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Juli-Proteste in Karakalpakstan: Lange Haftstrafen für Demonstrierende

Rund 20 Personen sind wegen ihrer Teilnahme an den Protesten, die im Sommer in Karakalpakstan stattgefunden haben, zu Haftstrafen verurteilt worden. Der Prozess wirft allerdings Fragen auf.

Buchara
Buchara (Foto: Euyasik/ Wikimedia Commons)

Rund 20 Personen sind wegen ihrer Teilnahme an den Protesten, die im Sommer in Karakalpakstan stattgefunden haben, zu Haftstrafen verurteilt worden. Der Prozess wirft allerdings Fragen auf.

Das Urteil wurde am 12. Januar in Buchara gesprochen. Der karakalpakische Aktivist und Blogger Dauletmurat Tajimuratov und die Journalistin Lolagul Kallixanova sind zu 18 beziehungsweise 11 Jahren Gefängnis verurteilt worden. Dies berichtet die usbekische Online-Zeitung Gazeta.uz.

Am 1. und 2. Juli fanden in Nukus, der Hauptstadt Karakalpakistans, Demonstrationen gegen die geplante Verfassungsänderung statt. Diese hätte den Autonomiestatus aufgehoben, den die Republik Karakalpakstan seit der Unabhängigkeit Usbekistans genießt. Mehrere Hundert Personen wurden festgenommen und das Verfassungsreferendum auf das Frühjahr 2023 verschoben.

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Nach offiziellen Angaben sind bei den brutal unterdrückten Demonstrationen mindestens 21 Menschen ums Leben gekommen. Hunderte wurden verletzt. Insgesamt 171 Personen werden in Strafverfahren zu den Ereignissen in Karakalpakistan angeklagt. Neben den 22 Personen, in deren Verfahren nun das Urteil gesprochen wurde, befinden sich noch 39 weitere in Haft, berichtet Radio Ozodlik, der usbekische Dienst von Radio Free Europe.

Ein fragwürdiges Verfahren

Den Urheber:innen der Demonstrationen wird vorgeworfen, „die verfassungsmäßige Ordnung der Republik Usbekistan untergraben“ und „Massenunruhen“ organisiert zu haben. Von den 22 Angeklagten wurden nach Angaben des usbekischen Nachrichtenportals Kun.uz 18 zu kürzeren Haftstrafen zwischen 5 und 9 Jahren verurteilt. Zwei der Angeklagten wurden auf Bewährung freigelassen.

Wie das usbekische Nachrichtenportal Daryo berichtet, bekannten sich 21 der Angeklagten im Austausch für eine mögliche reduzierte Strafe schuldig. Nur einer bekannte sich als teilweise schuldig: Dauletmurat Tajimuratov. Er erklärte im Dezember: „Ich betrachte mich nicht als schuldig am Tod von Menschen.“

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Einige der Mitangeklagten beschuldigen Tajimouratov direkt, wie der zu 8 Jahren Gefängnis verurteilte Sportler Azamat Turdanov. „Der wahre Grund, warum wir hier [vor Gericht] sind, sind die separatistischen Videos und Ideen von Dauletmurat Tajimouratov, die die Gehirne der Menschen vergiftet haben“, erklärte er. Ein anderer Angeklagter, Nurlan Naipov, sagte ebenfalls gegen den Blogger aus, dieser habe „[seine] Gedanken auf den Kopf gestellt und [ihn] auf die Straße gestoßen“.

Eine andere Zeugenaussage störte jedoch den Prozess. Eine Frau beschuldigte Tajimuratov, Geld verteilt zu haben, um die Leute zur Teilnahme an den Demonstrationen zu bewegen. Aber unter dem Druck und der Verteidigung gestand sie schnell, gelogen zu haben.

Öffentliche Gerichtsverhandlungen

Diese Falschaussage hat die Befangenheit des Prozesses in keiner Weise in Frage gestellt, und die Ermittlungen sind immer noch völlig transparent. Der Prozess begann am 28. November in Buchara, einer Stadt 500 Kilometer von Nukus entfernt. Journalist:innen wurden jedoch im Voraus benachrichtigt, damit sie die Prozesse verfolgen konnten. Die Sitzungen waren öffentlich und wurden auf der Website von Gazeta.uz per Video übertragen.

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„Öffentliche Geständnisse sollen beweisen, dass die Ermittler ihre Arbeit gut gemacht haben. Die Appelle der Angeklagten an die politische Klasse an der Macht sollen unterstreichen, dass das Vertrauen in das System, auch unter den Verdächtigen, weiterhin solide ist“, erklärt Joanna Lillis, die für Eurasianet vor Ort berichtete. Bisher wurde jedoch keiner der Polizist:innen, die unverhältnismäßige Gewalt angewendet haben, um die Unruhen zu unterdrücken, zur Rechenschaft gezogen. Und auch, ob jemals Prozesse gegen die entsprechenden Polizist:innen stattfinden werden, ist nicht bekannt.

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Die Ergebnisse der am 15. Juli gebildeten Untersuchungskommission liegen noch immer nicht vor. Die Liste der 21 getöteten Personen wird nicht veröffentlicht, sondern während des Prozesses nur „erwähnt“. Human Rights Watch kommt daher zu dem Schluss, dass die vielen Geheimnisse Zweifel an einem fairen Gerichtsverfahren aufkommen lassen.

Emma Collet, Redakteurin für Novastan

Aus dem Französischen von Robin Roth

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