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Almaty untersagt Marsch für Frauenrechte

Human Rights Watch fordert Kasachstan auf, den für den 8. März geplanten Marsch für Frauenrechte in Almaty zuzulassen. Bürgermeister Baqytjan Saģyntaev hatte die Veranstaltung zuvor untersagt.

Human Rights Watch fordert Kasachstan auf, den für den 8. März geplanten Marsch für Frauenrechte in Almaty zuzulassen. Bürgermeister Baqytjan Saģyntaev hatte die Veranstaltung zuvor untersagt.

Hinweis der Redaktion: Der folgende Artikel erschien im französischen Original am 21. Dezember 2021. Die darin geschilderten Ereignisse liegen also vor den Protesten und Unruhen, die seit dem 4. Januar in Almaty stattfinden.

Am 8. März 2021 marschierten erstmals Hunderte Menschen anlässlich des Internationalen Frauentags durch die Straßen von Kasachstans ehemaliger Hauptstadt Almaty. Die Demonstrierenden forderten einen besseren Schutz der Frauenrechte, die Gleichstellung der Geschlechter sowie die Kriminalisierung häuslicher Gewalt.

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Eine Neuauflage dieses Marsches am 8. März 2022 könnte jedoch von der Stadtverwaltung unterbunden werden. Wie die Nichtregierungsorganisation Human Rights Watch (HRW) mitteilte, haben die feministischen Gruppen KazFem, Feminita, FemPoint, Svet und FemAgora am 16. November 2021 die Behörden der Stadt kontaktiert und um Erlaubnis gebeten, den friedlichen Marsch organisieren zu können.

Am 26. November weigerte sich Almatys Bürgermeister Baqytjan Saģyntaev jedoch, dieser Bitte nachzukommen. Die Stadtverwaltung verwies laut HRW auf einen Konflikt mit „Kultur- und Unterhaltungsveranstaltungen“ sowie „Reparatur- und Installationsarbeiten“, die angeblich an jenem Tag genau am selben Ort und zur selben Uhrzeit geplant seien. Zuvor wurden die Organisatorinnen dazu gedrängt, den Antrag aufgrund der „epidemiologischen Situation“ zurückzuziehen, ohne dass diese dem nachgekommen waren.

Keine Veranstaltungen angekündigt

Die feministischen Gruppen betonen, dass die Stadtverwaltung vor ihrer Anfrage keine Veranstaltung für den 8. März 2022 angekündigt habe. Dies erklärten sie gegenüber Radio Azattyq, dem kasachstanischen Dienst von Radio Free Europe.

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HRW appelliert an die Regierung Kasachstans, der Forderung der Feminist:innen nachzukommen. Die verweigerte Zulassung betrachtet die NGO als Verstoß gegen internationale Standards. Trotz der Verabschiedung eines neuen Gesetzes über friedliche Versammlungen im Mai 2020 würden sich die Behörden systematisch weigern, friedliche Proteste zuzulassen. Demonstrationen werden gewaltsam aufgelöst.

Die Menschenrechtler:innen heben auch die Untätigkeit der kasachstanischen Regierung hervor. HRW erinnert daran, dass der Gesetzgeber im Januar 2021 die Prüfung eines Gesetzentwurfs zur Stärkung des Schutzes vor häuslicher Gewalt ausgesetzt hat. Seitdem wurde keine neue Gesetzesinitiative zur Bekämpfung von Missbrauch in der Familie vorgeschlagen.

Feminita will dennoch einen Marsch organisieren

Die verweigerte Zulassung scheint die feministische Gruppe Feminita nicht abzuschrecken. „Auch wenn wir keine rechtliche Genehmigung haben […], werden wir diesen Marsch am 8. März 2022 in Almaty abhalten. Im Jahr 2021 haben wir fast tausend Menschen versammelt, diese Veranstaltung ist zu wichtig, um sie abzusagen. Das Recht auf friedliche Versammlung ist in der Verfassung verankert“, erklärt eine Sprecherin der Gruppe gegenüber Novastan.

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Laut Feminita sind die von Bürgermeister Saģyntaev angeführten Gründe allerdings irreführend, die Ablehnung sei politisch motiviert. „Die Regierung mag unsere Verbände nicht, unter anderem weil wir uns für LGBTQIA+-Menschen einsetzen, während die politische Führung Kasachstans eindeutig homophob ist. Wenn es zum Beispiel zu Übergriffen auf LGBTQIA+-Personen kommt, teilen uns die Behörden mit, dass sie aus Mangel an Beweisen keine Ermittlungen einleiten können, während Überwachungsvideos teilweise deutlich die Gesichter der Angreifer oder ihrer Opfer zeigen“, erläutert die feministische Gruppe.

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„Für uns ist dies ein historischer Tag und eine Gelegenheit, unsere Forderungen hörbar zu machen, damit die Politik sie berücksichtigt. Wir haben zum Beispiel zu wenige Frauen im Parlament, obwohl sie 60 Prozent der kasachstanischen Bevölkerung repräsentieren. Wir denken, dass die Behörden Angst vor einer sozialen Revolution haben, hoffen aber, dass sich die Dinge endlich ändern“, schließt die kasachstanische Organisation.

Joanna Blain, Redakteurin für Novastan

Aus dem Französischen mit Ergänzungen von Robin Roth

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