Am 14. Februar jährte sich zum 35. Mal der Todestag der Verdienten Architektin der Tadschikischen SSR und des Vorstandsmitglieds des tadschikischen Architektenverbandes Chamro Tairowa (1912-1990). Asia-Plus blickt zurück auf das Leben einer Frau, die sich unbeirrt einen Platz in der Geschichte Duschanbes sicherte.
Baukunst gilt vielerorts als „Männersache“. Doch dieses Klischee hat die Rechnung ohne Duschanbe gemacht: Denn sowohl die Architektur als auch die Stadtplanung und das Bauwesen der tadschikischen Hauptstadt tragen die Handschrift einer berühmten Frau: Chamro Tairowa.
Schon kurz nach ihrer Geburt 1912 zog ihre Familie aus Ascht nach Taschkent. Nach sieben Jahren an der unvollständigen Sekundarschule ging Tairowa an die sowjetische Arbeiterfakultät, die sogenannte RabFak, in Taschkent [eine Bildungseinrichtung, die sich speziell an junge Menschen ohne Abitur aus der Arbeiterschicht richtete, Anm. d. Ü.].
Erste Frau in einer männerdomnierten Welt
Als Tairowa 1929 in die Abteilung für Bauingenieurwesen des Zentralasiatischen Industrieinstituts eintrat, war ihre Motivation zweierlei: einerseits suchte sie einen nicht typisch weiblich besetzten Beruf, andererseits war ihr wichtig selbst mit Klischees zu brechen. Sechs Jahre später schloss sie ihr Studium mit Auszeichnung ab.
Noch im selben Jahr erschien Tairowas Gesicht auf der Titelseite der sowjetischen gesellschaftspolitischen Zeitung Iswestija, anlässlich eines Berichts über das Wachstum der nationalen Kader unter den jungen Spezialisten in Tadschikistan.
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Als vereinsgetragene, unabhängige Plattform lebt Novastan vom Enthusiasmus seiner ehrenamtlichen Mitarbeiter:innen – und von eurer Unterstützung!Als die Behörden Tairowa daraufhin nach Stalinabad [so hieß Duschanbe von 1929 bis 1961; Anm. d. Ü.)] schickten, war sie eine Premiere. Denn sie war die erste Bauunternehmerin der Tadschikischen SSR.
Ab 1936 arbeitete Tairowa als Bauleiterin, Oberbauleiterin und Chefingenieurin des Hauptstadtbausektors der Staatlichen Agentur für Bau und kommunale Wohnungsverwaltung der Tadschikischen SSR.
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Sie baute Dutzende von Gebäuden in Duschanbe, darunter das Aini-Theater, das Gebäude der Tadschikischen Nationalen Universität, das Hotel Wachsch, den Obersten Sowjet der Tadschikischen SSR, weiterführende Schulen und Wohnviertel. Sie war Teilnehmerin des ersten Allunionskongresses der Architekten der UdSSR.
Als sich kurz nach Beginn des Großen Vaterländischen Krieges am 22. Juni 1941 das Ausmaß des deutschen Einmarschs zeigte, kam Chamro Tairowa in der Regierung der Republik eine nicht unbedeutende Rolle zu: Sie war maßgeblich an der, größtenteils improvisierten, und dennoch massenhaften Evakuierung vom Krieg betroffener Kulturgüter und Unternehmen beteiligt. Tairowa sorgte dabei konkret für die Unterbringung und Inbetriebnahme von Unternehmen, die von den Behörden aus dem Westen der UdSSR auf das Gebiet der Tadschikischen SSR verlagert wurden.
Vom Bau in die Politik
Nach Kriegsende übernahm sie eine Reihe verantwortungsvoller Posten: ab 1953 bekleidete sie das Ministerium für städtischen und ländlichen Bau; von 1961 bis 1970 leitete sie das Staatliche Planungskomitee der Republik.
In diesem Zeitraum erlebte die tadschikische Sowjetrepublik einen starken Zustrom von Russen, der sich auch nachhaltig auf die Städteplanung und die Lebensbedingungen auswirkte. Mehr als eine Million Tadschiken zogen in dieser Zeit in neue, wohl eingerichtete Wohnungen oder kümmerten sich anderweitig darum, ihre Wohnsituation zu verbessern. Hunderte von Vereinen und Bibliotheken, neue Schulen und Kinos veränderten das Gesicht der Städte und Dörfer und auch industrielle Betriebe erfuhren einen Auftrieb in großem Umfang.
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In diesen bewegten Jahren war Tairowa im Bauwesen erneut in vorderster Linie anzutreffen. In Duschanbe leitete sie den Bau des Stahlbetonwerk Nr. 1, des Wohnungsbaukombinat, des „Torgmasch“-Werks [das Ausrüstung für Handelsunternehmen herstellt; Anm. d. Ü.], den Bau der Kühlschrankfabrik, den zweiten Bauabschnitt des Textilwerks, den Bau des Flughafens, des Bahnhofs, des Polytechnischen Instituts, des Republikanischen Fernsehzentrums und eine Reihe anderer wichtiger Einrichtungen. Ab 1970 saß sie außerdem an der Spitze der 1958 gegründeten Tadschikische Gesellschaft für Freundschaft und kulturelle Beziehungen mit dem Ausland.
Kurzum, Tairowa war eine hochqualifizierte Fachfrau auf dem Gebiet der Wirtschaft, des Bauwesens und der Architektur und leistete einen großen Beitrag zur Entwicklung der Republik. Ihre hohe Professionalität und ihre umfassende Allgemeinbildung verschafften ihr große Autorität und Respekt.
Das erkannte auch die Sowjetregierung, und darum geizte diese nicht, Tairowa für ihr Schaffen zu ehren: Schließlich erhielt sie fünf Orden des Roten Banners der Arbeit, den Orden „Zeichen der Ehre“, sowie die Medaillen „Für heldenmütige Arbeit“ und „Für heldenmütige Arbeit im Großen Vaterländischen Krieg 1941-1945“.
Weitere Bilder findet ihr im Originalartikel.
Gafur Schermatow für Asia-Plus
Aus dem Russischen von Arthur Siavash Klischat
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