In einer Fernsehansprache hat Kirgistans Präsident Sooronbaj Dscheenbekow seinen Rücktritt angekündigt, um weitere Gewalt zu vermeiden.
Sooronbaj Dscheenbekow tritt zurück. Zehn Tage nach der Bekanntgabe der Ergebnisse der Parlamentswahlen an, die große politische Turbulenzen ausgelöst hatten, hat Kirgistans Präsident in einer Fernsehansprache seinen Rücktritt angekündigt. Damit ist er nach Askar Akajew im Jahr 2005 und Kurmanbek Bakijew im Jahr 2010 der dritte gewählte Präsident Kirgistans, der während seiner Amtszeit zurücktritt.
„Ich möchte nicht als ein Präsident in die Geschichte Kirgistans eingehen, der Blut vergossen und seine eigenen Bürger erschossen hat. Deshalb habe ich beschlossen, zurückzutreten“, sagte er laut einer Abschrift der Rede, die von seiner Pressestelle veröffentlicht wurde.
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„Leider lassen die Aggressionen nicht nach, und die Rufe nach meinem sofortigen Rücktritt gehen weiter“, erklärte Dscheenbekow und bezog sich dabei insbesondere auf die Anhänger von Sadyr Dschaparow, die nicht weit von seiner Residenz entfernt demonstrierten. Dschaparow wurde am 14. Oktober vom Parlament zum Premierminister gewählt, nachdem zwei Versuche, ihn in dieses Amt zu berufen mangels Quorum fehlgeschlagen waren, so das kirgisische Medium Kaktus.
Darüber hinaus hatte Dschaparow selbst den sofortigen Rücktritt des Staatsoberhauptes gefordert. Er erschien jedoch nicht während der Gespräche zu diesem Thema, die am Vormittag des 15. Oktober in Anwesenheit anderer politischer Persönlichkeiten stattfinden sollte, wie das kirgisische Onlinemedium Kloop.kg berichtete.
Druck von Sadyr Dschaparow?
Wie der Politiker Felix Kulow Kaktus berichtete, trafen Dschaparow und sein langjähriger Mitstreiter Kamtschybek Taschijew den Präsidenten jedoch kurz vor seinem Rücktritt. Nach Angaben eines Verwandten Dscheenbekow hatte dieser einen Rücktritt noch abgestritten, bevor er mit dem Premierminister und dem ehemaligen Parlamentsabgeordneten zusammentraf. Erst nach dem Treffen gab er Berichten zufolge seine Entscheidung bekannt.
„Davor war von Resignation keine Rede. Dscheenbekow sagte, er werde nicht zurücktreten. Er sagte, er werde öffentlich zum Volk sprechen und erklären, warum er jetzt weiterarbeiten muss“, so Kulow. Seiner Ansicht nach muss der kirgisische Präsident „sehr gute Gründe“ gehabt haben, so schnell zurückzutreten.
Kein Datum für Neuwahlen angekündigt
Gemäß der Verfassung sollte der Parlamentspräsident bis zu einer neuen Präsidentschaftswahl die Funktionen des Staatsoberhauptes übernehmen. Kanatbek Isajew, der Führer der Partei „Kyrgyzstan“, die bei der Wahl vom 4. Oktober an dritter Stelle lag, wurde am Vortag in dieses Amt gewählt. Wie die Presseagentur 24.Kg berichtete, hatte er den Präsidenten dazu aufgefordert, nicht vor der Abhaltung einer neuen Parlamentswahl zurückzutreten.
Isajew könnte sich weigern, zum Interimspräsidenten zu werden. Wie die kirgisische Nachrichtenagentur 24.kg berichtete, erklärte er, er habe „nicht das moralische Recht, dieses Amt zu bekleiden“ während das Parlament eigentlich kein Mandat mehr hat. Das kirgisische Parlament wird am Vormittag des 16. Oktober zu einer außerordentlichen Sitzung zusammenkommen, um den Rücktritt des Präsidenten zu genehmigen.
Lehnt Isajew die Ernennung zum Interimsstaatschef ab, sieht die kirgisische Verfassung vor, dass der Premierminister als nächster das Amt übernimmt. Dschaparow könnte sich so mit der gesamten Exekutivgewalt wiederfinden, wie Kaktus es beschreibt.
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In der Zwischenzeit wurde kein Termin für die nächsten Wahlen, ob Präsidentschafts- oder Parlamentswahl, bekannt gegeben. Wie die Forscherin Asel Doolotkeldieva auf Twitter erklärt, weckt der Rücktritt des Präsidenten auch die Befürchtung, dass neue Parlamentswahlen abgesagt werden könnten und das Land durch eine von Dschaparow erwähnte Verfassungsänderung wieder ein Präsidentielles Regierungssystem annehmen könnte.
„Aber schließlich haben die Ereignisse vom 5. Oktober gezeigt, wie verärgert die einfachen Bürger über Wahlbetrug und alte Eliten waren. Die Gesellschaft ist stark, und es wird nicht leicht sein, solche Veränderungen durchzubringen“, ergänzt sie.
Edit am 15. Oktober: Der Teil zum möglichen Druck seitens Dschaparows und die Zweifel von Kanatbek Isajew wurden hinzugefügt.
Die Redaktion von Novastan
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