen von Kolleg:innen bereits mit Problemen konfrontiert. So veröffentlichten die tadschikische Journalistenvereinigung und eine Reihe von Medien, darunter auch staatliche, im Juni 2022 eine gemeinsame Erklärung zur Folter von Daler Imomali im Gebäude der Staatsanwaltschaft des Shohsmansur Distrikts. In dieser Erklärung brachten sie ihre Beunruhigung über die Misshandlung von Daler Imomali sowie von vier Journalisten von „Radio Ozodi“ und „Current Time TV“ zum Ausdruck. Wenige Tage später jedoch zogen die Wochenzeitungen „SSSR“, „Tojikiston“, „Minbar-i Khalq“ und „Sadoi Mardum“ ihre Erklärungen jedoch offiziell zurück. Kurz darauf wurde zudem der Chefredakteur von „Minbar-i Khalq“, die der regierenden Volksdemokratischen Partei Tadschikistans gehört, entlassen. Dasselbe Schicksal ereilte den Chefredakteur der Parlamentszeitschrift „Sadoi Mardum“.

Engerer Handlungsspielraum für Reporter*innen

Nuriddin Karschibojew bekräftigt, dass einer der Gründe für das Schweigen im Falle Fosilows die Selbstzensur der Gesellschaft sei, die als „Konsequenz von Verfolgung und Druck auf pluralistische Ansichten in der Gesellschaft entsteht“. Die Machthabenden leugnen, dass die Freiheit eingeschränkt werde und es Druck auf Journalist:innen gebe. Nachdem jedoch innerhalb eines Jahres acht Reporter:innen und Blogger:innen hinter Gittern landeten, ist für die Journalist:innen klar, dass „die Grenzen des Erlaubten enger geworden sind“.

Abdumalik Kadyrow, Vorsitzender der Organisation „Media Alliance Tadschikistan“ sieht die Freiheitseinschränkungen in Tadschikistan im Zusammenhang mit der Situation in Russland. Seiner Meinung nach folgen die tadschikischen Behörden oft den Handlungen der russischen Verwaltung – als die Freiheitsbeschränkungen dort zunahmen, folgte Tadschikistan diesem Beispiel. „Auf diese Weise wollen sie die Stimmen von Andersdenkenden ersticken, um ihre Macht zu festigen“, so Kadyrow.

Dass Rufe nach Freiheit und einem Ende des Drucks auf Journalist:innen ignoriert werden, lässt wenig Hoffnung für die tadschikische Journalistengemeinschaft. Experten gehen davon aus, dass die tadschikischen Journalist:innen diese Krise mit Professionalität und der Einhaltung rechtlicher und ethischer Normen überwinden können. „So kann es nicht immer sein. Der Journalismus sollte nicht so einfach sterben“, sagt Mahpora Kiromowa.

Die Redaktion für CABAR.asia

Aus dem Russischen von Marie Schliesser

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