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Chinas Geopolitik im Pamir

Pekings Einfluss in Tadschikistan hat in den letzten Jahren stetig zugenommen. Der zunehmende Einfluss Chinas auf die Sicherheitspolitik Tadschikistans, insbesondere in der Autonomen Region Berg-Badachschan, könnte zu mehr bilateralen Sicherheitsprojekten in der gesamten Region Zentralasien führen. Der folgende Artikel erschien am 7. Mai 2020 auf Central Asian Analytical Network. Wir übersetzen ihn mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.

Pekings Einfluss in Tadschikistan hat in den letzten Jahren stetig zugenommen. Der zunehmende Einfluss Chinas auf die Sicherheitspolitik Tadschikistans, insbesondere in der Autonomen Region Berg-Badachschan, könnte zu mehr bilateralen Sicherheitsprojekten in der gesamten Region Zentralasien führen. Der folgende Artikel erschien am 7. Mai 2020 auf Central Asian Analytical Network. Wir übersetzen ihn mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.

Der Pamir, der heute auf dem Territorium Tadschikistans, Chinas, Afghanistans und Pakistans liegt, hat nicht nur eine wichtige geopolitische Lage, sondern ist auch reich an natürlichen Ressourcen und Mineralien. Im Pamir überschnitten sich schon zur Zeit des Großen Spiels um Zentralasien die geopolitischen Interessen der Weltmächte, die die Kontrolle über das „Dach der Welt“ anstrebten, um ihren Einfluss auf den gesamten eurasischen Kontinent zu auszubauen.

Ein ungewöhnliches Infrastrukturprojekt

Ein für den Pamir bedeutendes Ereignis war im April 2020 der Baubeginn am westlichsten Flughafen Chinas in Taschkorgan, dem Verwaltungszentrum des Tadschikischen Autonomen Kreises Taschkorgan in der Uigurischen Autonomen Region Xinjiang. Taschkorgan liegt in Pamir auf einer Höhe von 3094 Metern über dem Meeresspiegel, in der Nähe der Grenzen zu Afghanistan, Tadschikistan, Kirgistan und Pakistan. Der Flughafen wird nach seiner Fertigstellung der erste in der Region sein.

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Chinesische ExpertInnen erwarten, dass der Flughafen viele TouristInnen anlocken wird. Das auf dem Pamir-Plateau und einst an der großen Seidenstraße gelegene Taschkorgan (aus dem türkischen „Steinerne Stadt„) wird hauptsächlich von Pamir-Völkern bewohnt, die in Tadschikistan und China als TadschikInnen klassifiziert werden. Von chinesischer Seite ist die Stadt wegen der natürlichen Schönheit und der einzigartigen tadschikischen Kultur ein begehrtes Ziel von TouristInnen, allerdings war sie bisher wegen des Mangels an Luft- und Eisenbahnverbindungen schwer zu erreichen. Taschkorgan befindet sich jedoch am Karakorum Highway, der der alten Seidenstraße von China nach Pakistan folgt.

Der Flughafen ist daher ein wichtiges Projekt des Chinesisch-Pakistanischen Wirtschaftskorridors (CPEC) sowie der Initiative One Belt, One Road und wird voraussichtlich die wirtschaftliche Entwicklung von Taschkorgan und Xinjiang insgesamt fördern.

Eine Straße entlang der tadschikischen Grenze im Bezirk Taschkorgan

Die Gesamtinvestitionen in dieses Projekt belaufen sich auf rund 230 Millionen US-Dollar. Der Flughafen soll unter anderem eine 3800 Meter lange und 45 Meter breite Start- und Landebahn und ein 3000 Quadratmeter großes Terminal umfassen sowie 160.000 Passagiere und 400 Tonnen Fracht pro Jahr abfertigen.

Gemäß den Planungen der chinesischen Behörden wird der Bau in der ersten Hälfte des Jahres 2022 abgeschlossen sein. Allerdings kann es zu Verzögerungen kommen. Die chinesische Baufirma teilte mit, dass sie vor vielen Herausforderungen stehe: „Erstens ist es immer noch eine kritische Zeit, in der die Ausbreitung des Coronavirus verhindert werden muss. Arbeiter aus den Städten im Inneren Chinas können auch von der Höhenkrankheit betroffen sein, da die Durchschnittliche Höhe des Pamirs mehr als 4500 Meter beträgt.“ Zhou Yifeng, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Shanghai Road and Bridge Group, sagte jedoch in einem Interview mit CGTN: „Ich glaube, dass wir unsere Mission trotz der Herausforderungen, die es gibt, rechtzeitig mit einem hohen Qualitätsniveau erfüllen werden.“ Wie Xinhua schreibt, wird es in der Mitte des 14. Fünfjahresplans (2021-2025) in Xinjiang 30 Flughäfen geben, was es der Region ermöglichen würde, eine führende Rolle unter den Provinzen in Bezug auf die Anzahl der Flughäfen einzunehmen.

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Ein solches Infrastrukturprojekt wird auch einen gewissen Einfluss auf Tadschikistan haben, insbesondere auf das Autonome Gebiet Berg-Badachschan. Laut dem stellvertretenden Direktor der Zivilluftfahrtbehörde von Xinjiang werde ein neuer Luftkorridor nach Zentral- und Südasien geschaffen.

Tourismus oder Geopolitik?

Das touristische Potenzial des Pamir und Berg-Badachschans mit seinen spektakulären Ausblicken auf die unberührte Natur sollte nicht unterschätzt werden. Dennoch kann man Tadschikistan bis heute kaum ein beliebtes Ziel für TouristInnen nennen, insbesondere für ChinesInnen. So besuchten im Jahr 2019 etwa 1,3 Millionen AusländerInnen Tadschikistan. Die drei wichtigsten Herkunftsländer waren aber Usbekistan (850.000 BesucherInnen), Russland (212.000) und Kirgistan (116.000). Chinesische TouristInnen nehmen in Tadschikistan den sechsten Platz ein – ihre Gesamtzahl betrug im Jahr 2019 nur 20.000. Im Vergleich dazu besuchten allein in den ersten acht Monaten des Jahres 2019 33.000 chinesische TouristInnen Usbekistan, während in den ersten neun Monaten des Jahres 2019 etwa 55.000 ChinesInnen nach Kasachstan kamen.

Ein Radtourist im Pamir

Angesichts der unentwickelten Infrastruktur ist die Region Zentralasien noch nicht zu einem Tourismus-Hotspot für chinesische BürgerInnen geworden. Allerdings kann die Entwicklung des Tourismus ein guter Vorwand sein, um Visa-Lockerungen zu fördern und Infrastrukturprojekte zu starten.

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Obwohl Tadschikistan theoretisch in der Lage sein sollte, den Tourismus in das Land zu entwickeln, wird dies durch viele Faktoren behindert (einschließlich des Terroranschlags im Juli 2018, bei dem vier RadtouristInnen getötet wurden). Der Bau eines chinesischen Flughafens im Pamir ist daher eher mit den wirtschaftlichen und geopolitischen Interessen Pekings in der Region und darüber hinaus verbunden. Duschanbe wird zu einem immer engeren Partner Chinas, das in die Wirtschaft und Sicherheit Tadschikistans investiert.

Chinas ‚klebrige‘ Macht

Wirtschaftliche oder ‚klebrige‘ Macht ist keine ’soft power‘ im klassischen Sinn. In einem kleinen Staat, in dem die Wirtschaft Probleme hat, Investitionen anzuziehen und neue Arbeitsplätze zu schaffen, ist es einfacher und effektiver, Methoden der ‚klebrigen‘ Macht anzuwenden, indem langfristige Kredite mit relativ niedrigen Zinsen angeboten werden. So wie Bienen auf Honig fliegen, sind die Führer der zentralasiatischen Staaten bereit, blind Vereinbarungen zu Chinas geheimen Konditionen zuzustimmen, wodurch sie wirtschaftlich und politisch am Reich der Mitte ‚kleben‘.

Nach Angaben der Weltbank betrug im Jahr 2019 Chinas Anteil an den gesamten ausländischen Direktinvestitionen in Tadschikistan 75 Prozent. Nach den neuesten Daten des tadschikischen Finanzministeriums schuldet Duschanbe Peking 1,1 Milliarden US-Dollar – das entspricht der Hälfte aller Auslandsschulden Tadschikistans. Derzeit investieren und agieren mehr als 400 chinesische Unternehmen in Tadschikistan, was sie zu den größten Steuerzahlern und wichtigsten Exporteuren macht. In den letzten Jahren wurden von der chinesischen Firma TBEA fünf Stromleitungen gebaut, die es ermöglichten, einzelne Teile des Stromnetzes des Landes zusammenzuführen – ein sehr wichtiger Schritt angesichts des seit Jahren andauernden Energiemangels im Winter. Außerdem baute China in der Hauptstadt das Wärmekraftwerk Duschanbe-2, weswegen Tadschikistan China als Ausgleich die Goldförderstätten „Upper Kumarg“ und „Eastern Duoba“ in der Provinz Sughd überließ.

Der Präsidentenpalast in Duschanbe (Illustration)

Der Pamir, dessen meiste Edelsteinvorkommen in Berg-Badachschan liegen, hat sich zu einer Ressourcenquelle für Chinas wachsende Wirtschaft entwickelt. Gleichzeitig beträgt die Armutsquote in Berg-Badachschan etwa 40 Prozent, während in anderen Gebieten Tadschikistans diese Quote bei 29-30 Prozent liegt. Die jüngsten Bergbauabkommen Chinas zeichnen sich durch Ambivalenz und Intransparenz aus. Im Juni 2019 wurde zwischen der tadschikischen Regierung und der chinesischen Firma „Kashi Xinyu Dadi Mining Investment Limited“ ein Abkommen über die integrierte Entwicklung dem weltweit viertgrößten Silberfeldes „Jakdschilwa“ im Bezirk Murghob geschlossen.

Erstens sind die Details dieser Vereinbarung noch nicht für die breite Öffentlichkeit zugänglich, was zu einer Reihe von Gerüchten und Spekulationen führt. Zweitens wird das Projekt für die Dauer von sieben Jahren von dem chinesischen Unternehmen „C.A. MINERALS“ umgesetzt, welches angibt, dass die Vorräte 113 Tonnen betragen, und dass es in der Lage sei, 40 Tonnen jährlich zu fördern. Die Verwaltung Berg-Badachschans hatte hingehen erklärt, dass das Feld 415 Tonnen Silber enthalte. Drittens haben die tadschikischen Behörden den chinesischen Investor von der Zahlung der Einkommensteuer sowie von der Zahlung von Mehrwertsteuer und Importzöllen auf die notwendige Ausrüstung befreit. Nach Angaben des chinesischen Unternehmens arbeiten 106 Menschen auf dem Feld, von denen 70 chinesische und 36 tadschikische Staatsangehörige seien. Von den in Tadschikistan arbeitenden ausländischen Staatsangehörigen sind 90 Prozent BürgerInnen der Volksrepublik China.

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Sicherheit und die Erweiterung der Einflusssphäre

Tadschikistan könnte insgesamt ein Modell für Chinas Zentralasien-Politik sein, das weniger auf ’soft power‘ denn auf ‚klebrige‘ Macht setzt. Die systematische und konsequente Geopolitik Chinas im Pamir trägt nicht nur zur Steigerung des wirtschaftlichen und infrastrukturellen, sondern auch des militärischen Einflusses bei und macht Chinas endgültige Dominanz in Afghanistan, Pakistan und Zentralasien wahrscheinlicher.

Unter dem Vorwand gegen den Terrorismus zu kämpfen, begann Tadschikistan beim Schutz der tadschikisch-afghanischen Grenze aktiv mit China zusammenzuarbeiten. Im Jahr 2004, als noch russische Grenzschützer in Berg-Badachschan anwesend waren, vertrat China unter Berufung auf das Völkerrecht systematisch die These, dass es unzulässig sei, wenn ausländische Truppen die Grenze schützen. 2019, Jahre nach dem Abzug der russischen Grenzschützer aus dem Gebiet, erschienen Informationen, dass im Bezirk Murghob in Nähe des Kontrollpunkts Wachon an der Grenze zu Afghanistan eine chinesische Militärbasis entdeckt worden sei. AnwohnerInnen bestätigten zudem, dass in Murghob hunderte chinesische Soldaten im Dienst seien.

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Im Jahr 2016 wurde Berg-Badachschan für die Durchführung gemeinsamer groß angelegter Manöver der Streitkräfte Tadschikistans und Chinas ausgewählt. Chinas langfristige militärische und politische Interessen im Pamir belegen die Tatsache, dass im Jahr 2019 erneut gemeinsame Manöver mit China durchgeführt wurden, um „die Maßnahmen an der Grenze zu koordinieren und den Terrorismus zu bekämpfen“. Darüber hinaus bietet China auch technische, finanzielle und personelle Unterstützung beim Bau von drei Kommissariaten, vier militärischen Einheiten, vier Hauptquartieren und einer Trainingsbasis für die Grenztruppen. Außerdem hat die Volksrepublik kostenlos 345 Millionen US-Dollar für den Bau von Parlaments- und Regierungsgebäuden zur Verfügung gestellt. Das Projekt „Sichere Stadt“, bei dem Kameras mit Gesichtserkennung in allen großen Städten Tadschikistans installiert werden, findet unter der technologischen Schirmherrschaft des chinesischen Konzerns Huawei statt.

LKW an der chinesisch-pakistanischen Grenze

China setzt in Bezug auf die Bildung eines regionalen Sicherheitssystems auf Tadschikistan und fördert seit Anfang 2017 den „Vierseitigen Mechanismus für Zusammenarbeit und Koordinierung“ (Quadrilateral Cooperation and Coordination Mechanism – QCCM) im Format China – Pakistan – Tadschikistan – Afghanistan. Die Sekretäre der Sicherheitsräte dieser Länder treffen sich regelmäßig zur Erörterung der afghanischen Frage. Peking hebt Tadschikistan auch im Kontext seiner Afghanistan-Strategie als wichtigen Partner hervor. Des Weiteren wurde laut afghanischem Verteidigungsministerium mit finanzieller Unterstützung der Volksrepublik China in der Provinz Badachschan eine neue Militärbasis errichtet. In diesem Zusammenhang spielt Tadschikistan eine wichtige Rolle, über dessen Territorium der Korridor verläuft, um die chinesische Beteiligung in Afghanistan zu gewährleisten.

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So schafft Tadschikistan einen Präzedenzfall für die vollständige Einbeziehung Chinas in die Sicherheitsfragen in Zentralasien. Gerade hier kann es zum Beginn einer scharfen Konkurrenz von China und Russland kommen, die zu unvorhersehbaren Ergebnissen führen könnte. Moskau äußert bisher keine offene Besorgnis über Chinas Sicherheitsaktivitäten und behauptet, dass der QCCM keine institutionelle Grundlage und vollständige Struktur habe und dass das vierseitige Format die Aktivitäten der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) und der Organisation des Vertrag über kollektive Sicherheit (OVKS) ergänze. Wie die Praxis zeigt, braucht China jedoch keine Institutionalisierung, um seine geopolitischen Ziele zu erreichen: Die Initiative „One Belt, One Road“ realisiert seit 2013 Projekte, wobei deren Ziele und Aufgaben nicht im Detail, sondern nur so verschwommen wie möglich erklärt werden. Währenddessen ist die SOZ als vollwertige Organisation mit Statuten und ständigem organisatorischen Fundament bis heute sehr amorph und hat bisher kein einziges multilaterales Projekt umgesetzt.

Gefährdete Souveränität

Tadschikistan bleibt in der Region die schwächste Republik in Bezug auf wirtschaftliche Entwicklung und Sicherheit, und Pekings wirtschaftlicher Einfluss kann sich somit in echte politische Hebel verwandeln. Im Übrigen hat sich Tadschikistan 2019 im UN-Menschenrechtsrat dafür entschieden, Chinas Xinjiang-Politik zu unterstützen.

Ähnliche politische Regime, das Fehlen unabhängiger Medien und die maximale Kontrolle religiöser Aktivitäten in Tadschikistan bringen Peking und Duschanbe näher zusammen. Unter diesen Bedingungen sollte Duschanbe den freundschaftlichen Dialog mit den Ländern Zentralasiens und anderen Akteuren suchen, um so die außenwirtschaftlichen Beziehungen zu diversifizieren und den wachsenden Einfluss Pekings auszugleichen.

Central Asian Analytical Network

Aus dem Russischen von Robin Roth

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