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„Dos-Muqasan“ – die Geschichte der „kasachischen Beatles“ als Film

Aıdyn Sahamans Film „Dos-Muqasan“ erzählt die Geschichte einer der erfolgreichsten kasachischen Bands. Ein sehenswertes Biopic, das nebenbei auch aufzeigt, was die Gesellschaft in dem zentralasiatischen Land heute bewegt.

Robin Roth 

"Dos-Muqasan" erzählt die Geschichte einer der erfolgreichsten kasachischen Bands, Photo: bereitgestellt vom FilmFestival Cottbus.

Aıdyn Sahamans Film „Dos-Muqasan“ erzählt die Geschichte einer der erfolgreichsten kasachischen Bands. Ein sehenswertes Biopic, das nebenbei auch aufzeigt, was die Gesellschaft in dem zentralasiatischen Land heute bewegt.

Am 12. November ist das 33. FilmFestival Cottbus zu Ende gegangen. Mit „Close Up: Kazakhstan“ wurde in diesem Jahr dem zentralasiatischen Land eine eigene Sektion gewidmet, die einen Überblick über das kasachstanische Kino der letzten 40 Jahre bot. Neben echten Klassikern befand sich auch einer der erfolgreichsten Filme der letzten Jahre im Angebot: „Dos-Muqasan“.

Der Film von Regisseur Aıdyn Sahaman erzählt die Geschichte der gleichnamigen Band, die in den 1960ern den Rock und Pop in Kasachstan begründete, was ihnen den Beinamen „kasachische Beatles“ einbrachte. Bis heute erfreuen sich die Lieder von Dos-Muqasan in Kasachstan hoher Beliebtheit.

Die Idee zu dem Biopic bekam Sahaman eigenen Angaben zufolge 2018, nachdem er Bohemian Rhapsody über die britische Band Queen gesehen hatte. „Warum machen wir das nicht auch mit unseren Legenden?“, zitiert ihn das kasachstanische Nachrichtenportal Kursiv.

Kasachische Beatles

Der Film beginnt im Jahr 2010 mit dem tragischen Verkehrsunfall, bei dem Baqytjan Jumadilov, einer der Frontmänner von Dos-Muqasan, ums Leben kam. Sein Beifahrer, der Mitbegründer der Band, Dosym Suleev, überlebte schwer verletzt. In diesem Moment zwischen Leben und Tod blickt er auf die Anfänge der Band zurück.

Baıanauyl 1967: Bei einem internationalen Arbeitseinsatz musizieren Studenten des Kasachischen Polytechnischen Instituts (der heutigen Sátbaev-Universität in Almaty) gemeinsam am Lagerfeuer. Hier entsteht auch der Name „Dos-Muqasan“, der aus den ersten Silben der Namen ihrer Mitglieder besteht: Dosym Suleev, Murat Qusaıynov, Qamit Sanbaev und Alexander „Sanja“ Litwinow. Ebenfalls in Baıanauyl dabei ist der Komsomol-Sekretär, der sich im weiteren Verlauf als der ärgste Widersacher der Band entpuppen soll.

Zurück am heimischen Institut in Almaty erfreut sich Dos-Muqasan unter den Studierenden zunehmender Beliebtheit – Rockmusik steht auch bei der sowjetischen Jugend hoch im Kurs. Den Offiziellen ist sie aber ein Dorn im Auge. Doch als sich abzeichnet, dass die Jungs Talent haben und Wettbewerbe gewinnen können, erfahren sie trotz unzureichender Noten auch stillschweigende Unterstützung ihrer Dozenten.

Schon bald ergeben sich Änderungen in der Zusammensetzung der Band: prägende Mitglieder wie Baqytjan Jumadilov, Shárip Omarov und seine spätere Ehefrau Qurmanaı Omarova stoßen hinzu, Sanja Litwinow muss Dos-Muqasan unter dem Druck seiner Dekanin verlassen. Im Laufe der Zeit sollten über 30 Musiker:innen zur wechselnden Belegschaft der Band gehören.

Der Trailer zum Film (russ./kasach.)

Der Film begleitet die Bandmitglieder weiter durch verschiedene Phasen – Universitätsabschluss, Familiengründungen und eine immer rascher wachsende Popularität, insbesondere innerhalb der Kasachischen SSR. Versuche, die als „nationalistisch“ eingestuften – weil auf kasachisch singenden – Band, klein zu halten, haben meist nur kurzfristigen Erfolg. Schließlich schickt die Kasachische SSR Dos-Muqasan nicht ganz regelkonform zu einem Wettbewerb professioneller Musiker:innen nach Minsk. Nun ist die Band oben angekommen.

In einem zweiten Erzählstrang zeichnet der Film nach, wie die Mitglieder sich uneins werden und wofür es sich zu leben lohnt. Der Film kulminiert in einer Szene in der Steppe, als Dosym Suleev, der später Professor und Rektor der Sátbaev-Universität werden sollte, seinen Austritt aus der Band verkündet, um einer wissenschaftlichen Karriere nachzugehen und in Moskau eine Promotion zu beginnen. Hier endet auch die Rückblende auf die Bandgeschichte.

Kasachische Bromance

Trotz aller Meinungsverschiedenheiten ist „Dos-Muqasan“ vor allem die Geschichte von Freundschaft und Zusammenhalt zwischen den Bandmitgliedern, wobei der Schwerpunkt vor allem auf Dosym Suleev und Murat Qusaiynov liegt. „Es sieht so aus, als hätten wir eine Bromance“, zitiert Kursiv die Filmemacher:innen.

Dieser Zusammenhalt erweist sich auch als dringend notwendig, ist doch die Band im Laufe des Films immer wieder Intrigen durch die sowjetischen Offiziellen ausgesetzt. Die Darstellung dieses Antagonismus zwischen der kasachischen Band und der Sowjetmacht spiegelt dabei auch aktuelle Diskurse in Kasachstan wieder, bei denen es immer wieder um Dekolonialisierung und eine nationale Selbstfindung geht. So weist das kasachstanische Nachrichtenportal Tengrinews darauf hin, dass der gesamte Film zweisprachig ist: Der Rektor des Polytechnikums, Parteiführer und Funktionäre sprechen Russisch und die Bandmitglieder Kasachisch.

Während „Dos-Muqasan“ weitgehend die historischen Ereignisse detailgetreu wiedergibt, kommt der Film aber nicht ganz ohne fiktive Elemente aus. Hierin liegen aber leider auch seine Schwächen. Insbesondere die Figur des ewigen Gegenspielers, des schon eingangs erwähnten Komsomol-Sekretärs, der nicht darüber hinwegkommt, dass die von ihm umworbene schöne Sabira sich für Murat Qusaıynov entscheidet, und in Folge über Jahre hinweg immer wieder Intrigen gegen die Band schmiedet, wirkt überzeichnet.

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Das gleiche gilt für das Ende des Films: In einer komplett erfundenen Szene, die im Jahr 2022 spielen soll (die Dreharbeiten fanden – wie Tengrinews darstellt – 2020 und 2021 statt), gibt die Band ein Konzert in Almaty. Plötzlich gehen die Lichter aus, und nach einer kurzen Pause beginnt das Publikum mit den Handys zu blinken und singt das soeben abgebrochene Lied. Eine unnötig nach Emotionalität heischende Szene am Ende eines im Großen und Ganzen gelungenen Biopics.

Trotzdem bleibt „Dos-Muqasan“ aber ein absolut sehenswerter Film, der es schafft, die Bandgeschichte mit Intrigen, Liebesgeschichten und einer „Bromance“ zu verweben. Die Hits von Dos-Muqasan bieten hierbei den passenden Soundtrack. Letztendlich erzählt der Film nicht nur ein spannendes Stück kasachischer (Musik-)Geschichte, sondern liefert auch wichtige Einblicke, was die kasachstanische Gesellschaft heute bewegt.

Robin Roth für Novastan

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