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Menschen Zentralasiens: Kirgistan

Bei seiner Reise durch Zentralasien im vergangenen Jahr porträtierte Philipp Lausberg viele Menschen, mit denen er ins Gespräch kam. Die Fotoreihe „People of Central Asia“ mit kurzen Texten zu Menschen aus verschiedenen Ecken Kasachstans, Kirgistans und Tadschikistans veröffentlichte er auf seiner Facebook-Seite. Wir übernehmen sie mit seiner freundlichen Erlaubnis. Diese Woche begeben wir uns mit ihm nach Kirgistan.

Menschen Kirgistan Ermek Tscholponata Issikköl
Ermek

Bei seiner Reise durch Zentralasien im vergangenen Jahr porträtierte Philipp Lausberg viele Menschen, mit denen er ins Gespräch kam. Die Fotoreihe „People of Central Asia“ mit kurzen Texten zu Menschen aus verschiedenen Ecken Kasachstans, Kirgistans und Tadschikistans veröffentlichte er auf seiner Facebook-Seite. Wir übernehmen sie mit seiner freundlichen Erlaubnis. Diese Woche begeben wir uns mit ihm nach Kirgistan.

Menschen Kirgistan Schenia Tamga
Schenia

Schenya, 50, ist Pförtnerin am Militärsanatorium von Tamga im Osten Kirgistans. Die Institution wurde in den frühen 1930ern als Ferienanlage für die stalinistische Elite gebaut. Zwischen dem majestätischen Issikkölsee und den beeindruckenden Gipfeln des Tian Shan Gebirges gelegen, haben die prachtvollen Mosaike und sozialistisch realistischen Statuen einen einzigartigen und surrealen, utopisch-sozialistischen Touch.

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Passend zu ihrem Job ist Schenya eine Nostalgikerin sowjetischer Zeiten, als laut ihr alles besser war. Mit dem Zerfall der Sowjetunion verlor sie ihren Job in einer Bischkeker Fabrik, die schließen musste. Heute prangert sie den Arbeitsplatzmangel und die „moralische Degeneration“ des Landes an.

Menschen Kirgistan Adejana Bischkek Ballett
Adejana

Adejana, 14, ist eine Ballettstudentin im 7. Jahr der Bischkek Basarbajew Choreografieschule, der bekanntesten Ballettschule Kirgistans. Diese wurde zu Sowjetzeiten gegründet und unterrichtet die russische Schule des Balletttanzes. In Bischkeks sozialistisch-realistisch gebautem Opernhaus schaute sie sich eine Aufführung ihrer Mitschüler im letzten Studienjahr an. Während ihr Vater etwas mit deutschen Autos macht, träumt sie von einer Ballettkarriere in Russland oder im Westen.

Menschen Kirgistan Igor
Igor Schukow

Das ist Igor Schukow beim Genuss von georgischem Wein zu seinem Mittagessen in einem der besseren Restaurants von Bischkek, Kirgistan. Er ist ein Russe aus Taschkent, Usbekistan, und ein Verwandter des Marschalls Georgi Schukow, der erfolgreichste unter den sowjetischen Generalen, der die Deutschen in Stalingrad besiegte. Derzeit arbeitet er als Finanzberater der kirgisischen Regierung, hat aber auch Geschäfte in Tadschikistan, Usbekistan, Russland und Polen.

Er ist Veteran der Spezialeinheit des Tadschikischen Bürgerkriegs und des sowjetischen Krieges in Afghanistan, über den er lebhaft und in ausführlicher Länge erzählte. Vor allem bleibt ihm die blutige Beschlagnahmung des Salang Tunnels im Jahr 1979 in erinnerung, bei der er viele Freunde verlor. Er schwärmte über die Sauberkeit deutscher Städte und versteht nicht, warum „Deutschland sich von den USA kontrollieren lässt“. Seiner Meinung nach sind  Deutschland und Russland natürliche Alliierte und die deutsche Geschichte und Mentalität sei der russischen wesentlich ähnlicher, als der angelsächsischen. Er ist zudem Poet und Blogger und schreibt über so ziemlich alles von Politik bis Plow.

Menschen Kirgistan Adriana Bischkek
Adriana

Adriana (nicht ihr richtiger Name), 27, stammt aus einem Dorf im Osten Kirgistans und lebt in einem der Mikrodistrikte der heruntergekommenen Wohnblöcke aus der Sowjetzeit am Stadtrand von Bischkek. Sie vertraut in schamanische Medizin, die einen laut ihr dazu bringen kann, eine Woche lang Blut zu spucken, aber letztlich den Körper reinigen wird. Ihr Traum ist es, einen reichen westlichen Mann zu heiraten, nach Europa zu ziehen und eine Villa und einen Ferrari zu besitzen.

Menschen Kirgistan Arslan Bischkek
Arslan

Arslan leitet das Marketing von Namba Taxi, die führende kirgisische Taxiruf-App. Dies ist eines der top Startups des Landes und wurde Ende 2015 von techconnect, der größten Tech-Konferenz in Zentralasien, zum einzigen kirgisischen Spieler unter den besten 10 regionalen Startups gewählt. Namba wurde 2012 gegründet und bietet einen günstigen und bequemen Verkehr in Kirgistans zwei größten Städten Bischkek und Osch. Das Unternehmen verkauft seine Software auch in anderen zentralasiatischen Ländern und im Iran. Während Kirgistans Startup-Szene noch sehr klein ist, träumt Arslan davon, richtig groß zu werden und nennt solch Schwergewichte wie Uber oder Airbnb als Vorbilder.

Menschen Kirgistan Mery Bischkek
Mery

Mery, 27, kommt aus Bischkek, Kirgistan. Hier sitzt sie im neuen BMW X5, den ihr ihr Vater als Geburtstagsgeschenk gab. Ihr Onkel ist Abgeordneter des kirgisischen Parlaments und ihr kleiner Bruder, 24, hat ebenfalls bereits einen Job dort. Sie hat in Peking, Dubai und London gelebt und bereitet momentan die Hochzeit ihrer Schwester in ihrer Heimatstadt vor.

Menschen Kirgistan Ermek Tscholponata Issikköl
Ermek

Das ist Ermek, 28, am Veranstaltungsort der Nomadenspiele von 2016 in Tscholponata, am Ufer des Issikkölsees im Osten Kirgistans. Wie die meisten Kirgisen ist er sehr stolz auf die unberührte Natur in seinem Land, die bis zu 7500m hohen Berge und auf den Issikköl, der zweitgrößte Bergsee der Welt nach dem Titicacasee in Südamerika. Er ist fast 700m tief, ungefähr elf mal so groß wie der Genfersee und umgeben von bis zu 5000m hohen Bergen.

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Der Issikkölsee war einst ein Haupt-Zwischenstopp auf der Seidenstraße und viele Historiker glauben, dass es der Entstehungsort der Pest war, die Europa und Asien während des 14. Jahrhunderts plagte. Zu Sowjetzeiten war er einerstklassiges Urlaubsziel der Union, vergleichbar mit der Krim und Sotschi. Zur gleichen Zeit wurden sowjetische U-Boote und Torpedos an seinem östlichen Ende getestet und seit 2008 führt Russland diese Praxis fort.

Menschen Kirgistan Issikköl
Ermek, Murat, Mirbek und Emil

Das sind Ermek, Murat, Mirbek und Emil, die sich eine Auszeit mit den Jungs an einer der heißen Quellen am Issikkölsee im Osten Kirgistans nehmen. Sie sind in ihren Mitte bis späten Zwanzigern und alle verheiratet, manche mit einigen Kindern. Tatsächlich ist es sehr unüblich in Kirgistan, in diesem Alter nicht verheiratet zu sein. Die meisten von ihnen arbeiten in der Landwirtschaft, dem Gemüseanbau und der Viehhaltung.

Ermek ist gerade dabei, sein eigenes Haus nahe des Sees zu bauen. Sie hatten einen gekochten Schafskopf, eine Flasche Wodka und Sonnenblumenkerne hinten auf ihrem Auto und sprachen wundervolle, lange Trinksprüche aus. Wie die Tradition es vorschreibt, wurden mir die Augen des Schafes angeboten, welche als der feinste Teil des Tieres erachtet werden, und deswegen für Gäste reserviert sind.

Menschen Kirgistan Natalia Karakol
Natalia

Natalia, 28, ist Lehrerin an der russisch-orthodoxen Grundschule in Karakol im Osten Kirgistans, ungefähr 100km von der chinesischen Grenze. Aufgrund ihres religiösen Charakters wird die Schule hauptsächlich von Russen besucht, die immer noch 6,5 Prozent von Kirgistans Bevölkerung ausmachen (bis zu 30 Prozent zu Sowjetzeiten).

In Karakol, idyllisch zwischen den majestätischen Bergketten des Tian Shan und dem Issikkölsee gelegen, lebt eine besonders große russische Gemeinschaft. Es beherbergt eine wichtige Torpedo Produktionsstätte für die russische Marine, hat viele alte, imperiale Villen im Kolonialstil aus dem 19. Jahrhundert und eine wunderschöne hölzerne Kirche in dem Garten, in dem Natalia hier steht. Ihre Vorfahren zogen in dieses Gebiet, kurz nachdem in den 1870ern der General Zimmermann den Norden Kirgistans im Namen des Zaren eroberte.

Die Stadt ist ebenfalls dafür bekannt, viele Tschernobyl-Opfer zu haben, da sie 1986 eine große Anzahl von Liquidatoren in den nuklearen Desasterort schickte. Insgesamt waren fünftausend Menschen aus Kirgistan an den Beseitigungsarbeiten an dem zerstörten Atomkraftwerk beteiligt, von denen viele starben oder immer noch unter den schrecklichen gesundheitlichen Konsequenzen leiden.

Menschen Kirgistan Abdysch Dscheti-Ögüz
Abdysch

Abdisch ist ein Flugzeugingenieur im Ruhestand, der nun als Taxifahrer arbeitet. Trotz seiner Hochschulausbildung in Moskau war es für ihn nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion schwer, eine Arbeit zu finden. Wie viele seiner Generation vermisst er die Stabilität der Sowjetzeiten, als laut ihm jeder einen Job hatte und einmal im Jahr Urlaub am Schwarzen Meer machen konnte.

Hier steht er vor dem Ferienhaus, zu dem Juri Gagarin zur Erholung nach seinem Pionierflug ins Weltall geschickt wurde (in der Mitte). Es befindet sich hoch oben in den idyllischen Bergen von Dscheti-Ögüz im Osten Kirgistans, weit entfernt von den neugierigen Blicken der Journalisten. Genau an demselben Ort verbrachte in den 90ern Russlands erster Präsident Boris Jelzin eine Nacht in einer aufwendigen Jurte mit dem damaligen kirgisischen Präsidenten Akajew.

Abdischs Freund, der zu der Zeit als eine Wache des Präsidenten anwesend war, erinnert sich immer noch an das starke Saufgelage, das damals stattfand. Scheinbar hörte der betrunkene Jelzin, barfuß und Würstchen schwingend, nicht auf, Akajew zu umarmen, dessen Glatze er mit seinen fettigen Händen streichelte.

Menschen Kirgistan Kanykej Keremet Dscheti-Ögüz
Kanykej und Keremet

Hier sind Kanykey und Keremet, Schwestern im Alter von 8 und 11 Jahren, die in der Jurte ihrer Familie in den Bergen von Dscheti-Ögüz im Osten Kirgistans sitzen. Ihre Eltern und Großeltern haben für Dekaden in einem alten Sowjetwohnblock in Karakol gelebt, doch seit bereits einigen Jahren leben sie von Mai bis September in einer Jurte in den Bergen, genau wie ihre Vorfahren es taten, bevor sie von der Sowjetmacht kollektiviert wurden.

Ihre Großmutter wurde am 9. Mai 1945 geboren, dem Tag des Sieges der UdSSR über Nazideutschland. Aufgrund dieses magischen Geburtsdatums ist sie sehr bekannt in der Region und die Leute glauben, sie könne die Zukunft voraussagen. Kanykey sagte, dass, was immer sie auch in ihren Träumen sehe, wahr wird. Im Falle, dass dies etwas Schlimmes sein sollte, kann sie die Dinge immer noch zum Besseren wenden, indem sie spezielle Kräfte von Frischwasserquellen verwendet.

Menschen Kirgistan Kanykej Keremet Dscheti-Ögüz
Kanykej und ihr Hund Laika

Kanykey, 8, steht vor der Jurte ihrer Familie in den Bergen von Dscheti-Ögüz im Osten Kirgistans. Ihr Hund, Laika, ist nach dem ersten lebenden Wesen im Weltall benannt, ein sowjetischer Kosmonautenhund, der 1957 in Sputnik 2 in die Erdumlaufbahn geschickt wurde – nur einen Monat nach dem erfolgreichen Start von Sputnik 1, der allererste Satellit. Der Flug von Laika bereitete den von Juri Gagarin vor, der erste Mann im Weltall, der seinen Urlaub nur einen Kilometer von Kanykeys Jurte entfernt verbrachte. Er wurde nur 4 Jahre später, am 12. April 1961, ins Weltall geflogen.

Es gibt tatsächlich noch einige Gedenkstätten an Juri Gagarin in Kirgistan, was ein Beispiel dafür ist, wie die kirgisische nationale Identität nach wie vor von vielen sowjetischen/russischen Elementen neben den traditionellen nomadischen, türkisch/islamischen zusammengesetzt zu sein scheint.

Menschen Kirgistan Nurik Bischkek
Nurik auf dem Ala-Too Platz

Dies ist Nurik, auf dem Ala-Too Platz im Zentrum Bischkeks. Er ist 19 Jahre alt und hat für 18 Monate in der kirgisischen Armee gedient. Er ist in einer Eliteeinheit der Fallschirmjäger, nach dem Vorbild der sowjetischen Luftlandetruppen „WDW“. Er war auf dem Weg zu einer Übung mit seinem Regiment für die Siegestagparade in Bischkek, Kirgistan, um die Niederlage Nazideutschlands im Mai 1945 zu feiern. Auf die Frage, warum sie das Sowjetabzeichen mit Hammer und Sichel tragen, antwortete er: „Es sieht einfach schöner aus, nicht wahr?“.

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Menschen Kirgistan Alischer Osch
Alischer

Alischer, 23, hat gerade ein neues Tourismusunternehmen namens Aerotrans in der Stadt Osch in Südkirgistan gegründet. Er hofft, von einer steigenden Anzahl von Reisen in sein Land zu profitieren. Tatsächlich ist Kirgistan so etwas wie ein Insidertipp für naturliebende Abenteuertouristen geworden, die wandern, reiten oder Paragliding in den prachtvollen Gebirgszügen genießen. Er bat mich, noch etwas Werbung in Europa für sein Land zu machen. Da wären wir also.

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Menschen Kirgistan Ulad Begimai Hochzeit
Ulad und Begimai bei ihrer Hochzeit

Das sind Ulad (22) und Begimai (20) an ihrem Hochzeitstag in der südkirgisischen Stadt Osch. Nach einem verpflichtenden Halt am Denkmal des Zweiten Weltkrieges mit seiner ewigen Flamme ging es weiter, um vor der Reiterstatue von Manas zu posieren, der Nationalheld Kirgistans. Es war ein regnerischer Tag, was als Zeichen des Glücks für ein Paar in Kirgistan gewertet wird, wo Niederschlag wesentlich weniger häufig als in Europa ist. Zudem gab es 20 große Mercedes SUVs mit Fahrern für die bequeme Beförderung während der Hochzeitsfeier.

Menschen Kirgistan Hochzeit Osch
Gruppenbild vor der ewigen Flamme in Osch

Dies sind ein paar der besten Kumpels des Bräutigams vor dem Denkmal zum Zweiten Weltkrieg in Osch. Ich wurde zu ein paar Wodka Shots eingeladen und zum Tanzen vor der ewigen Flamme aufgefordert. Am Ende gaben sie mir einen Kalpak, die traditionelle kirgisische Kopfbedeckung, als Geschenk.

Menschen Kirgistan Papa Taxi Bischkek
Papa in seinem Auto

Das ist Papa, 65, ein Taxifahrer, der von seinen Klienten als der vertrauensvollste Nachtfahrer in Bischkek, Kirgistan, geschätzt wird. Es kursieren Gerüchte, dass er nebenbei ein wenig Zuhälterei betreibt. In den 1960ern lernte er Deutsch in der Schule – neben Englisch die einzige andere Fremdsprache, die Schülern in der Sowjetunion beigebracht wurde. Lächelnd erzählt er, Liebesbriefe nach Ostdeutschland gesendet zu haben und Bilder von ostdeutschen Schulmädchen bekommen zu haben. Er ist halb tartarisch, und ein Viertel Usbeke und Kasache, während seine Frau halb Usbekin, halb Baschkirin ist.

Menschen Kirgistan Valerij Dill
Valerij Dill, Vorsitzender der deutschen Minderheit in Kirgistan und ehemaliger Vizepremierminister.

Valeri Dil ist Vorsitzender des Deutschen Volksrates, der Hauptinteressenverbund ethnischer Deutscher in Kirgistan. Von 1991 bis 2010 war er Abgeordneter in Kirgistans Parlament und bis 2015 war er Vizepremierminister des Landes, verantwortlich für Wirtschaft und Finanzen.

Mit einem leicht schwäbischen Akzent sprechend, erzählte er die Geschichte seiner wolgadeutschen Familie, die sehr unter Stalins Repressionen in den 1930ern litt. Sein Vater wurde ins Gulag in Karaganda (Kasachstan) geschickt, wo seine Familie sich ihm nach seiner Freilassung anschloss. Später zog er nach Kirgistan um. Er kämpft hart für die Erhaltung der deutschen Kultur und Sprache, indem er Kulturveranstaltungen und Sprachkurse organisiert und Sozialleistungen verteilt.

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Doch von einst mehr als 100.000 ist die deutsche Gemeinschaft auf ungefähr 8000 gesunken, da die meisten nach dem Zusammenbruch der UdSSR nach Deutschland emigriert sind. Und jene, die geblieben sind, passen sich immer mehr der lokalen Kultur an und beherrschen ihre Sprache nicht mehr, obwohl Deutsche – ironischerweise – nicht wie zu Sowjetzeiten nun ihre Sprache und Kultur frei praktizieren dürfen. Laut Valeri half die sowjetische Diskriminierung der Deutschen ihnen eigentlich, ihre Kultur zu bewahren, da sie sich dadurch mehr als Gruppe identifizierten.

Menschen Kirgistan Lehrer Rot Front
Gulja und ihr Mann

Gulja und ihr Mann sind Deutsch- und Russischlehrer an der örtlichen Schule in Rot-Front, Kirgistan. Das Dorf, das den Namen der paramilitärischen Organisation der Kommunistischen Partei Deutschlands in der Weimarer Republik trägt, befindet sich in dem fruchtbaren Tschüi Tal und ist eines von wenigen Dörfern, die noch über eine beträchtliche deutsche Bevölkerung verfügen. Sie sind beide große Fans von Deutschland und waren viele Male dort. Er hat einem seiner deutschen Freunde ein Pferd geschenkt und bekam als Gegenleistung ein Auto, das er den ganzen Weg von Bonn nach Kirgistan gefahren hat. Wir wurden zu Wodka und Pelmeni bei ihnen eingeladen und durch das Dorf geführt.

Menschen Kirgistan Nikolai Klaus Rot Front
Nikolai Klaus

Nikolai Klaus arbeitete gerade fleißig vor seinem Haus, als ich ihn traf. Er arbeitet als Mechaniker und ist einer von 90 verbliebenen Deutschen in Rot-Front, eines der letzten deutschen Dörfer in Kirgistan. Wie die meisten anderen Deutschen in der Gegend ist er ein höchst gläubiges Mitglied der mennonitischen Kirche, eine protestantische Sekte, dessen Mitglieder im 18. und 19. Jahrhundert von Deutschland nach Russland gingen, um dem verpflichtenden Militärdienst zu entgehen. Er spricht einen merkwürdigen deutschen Dialekt, dem Hessischen leicht ähnlich. Unter Stalin wurde seine Familie von der Wolga nach Usbekistan deportiert. In den 70ern zogen sie weiter nach Rot-Front.

Menschen Kirgistan David Hoffmann Rot Front
David Hoffmann

Das ist David Hoffmann vor seinem Haus im Dorf Rot-Front, Kirgistan. Seine Familie kam in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts von Deutschland nach Zentralasien, als der Zar ihnen gewährte, dort zu siedeln und das Land zu bebauen.

Text und Bilder: Phillipp Lausberg

Aus dem Englischen von Agnes Lüdicke

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