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10. Gipfeltreffen der Organisation der Turkstaaten: Neue Wege der Zusammenarbeit sind gefragt

Am 3. November hat in Astana der 10. Gipfel der Organisation der Turkstaaten (OTS) unter dem Motto „Turk Time“ stattgefunden. Die Neuausrichtung der Türkei auf eine vorrangige Zusammenarbeit mit China und Russland könnte die Interaktion der zentralasiatischen Länder mit der Europäischen Union erschweren, meint Eldaniz Huseinov, Spezialist für europäische und internationale Studien am Heartland Centre for Expertise and Analysis, in einem im Vorfeld veröffentlichten Beitrag für das Central Asian Bureau for Analytical Reporting (CABAR). Im Hinblick auf die Perspektiven der Organisation der Turkstaaten (OTS) schlägt Huseinov vor, dass die OTS nach neuen Nischen für eine Zusammenarbeit suchen sollte.

Am 3. November hat in Astana der 10. Gipfel der Organisation der Turkstaaten stattgefunden, Photo: akorda.kz

Am 3. November hat in Astana der 10. Gipfel der Organisation der Turkstaaten (OTS) unter dem Motto „Turk Time“ stattgefunden. Die Neuausrichtung der Türkei auf eine vorrangige Zusammenarbeit mit China und Russland könnte die Interaktion der zentralasiatischen Länder mit der Europäischen Union erschweren, meint Eldaniz Huseinov, Spezialist für europäische und internationale Studien am Heartland Centre for Expertise and Analysis, in einem im Vorfeld veröffentlichten Beitrag für das Central Asian Bureau for Analytical Reporting (CABAR). Im Hinblick auf die Perspektiven der Organisation der Turkstaaten (OTS) schlägt Huseinov vor, dass die OTS nach neuen Nischen für eine Zusammenarbeit suchen sollte.

Neben den Themen, die in der Abkürzung des Slogans „Turk Time“ genannt werden (Tradition, Vereinigung, Reformen, Wissen, Vertrauen, Investitionen, Mediation, Energie), seien die Auswirkungen der globalen Krisen auf die Aktivitäten der OTS, die Interaktion mit Nordzypern und die Zusammenarbeit mit der EU die wichtigsten Themen, mit denen sich die Organisation derzeit beschäftigt. Von Interesse ist auch die Frage eines möglichen Beitritts Turkmenistans.

Der historische Gipfel von Samarkand und die Krux mit dem Korridor durch Armenien

Die Nachwirkungen der Ukraine-Krise haben die Zusammenarbeit innerhalb der Organisation erheblich beeinträchtigt. Auch das Wiederaufflammen des Konflikts zwischen Israel und Palästina wird sich auf die OTS auswirken, insbesondere auf ihre Zusammenarbeit mit der EU. Die Erleichterung des Güterverkehrs auf der transkaspischen internationalen Transportroute (auch bekannt als „Mittlerer Korridor“) war daher eines der Hauptthemen der Zusammenarbeit.

Der 9. OTS-Gipfel in Samarkand unter dem Motto „Eine neue Ära der türkischen Zivilisation: Auf dem Weg zu gemeinsamer Entwicklung und Wohlstand“ war von großer Bedeutung. Im Rahmen des Gipfels wurden verschiedene Abkommen geschlossen, wobei der Schwerpunkt auf den Bereichen Verkehr und Zoll lag.

Es scheint, dass die technischen Besonderheiten der OTS der Kompromissfindung im Wege stehen. Immerhin haben einige Mitglieder ähnliche Abkommen im Rahmen der Eurasischen Wirtschaftsunion (EAWU), der GUS oder separat mit der EU unterzeichnet. Die Existenz ähnlicher Abkommen kann die vollständige Umsetzung der geplanten Abkommen im Rahmen der OTS behindern. Andererseits sind andere wichtige Länder, wie Turkmenistan und insbesondere Georgien, nicht an diesen Abkommen beteiligt. Ihre Umsetzung ist nur möglich, wenn es einen Korridor durch armenisches Territorium gibt, das der Gerichtsbarkeit eines OTS-Mitglieds unterliegt.

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Dieser Korridor, der auch als „Zangezur-Korridor“ bezeichnet wird, soll durch das Gebiet der armenischen Provinz Syunik verlaufen und gilt als mögliche Transportverbindung zwischen den westlichen Teilen Aserbaidschans und seiner Exklave, der Autonomen Republik Nachitschewan, sowie in weiterer Folge mit der Türkei. Die Streitigkeiten um diesen Korridor sind noch nicht beigelegt. Es gab zwar Erklärungen, dass dieser Korridor nach der Eröffnung der Verkehrsverbindung zwischen Aserbaidschan und Nachitschewan über den Iran nicht mehr so interessant sei. Allerdings haben sowohl die Türkei als auch Aserbaidschan kürzlich erklärt, dass der Korridor für die Unterzeichnung eines Friedensabkommens zwischen Aserbaidschan und Armenien geöffnet werden soll. Solange jedoch nicht klar ist, ob der Korridor in Betrieb genommen wird, bleibt die Umsetzung der Samarkand-Abkommen unvollständig.

Zusammenarbeit mit der Europäischen Union: Logistik und Nordzypern

Das Potenzial für eine Zusammenarbeit zwischen der EU und der OTS wird derzeit auf verschiedenen Expertenplattformen aktiv diskutiert. In einem wichtigen Ziel bezüglich Zentralasien sind sich beide Organisationen einig: der besseren Vernetzung der Länder entlang des „Mittleren Korridors“. Allerdings gibt es diesbezüglich keine offene Kommunikation zwischen den beiden Organisationen.

Im gemeinsamen Communiqué des 19. Ministertreffens EU-Zentralasien vom 23. Oktober 2023 wird beispielsweise auf ein Konsultationstreffen der zentralasiatischen Staats- und Regierungschefs verwiesen. Die OTS wird dabei nicht erwähnt. Ähnlich verhält es sich in der gemeinsamen Erklärung der deutschen Bundeskanzlerin und der zentralasiatischen Staats- und Regierungschefs nach dem Deutschland-Zentralasien-Gipfel sowie in weiteren Erklärungen und Dokumenten. Demgegenüber bestehen seit 2015 offizielle Kontakte zwischen den beiden Organisationen und auch das Potenzial für eine gemeinsame Zusammenarbeit ist groß.

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Ein Problem für die Entwicklung der Beziehungen wird wahrscheinlich eine gewisse Präsenz Nordzyperns in der OTS sein. Die Türkei behauptet, dass auf dem Gipfel in Samarkand alle Mitglieder der OTS einstimmig für die Aufnahme Nordzyperns als Beobachter in die Organisation gestimmt hätten. Am Tag des Gipfels, dem 12. November 2022, gab der Auswärtige Dienst der EU eine Erklärung ab, in der er die Anträge der Türkei, Nordzypern als Beobachter in die Organisation aufzunehmen, ablehnte. Ob Nordzypern tatsächlich als Beobachter in die OTS aufgenommen wurde, ist bislang unklar.

Die Mitgliedschaft Nordzyperns als Beobachter wurde innerhalb der OTS nicht eindeutig abgelehnt, aber die Situation Nordzyperns kann zu Konflikten in den Beziehungen zwischen der EU und der OTS führen, da die Republik Zypern Mitglied der EU ist und ein Vetorecht bei allen Entscheidungen hat, die die Zusammenarbeit der EU mit den Ländern der OTS betreffen, wie zum Beispiel die Ratifizierung der erweiterten Partnerschafts- und Kooperationsabkommen der EU mit Usbekistan und Kirgistan.

Der Vertreter des international nicht anerkannten Nordzyperns nahm zusammen mit anderen OTS-Führern am Sondergipfel in Ankara am 16. März 2023 teil. Betrachtet man jedoch andere Treffen innerhalb der Organisation, so lässt sich die Tendenz erkennen, dass Nordzypern nur bei Veranstaltungen in Aserbaidschan und der Türkei präsent ist, nicht aber in den zentralasiatischen Ländern. Auch am OTS-Gipfel in Astana am 3. November 2023 nahm der Vertreter Nordzyperns nicht teil. Es bleibt abzuwarten, ob die zentralasiatischen Länder unter diesen Umständen bereit sind, Nordzypern einen Beobachterstatus einzuräumen.

Beabsichtigt Turkmenistan, Vollmitglied der OTS zu werden?

In den Medien wird derzeit heftig diskutiert, ob Turkmenistan Vollmitglied der OTS werden wird. Auslöser war die Erklärung des Vorsitzenden des Halk Maslahaty Turkmenistans, des ehemaligen Präsidenten des Landes, Gurbanguly Berdimuhamedow: Er hoffe, „Sie alle [Präsidenten der OTS-Staaten, Anm. d. Red.] in Turkmenistan nicht im Status eines Beobachterlandes, sondern bereits als Vollmitglied der Organisation der Turkstaaten zu treffen.“ Die Diskussionen über eine Vollmitgliedschaft Turkmenistans wurden jedoch durch den offiziellen Besuch des turkmenistanischen Präsidenten Serdar Berdimuhamedow in der Türkei Ende Oktober 2023 angeheizt, bei dem Erdogan sagte: „Ich betone, dass wir wollen, dass Turkmenistan, das in der OTS einen Beobachterstatus hat, ein Vollmitglied unserer Familie wird.“

Nachrichten über eine Vollmitgliedschaft des Landes gab es schon früher. So sagte der ehemalige türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu vor dem OTS-Gipfel 2022 in Samarkand, dass Turkmenistan während des Gipfels Vollmitglied der OTS werden würde – was jedoch nicht geschah. Auch beim Gipfel in Astana erhielt das Land diesen Status nicht. Dafür gibt es mehrere Gründe.

Erstens konzentriert sich Turkmenistan derzeit darauf, die europäischen Märkte mit Erdgas über Aserbaidschan und die Türkei zu versorgen. Aufgrund der schleppenden Verhandlungen der OTS mit der EU hat Turkmenistan in dieser Hinsicht keinen wirklichen Nutzen von einer Mitgliedschaft. Zweitens ist Turkmenistan zwar außenpolitisch aktiver geworden, zum Beispiel durch die Interaktion mit der Gemeinschaft Unanhängiger Staaten (GUS) und der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ), ist aber kein Vollmitglied dieser Organisationen geworden. Aufgrund der Verschärfung der Konflikte in Eurasien misst Turkmenistan Sicherheitsfragen großen Bedeutung bei. Dies gilt derzeit nicht für die OTS.

Schließlich schränkt das 1995 verabschiedete Gesetz über die ständige Neutralität Turkmenistans die Beteiligung des Landes an militärischen Blöcken und Bündnissen sowie an „zwischenstaatlichen Vereinigungen mit strengen Verpflichtungen oder mit kollektiver Verantwortung der Teilnehmer“ ein. Angesichts des Wunsches einiger Großmächte, ihre internationale Agenda in der OTS voranzutreiben, ist Turkmenistan aufgrund seines Neutralitätsstatus nicht daran interessiert. Turkmenistan könnte sich an „Peer-to-Peer“-Vereinbarungen beteiligen, zum Beispiel über eine Kommission zur Stärkung der Landesverkehrsverbindungen in Zentralasien, da das Land an einer Ausweitung des Transits durch sein Territorium und seine Seehäfen interessiert ist.

Zukunftsvision für die Organisation: Risiken und Chancen

Die OTS wird weiterhin die Verbindung zwischen den zentralasiatischen Ländern und Europa stärken, aber ihr Potenzial wird vom Ende der Kriegshandlungen in der Ukraine abhängen. Derzeit ist es sehr schwierig, die Türkei bei der Entwicklung des „Mittleren Korridors“ zur Stärkung der Zusammenarbeit zwischen Zentralasien und der EU zu umgehen. Da sich die Kämpfe in der Ukraine auf das Schwarze Meer verlagern, wird der Seeweg von Georgien nach Rumänien oder Bulgarien immer unsicherer. Die Türkei versucht jedoch aktiv, ihre strategische Bedeutung zur Durchsetzung ihrer außenpolitischen Interessen zu nutzen; der NATO-Beitritt Schwedens und Finnlands ist ein Beispiel dafür. Die Frage muss also lauten: Kann die Türkei den zunehmenden Warentransit von Zentralasien nach Europa durch ihr Territorium für eigene Zwecke nutzen?

Ja, das kann sie. Ein Beispiel ist die zurückhaltende Haltung der EU gegenüber einer Beobachtermitgliedschaft Nordzyperns in der OTS. Die Forderung, dass ihre Interessen in den Beziehungen der Türkei zur EU zu berücksichtigen, muss nicht unbedingt ein Konflikt sein, kann aber den Eindruck erwecken, dass sich die Türkei dann stärker auf eine Zusammenarbeit mit China und Russland zubewegt, was auch das Engagement der zentralasiatischen Länder in der EU erschweren könnte. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, dass China, die EU und die zentralasiatischen Länder nach dem Ende des Krieges in der Ukraine wieder den Weg über Russland bevorzugen, so dass die OTS nach neuen Nischen für die interne Zusammenarbeit suchen müsste.

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Eine solche Nische ist die Zusammenarbeit im Energiebereich und Energielieferungen aus Zentralasien über Aserbaidschan und die Türkei. Dies wird jedoch auch davon abhängen, ob die EU angesichts der Agenda für erneuerbare Energien weiterhin an Energielieferungen interessiert ist. Die OTS sollte jedoch nicht nur durch das Prisma Europa-China betrachtet werden, da die zentralasiatischen Länder an der Entwicklung anderer Transportrouten, etwa durch Afghanistan, interessiert sind.

In diesem Fall könnten die oben beschriebenen Abkommen die Kommunikation der Türkei mit Afghanistan und Pakistan erleichtern. Die wirtschaftliche Zusammenarbeit wird sich weiter entwickeln, insbesondere vor dem Hintergrund der Wirtschaftskrisen in einer Reihe von OTS-Ländern. In diesem Fall sind Projekte zur Eröffnung von Handelszentren und Sonderwirtschaftszonen von großem Interesse.

Ein letzter wichtiger Aspekt ist die politische Zusammenarbeit, d. h. die gemeinsame Reaktion der OTS-Länder auf globale Krisen durch gemeinsame Erklärungen. Dies kann dazu beitragen, dass die Länder gemeinsame Maßnahmen ergreifen müssen, um zu verhindern, dass externe Krisen die Situation innerhalb der Mitgliedsländer der Organisation verschlechtern. Dies kann auch dazu beitragen, neue Nischen der Zusammenarbeit zu finden.

Eldaniz Gusseinov für CABAR

Aus dem Russischen von Michèle Häfliger

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