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Pressefreiheit in zentralasiatischen Ländern verschlechtert sich

Wie fast jedes Jahr befinden sich die zentralasiatischen Länder in der jährlichen Rangliste der NGO Reporter ohne Grenzen in Bezug auf die Pressefreiheit am unteren Ende. Alle weisen sie im Vergleich zum Vorjahr einen Platzverlust auf. Wie lässt sich angesichts der zunehmend autokratischen und illiberalen politischen Regime dieser Rückgang erklären? Entschlüsselung eines Umfelds, das dem unabhängigen Journalismus zunehmend feindlich gesinnt ist.

By photo by Benmil222, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=106008
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Wie fast jedes Jahr befinden sich die zentralasiatischen Länder in der jährlichen Rangliste der NGO Reporter ohne Grenzen in Bezug auf die Pressefreiheit am unteren Ende. Alle weisen sie im Vergleich zum Vorjahr einen Platzverlust auf. Wie lässt sich angesichts der zunehmend autokratischen und illiberalen politischen Regime dieser Rückgang erklären? Entschlüsselung eines Umfelds, das dem unabhängigen Journalismus zunehmend feindlich gesinnt ist.

Das Medienumfeld in Zentralasien war noch nie für seine Freiheit bekannt, doch dieses Jahr scheint einen Wendepunkt darzustellen.

Während „die russische Invasion in der Ukraine und die Entfaltung der Kreml-Propaganda […] die gesamte [osteuropäische] Region überschattet“, stellt der am 3. Mai veröffentlichte Bericht von Reporter ohne Grenzen fest, dass die zentralasiatischen Staaten seit dem letzten Jahr ebenfalls einen deutlichen Rückschritt in Sachen Pressefreiheit verzeichnen.

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In einer Rangliste, die 180 Länder umfasst, fallen Kirgistan, Usbekistan und Kasachstan, die theoretisch liberalsten Länder der Region, zurück. Kirgistan verzeichnet die beeindruckendste Entwicklung und fällt um 50 Plätze zurück (von Platz 72 auf Platz 122). Kasachstan verliert 12 Plätze und liegt nun auf dem 134. Platz, während Usbekistan aufgrund der zunehmenden Angriffe auf die Medien vier Plätze verlor (137. Platz).

Der phänomenale Abstieg Kirgistans

Der Abstieg Kirgistans erklärt sich durch die zahlreichen Angriffe auf Journalist:innen seit dem Jahr 2022 sowie die Verabschiedung des Gesetzes gegen Falschinformationen im Sommer 2021. Unter dessen Deckmantel intensivierte die Regierung die Kampagne gegen Azattyk, indem sie am 27. April den Entzug dessen Lizenz forderte. Ende Oktober 2022 sperrte das Kulturministerium Azattyk, da sich der kirgisische Dienst von Radio Free Europe weigerte, ein Video über die Zusammenstöße im September an der Grenze zwischen Kirgistan und Tadschikistan zu entfernen.

Amnesty International sieht in dieser Entscheidung einen „Schlag gegen die Medienfreiheit“, während das Komitee zum Schutz von Journalisten sie als „zutiefst erschreckende Botschaft“ bezeichnet. Reporter ohne Grenzen spricht von einer „zunehmend strengeren Zensur“ in Kirgistan.

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Im Januar dieses Jahres war das unabhängige Medium Kloop in die gleiche Situation geraten. Das Kulturministerium drohte damit, dessen unabhängige Webseite zu blockieren, wenn nicht ein Artikel über die Aufblähung der Baukosten durch eine staatliche Agentur zurückgezogen werde.

Weiter wurde der Journalist Bolot Temirov, nachdem er in seiner YouTube-Sendung Temirov Live Korruptionsfälle aufgedeckt hatte, im November letzten Jahres nach einem politisch motivierten Prozess an Russland ausgeliefert.

Kasachstan und die Online-Zensur

In Kasachstan findet die Medienzensur diskreter statt, da Webseiten, die für die Machthaber unbequem sind, blockiert werden. Einem Bericht des Open Observatory of Network Interference (OONI) zufolge behindern die Behörden den Zugang zu den Webseiten von Azattyq, dem kasachischen Dienst von Radio Free Europe.

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Während der vorgezogenen Präsidentschaftswahlen im November letzten Jahres, die bis Januar andauerten, waren die Webseiten von Radio Azattyq und Current Time, einem weiteren Zweig von Radio Free Europe, nicht zugänglich.

Kasachstan hat außerdem ein Gesetz „über Massenmedien“ erlassen, das als Vorwand dient, um Informationen im Internet, insbesondere solche, die von einfachen Nutzer:innen sozialer Netzwerke verbreitet werden, zu reglementieren oder sogar zu zensieren.

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Druck auf Journalist:innen in Usbekistan

Wie im Vorjahr stellt Reporter ohne Grenzen fest, dass sich in Usbekistan „die Lage der Medien seit dem Tod von Präsident Islom Karimov im Jahr 2016 nur geringfügig verbessert hat und Kritik an der Regierung weiterhin schwierig ist“. Dennoch hatte sich Usbekistan bis 2022 um 24 Plätze verbessert.

In dem Bericht heißt es unter anderem, dass die usbekischen Behörden die Medien „weitgehend“ kontrollieren und dass viele Blogger enge Verbindungen zur Regierung haben. Das Land verfügt über „repressive“ Mediengesetze und eine „weitverbreitete Überwachung, Zensur und Selbstzensur“, so Gazeta.uz.

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„Große und mittelgroße Medien sowie Blogger mit einem Publikum von mehr als 5‘000 Personen sind starkem Druck und Zensur ausgesetzt“, erklärte ein usbekischer Blogger, der selbst nur ein kleines Publikum hat, gegenüber Novastan.

„Aber es gibt Ausnahmen, da einige Sender mit weniger als 1‘000 bis 2‘000 Abonnenten jetzt auch unter Druck stehen“, fährt er fort.

Ein regierungskritischer Journalist berichtet Novastan über den jüngsten Druck der Behörden auf Journalist:innen und Blogger:innen im Vorfeld des Verfassungsreferendums am 30. April. „Ich kenne mindestens drei Beispiele, in denen Betreiber von Telegram-Kanälen und Journalist:innen zu einem Gespräch in den Staatssicherheitsdienst einbestellt wurden“, bezeugt er.

Tadschikistan und Turkmenistan weiterhin auf den hinteren Rängen

Auf den hinteren Plätzen bleiben Tadschikistan und Turkmenistan, deren politische Regime als die repressivsten gelten. Tadschikistan verliert im Vergleich zum letzten Jahr einen Rang in der Rangliste und belegt nun den 153. Platz. Damit fällt das Land für Reporter ohne Grenzen von einer „schwierigen“ in eine „sehr schwierige“ Situation der Pressefreiheit. Immer mehr Journalist:innen entscheiden sich für das Exil, wie der Bericht feststellt.

Im letzten Jahr wurden die Repressionen gegen jede Form von Opposition verschärft, insbesondere in der Region Berg-Badachschan und gegen die ethnische Minderheit der Pamir:innen gerichtet. Einige Aktivist:innen der Exilgemeinschaft wurden an ihre Heimatländer ausgeliefert und zu langen Haftstrafen verurteilt.

Turkmenistan liegt auf Platz 176 und gehört weiterhin zu den fünf schlechtesten Ländern bezüglich Medienfreiheit. Reporter ohne Grenzen stellt fest, dass die Zensur in Turkmenistan zugenommen hat, nachdem der Sohn von Gurbanguly Berdimuhamedow, Serdar Berdimuhamedow, im März 2022 an die Macht gekommen ist.

Emma Collet, Redakteurin für Novastan

Aus dem Französischen von Michèle Häfliger

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