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Etwa 50 Personen in Berg-Badachschan festgenommen

Lokalen Quellen zufolge wurden rund 50 Anwohnende des Jasgulem-Tals in der autonomen Region Berg-Badachschan in Tadschikistan festgenommen. Diese Aktion markiert den zweijährigen Jahrestag einer schweren Unterdrückung der Region.

Der Bezirk Wandsch in Berg-Badachschan ist Schauplatz von Verhaftungen geworden, Photo: Khwahan / Wikimedia Commons.

Lokalen Quellen zufolge wurden rund 50 Anwohnende des Jasgulem-Tals in der autonomen Region Berg-Badachschan in Tadschikistan festgenommen. Diese Aktion markiert den zweijährigen Jahrestag einer schweren Unterdrückung der Region.

In der Autonomen Region Berg-Badachschan in Tadschikistan gehen die Verhaftungen weiter. Dem lokalen Medium Pamir Inside zufolge nahmen die Sicherheitskräfte im Jasgulem-Tal im Bezirk Wandsch etwa 50 Personen fest. Ihnen wird vorgeworfen, Waffen in ihren Häusern versteckt und Sabotageakte vorbereitet zu haben. Ihre Angehörigen haben seit der Razzia nichts mehr von ihnen gehört.

Die Operation begann am 16. Mai, dem zweiten Jahrestag der Ereignisse, bei denen Dutzende Demonstrierende von den tadschikischen Streitkräften getötet wurden. Seitdem herrscht eine starke Repression gegen die in der autonomen Region lebenden ethnischen Minderheiten der Pamiri.

Undurchsichtige Anschuldigungen

Es ist nicht das erste Mal, dass Menschen in Berg-Badachschan beschuldigt werden, gewalttätige Aktionen vorzubereiten. Zwar besteht eine terroristische Gefahr, doch die offiziell vorgebrachten Anschuldigungen werden so gut wie nie verifiziert: Die Informationen werden angesichts der seit Mai 2022 wenigen unabhängigen Quellen immer undurchsichtiger.

Insbesondere nach Jasgulem sollen 2023 Mitglieder der von den Taliban unterstützten Gruppe Jamaat Ansarullah aus Afghanistan gekommen sein. Der Vorfall und die Identität der neutralisierten Personen sind jedoch bis heute nicht aufgeklärt worden. Vielmehr ist es  üblich geworden, Anklagen wegen Terrorismus oder Extremismus in konstruierten Fällen gegen Personen zu verwenden, die für die Zentralmacht unbequem sind.

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Der Anschlag auf die Crocus City Hall in der Nähe von Moskau, dessen Ausführung mehreren Tadschiken vorgeworfen wird, kann diese Tendenz nur verstärken, während Tadschikistan auf internationaler Ebene seinen Willen zur Bekämpfung des Terrorismus bekundet.

Im Fall der jüngsten Verhaftungen wurden weder Beweise vorgelegt noch offizielle Äußerungen veröffentlicht. Laut Current Time könnten die Behörden die Aktion inszeniert haben, da sie einen Einfall von Afghanistan aus befürchteten.

Zugang nach Berg-Badachschan immer schwieriger

Um in die Region zu reisen, benötigt man eine Genehmigung, die normalerweise leicht zu erhalten ist, und muss sich den Kontrollen der Checkpoints entlang der Straße beugen. Seit dem 17. Mai wollen die tadschikischen Behörden jedoch die Kontrollen in Berg-Badachschan und den Gebieten entlang der afghanischen Grenze, in der Provinz Chatlon, verschärfen.

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Laut der Pressemitteilung stehen diese Maßnahmen im Zusammenhang mit „der schwierigen Lage in der Region und der Welt, den Versuchen extremistischer oder terroristischer Organisationen, die Staatsgrenze illegal zu überschreiten, und der Durchführung von Antiterrormaßnahmen.“

Es ist unwahrscheinlich, dass der Zugang zu Berg-Badachschan tatsächlich eingeschränkt wird, da der tadschikische Staat auf die Einnahmen durch Reisende, vor allem in den Pamir, angewiesen ist. Es gab jedoch bereits Präzedenzfälle, insbesondere im Jahr 2015, als die Vergabe von Genehmigungen für die Region aufgrund der instabilen Lage an der Grenze eingestellt wurde.

Tatsächlich wurden in den letzten Monaten bereits verstärkte Überwachungsmaßnahmen für Reisende durchgeführt, wie von Novastan erfasste Zeugenaussagen zeigen. Einige ausländische und tadschikische Geschäftsreisende wurden aufgefordert, genau anzugeben, wo sie sich aufhalten werden und mit wem sie während ihres Aufenthalts zu interagieren gedenken.

Eine sich leerende Region

Tatsächlich sieht die Bevölkerung der Region andere Gründe als die afghanische Grenze für die jüngsten Verhaftungen und die verschärften Überwachungsmaßnahmen, berichtet das tadschikische Medienunternehmen Azda TV.

Vor dem Hintergrund, dass sich regionale Persönlichkeiten im Exil oder hinter Gittern befinden, glauben Einwohnende, dass die Vertreter der Ordnungskräfte potenzielle Anführer beobachten wollen, damit sich um sie herum keine Anhängerschaft bildet. So wurde auch ein religiöser Führer aus Jasgulem mit seinem Sohn nach seiner Rückkehr aus Moskau verhaftet. Ein Analyst berichtete zudem von der Festnahme eines anerkannten Sportlers aus demselben Tal.

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Im weiteren Sinne leugnet der Staat weiterhin die Existenz der Pamiri als eigenständige ethnische Gruppen und scheint von ihnen zu erwarten, dass sie sich der tadschikischen Mehrheit anpassen. Pamir Inside erinnert daran, dass solche Razzien regelmäßig stattfinden, so dass „kaum noch junge Menschen unter den Bewohnenden sind“. Andererseits sollen zwischen den Ereignissen im Mai 2022 und Ende 2023 circa 50.000 Menschen die Region verlassen haben, was etwa einem Fünftel der Bevölkerung von Berg-Badachschan entspricht.

Auch offizielle Statistiken zeichnen dasselbe Bild: Die einzige Region in Tadschikistan, die 2023 einen Geburtenrückgang verzeichnete, war Berg-Badachschan mit einem Rückgang von 10,5 Prozent.

Nane Bouvier für Novastan

Aus dem Französischen von Michèle Häfliger

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