Die Präsidenten Tadschikistans und Kirgistans haben in Bischkek das Abkommen über die gemeinsame Grenze ihrer Länder abgeschlossen und somit ein schwieriges Kapitel der bilateralen Geschichte hinter sich gelassen. Die vier Jahre lang geschlossene Grenze wurde wieder geöffnet, das mühsam verhandelte Grenzabkommen ist mittlerweile in Kraft.
Es war ein historischer Moment: Am 13. März haben Kirgistans Präsident Sadyr Dschaparow und sein tadschikischer Amtskollege Emomali Rahmon in Bischkek ein Abkommen über die gemeinsame Grenze ihrer Länder unterzeichnet.
Mit einem Händedruck beendeten sie einen jahrzehntelangen Konflikt. „Alle heute unterzeichneten Dokumente werden eine neue Seite in den tadschikisch-kirgisischen Beziehungen aufschlagen“, fügte der tadschikische Präsident hinzu. Rahmon war am Tag zuvor feierlich in Kirgistans Hauptstadt empfangen worden, berichtet Radio Free Europe.
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Als vereinsgetragene, unabhängige Plattform lebt Novastan vom Enthusiasmus seiner ehrenamtlichen Mitarbeiter:innen – und von eurer Unterstützung!Noch am Tag der Unterzeichnung wurde die Grenze zwischen den beiden Ländern wieder geöffnet, nachdem sie nach den Zusammenstößen im April 2021 fast vier Jahre lang geschlossen gewesen war. Ein Moment, auf den viele Bewohner:innen umliegender Dörfer lange gewartet hatten und ihr Wiedersehen mit Verwandten auf der anderen Seite feierten.
Grenzziehung als sowjetisches Erbe
Die Grenze zwischen Kirgistan und Tadschikistan war seit mehreren Jahrzehnten Gegenstand teils gewaltsamer Auseinandersetzungen zwischen benachbarten Bevölkerungsgruppen. Die zu Sowjetzeiten festgelegte Republikgrenzen waren teilweise ungenau und berücksichtigten nicht die ethnischen Wurzeln in den jeweiligen Gebieten. Nach dem Zerfall der Sowjetunion erhoben beide Staaten teilweise Anspruch auf dieselben Regionen, was zu Spannungen führte.
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Vor der Vereinbarung vom 13. März waren zwischen Tadschikistan und Kirgistan fast 70 Gebiete beziehungsweise 30 Prozent ihrer gemeinsamen Grenze umstritten. 519,9 Kilometer waren vor 2011 festgelegt worden, die restlichen 486,94 Kilometer erst in den letzten drei Jahren, fasst das kirgisische Nachrichtenportal 24.kg zusammen. Von diesen Konflikten war das Fergana-Tal am stärksten betroffen. Dort treffen sich Kirgistan, Tadschikistan und Usbekistan. Alle drei Länder haben dabei verschiedene Exklaven.
Die schlimmsten Zusammenstöße ereigneten sich im April 2021, als 50 Menschen ums Leben kamen, und im September 2022 mit 100 Toten, darunter 50 Zivilist:innen. In beiden Fällen eskalierte der Konflikt durch den Einsatz von Streitkräften und schweren Waffen sowie durch die Ausweitung der Kämpfe entlang weiter Teile der Grenze auf ein bislang beispielloses Ausmaß an Gewalt.
„Sehr schwierige“ Verhandlungen
Am 21. Februar wurde in Bischkek ein erstes Protokoll unterzeichnet, dem Kirgistans Geheimdienstchef Kamtschybek Taschijew zufolge „ sehr schwierige“ Verhandlungen vorraus gegangen waren. Die Staaten beschlossen schließlich, sich an Karten aus dem Jahr 1991 zu orientieren. Zuvor hatte Tadschikistan auf die Verwendung von Karten aus den Jahren 1924-1929 bestanden, während Kirgistan Grenzziehungen aus dem Jahr 1950 als maßgeblich erachtete.
Mehrere Gebiete wurden ausgetauscht, insbesondere zwischen dem kirgisischen Bezirk Batken und dem tadschikischen Bezirk Isfara. Beide Staaten erhalten etwa 142 Hektar in diesen Regionen, berichtet Radio Azattyk, der kirgisische Dienst von Radio Free Europe. Das 91 Hektar große, kirgisische Dorf Dostuk wurde beispielsweise im Austausch für ein ebenso großes Gebiet vollständig an Tadschikistan abgetreten.
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Das Schicksal der tadschikischen Exklave Woruch, Schauplatz zahlreicher Zusammenstöße, hatte die Verhandlungen lange Zeit verlangsamt. Laut Kamtschybek Taschijew hatte Tadschikistan seit 1991 19.000 Hektar Land außerhalb der Exklave besetzt. Am Ende des Abkommens sei diese Fläche auf 14.500 Hektar reduziert worden.
Für tadschikische Bürger:innen, deren Häuser auf der kirgisischen Seite liegen, und umgekehrt für kirgisische Bürger:innen, die auf der anderen Seite wohnen, beabsichtigen die Regierungen, eine Umsiedlung durchzuführen. „Wir werden an einem anderen Ort Häuser für sie bauen und dabei die Größe der Grundstücke berücksichtigen“, versicherte Präsident Dschaparow.
Stärkere Zusammenarbeit
Das Treffen vom 13. März ist nur der erste Schritt zu stärkerer Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern. Laut dem Pressedienst des tadschikischen Präsidenten unterzeichneten die beiden Staatsoberhäupter außerdem mehrere Kooperationsabkommen in verschiedenen Bereichen, darunter Landwirtschaft, Stadtplanung, neue Technologien und die Bekämpfung der organisierten Kriminalität. Bereits am 4. März hatten beide Regierungen ihre Absicht zum Ausdruck gebracht, ihren Handel bis 2030 auf 500 Millionen US-Dollar (463 Millionen Euro) zu steigern, berichtete Radio Ozodi.
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Auch die Frage des Zugangs zu Wasser, die regelmäßig zu Spannungen in der Region führt, wurde angegangen. Dies betrifft insbesondere bestimmte Reservoirs, die von beiden Ländern genutzt werden und die in der Vergangenheit wiederholt als Druckmittel dienten. Das zusammen mit dem Grenzvertrag geschlossene Abkommen „Über die Gewährleistung des Zugangs zu Wasser- und Energieanlagen“ soll dem entgegenwirken.

Nachdem am 19. März die Parlamente Kirgistans und Tadschikistans das Abkommen jeweils ratifiziert hatten, tauschten die beiden Präsidenten am 31. März bei ihrem erneuten Zusammentreffen im Rahmen des Fergana-Tal-Gipfels im tadschikischen Chudschand die Ratifizierungsurkunden aus. Das lange und zäh verhandelte Grenzabkommen zwischen den beiden zentralasiatischen Republiken ist damit in Kraft.
Romane Haquette für Novastan
Aus dem Französischen (und überarbeitet) von Robin Roth
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