Kirgistans Ex-Präsident Almasbek Atambajew ist aus gesundheitlichen Gründen aus der Haft entlassen worden. Der amtierende Präsident Sadyr Dschaparow traf Atambajew nach dessen Entlassung in Dubai.
Am 14. Februar hat ein Gericht in Bischkek die 11-jährige Haftstrafe gegen den ehemaligen Präsidenten Almasbek Atambajew aufgehoben. Dies berichtet das amerikanische Medium Eurasianet. Die Strafe gegen den Ex-Präsidenten war im Juni 2020 verhängt worden. Laut der spanischen Presseagentur Europa Press befindet sich Atambejew mittlerweile zur medizinischen Behandlung in Spanien. Er bekräftigte jedoch, dass seine Zukunft in Kirgistan liege.
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Obwohl die Haftentlassung Atambajews offiziell mit medizinischen Gründen begründet wird, da er an Herz- und Rückenproblemen leide, ist die Entscheidung eher politisch motiviert. Wie das kirgisische Nachrichtenportal Kloop berichtet, konnte das Oberste Gericht Kirgistans die Entscheidung zur Freilassung Atambajews nur mit Unterstützung von Präsident Sadyr Dschaparow treffen.
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Almasbek Atambajew wurde 2011 zum Präsidenten gewählt und verhalf 2017, am Ende seiner Amtszeit, seinem Schützling Sooronbaj Dscheenbekow in das oberste Staatsamt. Atambajew dachte, er könne Descheenbekow kontrollieren, doch dieser drängte seinen Protegé in den Hintergrund: Atambajew verlor seine Immunität als Ex-Präsident und ihm wurden Korruption, illegale Bereicherung und Machtmissbrauch vorgeworfen. 2019 wurde er schließlich nach bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen seinen Anhänger:innen und Polizeieinheiten festgenommen.
Eine überraschende Entscheidung
Die Entscheidung zur Freilassung des Ex-Präsidenten kam überraschend, da Dschaparow und Atambajew als Feinde galten. Die verschiedenen Verteilungen Dschaparows, die ihn zwischenzeitlich ins europäische Exil zwangen, erfolgten 2013 während der Amtszeit Atambajews. Die Urteile gelten als Reaktion auf Demonstrationen, die Dschaparow im selben Jahr organisiert hatte, um die Verstaatlichung der Kumtör-Mine zu fordern. Nach seiner Rückkehr aus dem Exil im März 2017 wurde der zukünftige Präsident inhaftiert und erst im Rahmen der Revolution von 2020 freigelassen.
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Dschaparows Entscheidung, Atambajew freizulassen, ist daher trotz der turbulenten Vergangenheit der beiden Männer dem Wunsch nach politischer Beschwichtigung geschuldet. Die Mitglieder:innen und Unterstützer:innen des Atambajew-Clans sind noch immer eine wichtige politische Kraft, mit der sich der Präsident auseinandersetzen muss.
Hundert dieser Unterstützer:innen begrüßten den Ex-Präsidenten auch bei seiner Entlassung aus dem Gefängnis. Es sind dieselben Anhänger:innen, die zu seiner kurzzeitigen Freilassung im Jahr 2020 beigetragen hatten und die hinter den politischen Verhandlungen mit dem Dschaparow-Clan über seine endgültige Haftentlassung stehen.
Wille zu einer friedlichen politischen Einigung
Diese Beschwichtigung seitens des Japarov-Clans hat in letzter Zeit eine ganz neue Dimension angenommen. So enthüllte Radio Azattyq, der kirgisische Dienst von Radio Free Europe, dass in Dubai ein Treffen zwischen Dschaparow und den ehemaligen Präsident:innen Kirgistans stattgefunden habe. Daran teil nahmen Kurmanbek Bakijew, der seit der Revolution von 2010 im Exil lebt, Askar Akajew, seit der Revolution von 2005 im Exil, Rosa Otunbajewa, Interimspräsidentin zwischen 2010 und 2011, Sooronbaj Dscheenbekow und Almasbek Atambajew.
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Das Treffen wurde von Dschaparow selbst bestätigt. Der Präsident erklärte, er habe seine Amtsvorgänger:innen „mit dem Ziel der Stärkung der Einheit“ zusammengebracht. Er forderte, vergangene Streitereien beizulegen und den Interessen des Landes Vorrang einzuräumen. Der Wunsch nach Einheit und Vergebung entspringt jedoch eher pragmatischen Ambitionen.
Die autoritäre Wende, die Dschaparow nach seinem Amtsantritt einleitete, hat zu einer gewissen Unzufriedenheit in der Bevölkerung und sogar zu direktem Widerstand vieler zivilgesellschaftlicher Akteur:innen geführt.
Die Opposition in Kirgistan ist immer noch weitgehend an die Macht der Clans gebunden, aus denen die ehemaligen Präsident:innen stammen. Dschaparow hofft daher, sich die Unterstützung dieser Clans zu sichern, indem er ihnen eine stärkere Einbeziehung in das politische Leben Kirgistans verspricht. Von einer offiziellen Begnadigung Bakijews, der für das Blutvergießen während der Revolution von 2010 verantwortlich gemacht wird, kann jedoch keine Rede sein. Wie Kloop berichtet, garantiert Dschaparow, dass Bakijew an der Grenze festgenommen werden würde, sollte er versuchen, ins Land zurückzukehren.
Noé Lhomme, Redakteur für Novastan
Aus dem Französischen von Robin Roth
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