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China profitiert in Zentralasien von der Isolation Russlands

ENTSCHLÜSSELUNG. Chinas Präsident Xi Jinping hat im Rahmen des letzten SCO-Gipfels einen offiziellen Besuch Kasachstan und Usbekistan abgestattet. Die zentralasiatischen Staaten bauen ihre bilateralen Beziehungen mit Peking aus, wobei letzteres von der Isolation Russlands in Folge des Ukrainekrieges profitiert.

PM attends the 22nd Meeting of the Council of Heads of State of the Shanghai Cooperation Organization (SCO), in Samarkand, Uzbekistan on September 16, 2022.

ENTSCHLÜSSELUNG. Chinas Präsident Xi Jinping hat im Rahmen des letzten SCO-Gipfels einen offiziellen Besuch Kasachstan und Usbekistan abgestattet. Die zentralasiatischen Staaten bauen ihre bilateralen Beziehungen mit Peking aus, wobei letzteres von der Isolation Russlands in Folge des Ukrainekrieges profitiert.

Es war Xi Jinpings erster Auslandsbesuch seit mehr als zwei Jahren. Am 14. September hat der chinesische Präsident Kasachstan besucht, bevor er zum Forum der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO) weiterfolg. An dem Treffen, das am 15. und 16. September im usbekischen Samarkand stattfand, nahmen neben Xi die Staatsoberhäupter von Kasachstan, Kirgistan, Tadschikistan, Turkmenistan, Indien, Iran und Russland teil.

Obwohl der Besuch aufgrund der Abhaltung des SCO-Gipfels seit langem geplant war, war der Moment für China angesichts des Misstrauens der zentralasiatischen Staaten gegenüber Russland günstig. Denn angesichts des Krieges in der Ukraine gehen die Staatsführungen der zentralasiatischen Länder zunehmend auf Distanz zu Wladimir Putin.

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Könnte in Zentralasien eine noch größere Asymmetrie zwischen China und Russland entstehen? „Man hat immer gesagt, Russland sei für die Sicherheit zuständig, China für die Wirtschaft“, erklärt Thierry Kellner, Dozent für Politikwissenschaft an der Freien Universität Brüssel. „Aber heute hat China den Wunsch, in Sachen Sicherheit präsenter zu sein“, fügt er hinzu.

Kasachstan, eine Belastungsprobe für die russisch-chinesischen Beziehungen?

Bei seinem Besuch in Nur-Sultan [mittlerweile wieder Astana, Anm. d. Ü.] kündigte der chinesische Präsident direkt an, dass Russlands Politik in Zentralasien eine „rote Linie“ habe. „Unabhängig davon, wie sich die internationale Lage entwickelt, werden wir Kasachstan weiterhin entschieden beim Schutz seiner Unabhängigkeit, Souveränität und territorialen Integrität unterstützen“, erklärte Xi laut dem kasachstanischen Nachrichtenportal Vlast.

Im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine richtete sich diese Botschaft direkt an Wladimir Putin und warnte davor, dass seine expansionistischen Tendenzen sich nicht auf Zentralasien erstrecken sollten. Timur Dadabaev, Professor für Internationale Beziehungen und Direktor des Programms für Eurasische Studien an der Universität von Tsukuba, sieht darin mehr einen pragmatischen Akt von Seiten Chinas als ein eine Schwächung der russisch-chinesischen Partnerschaft. Er erinnert daran, dass Peking die russischen Positionen gegenüber dem Westen unterstützt und in seinen antiwestlichen Reden die gleiche Rhetorik wie der Kreml nutzt.

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„Zu einem großen Teil würde jede Schwächung der russischen Position auch die potenzielle Niederlage der chinesischen Positionen bei Streitigkeiten mit den Vereinigten Staaten, der Europäischen Union oder anderswo bedeuten“, fügt er hinzu. Die Partnerschaft zwischen Russland und China bleibe bestehen, insofern Russland die chinesischen Sicherheits-, Wirtschafts- und Handelsinteressen in Zentralasien nicht bedroht, erklärt Thierry Kellner. In diesem Sinne stelle die Position Chinas in Bezug auf die Verteidigung der Souveränität Kasachstans die russisch-chinesische Partnerschaft nicht in Frage.

Eine Wendung in Richtung China

Die zentralasiatischen Staaten fürchten die Unsicherheit der russischen Außenpolitik, weshalb sie sich stattdessen an Peking wenden. Am Ende des SCO-Gipfels wurde das Eisenbahnprojekt zwischen China, Kirgistan und Usbekistan mit der Unterzeichnung eines Abkommens gestartet, erklärt das amerikanische Onlinemedium Eurasianet. Die Verbindung könnte indirekt dazu dienen, die russische Verkehrsinfrastruktur zu umgehen. Die Annäherung an China erfolgt dabei zu einer Zeit, da Pekings Nationalitätenpolitik in Kasachstan scharfer Kritik ausgesetzt ist. So hatten am 5. September kasachische Aktivist:innen in Almaty demonstriert und die Vereinigung mit ihren Verwandten in Xinjiang gefordert.

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Zwei der Aktivist:innen wurden von der kasachstanischen Polizei festgenommen. Präsident Qasym-Jomart Toqaev habe daraufhin versucht, die Situation der Kasach:innen von Xinjang zu ignorieren, um China nicht vor den Kopf zu stoßen, eine Sicherheitsgarantie verlieren, erklärt Temur Umarov im Interview mit Radio Azattyq, dem kasachstanischen Dienst von Radio Free Europe.

Russlands wachsende Isolation

Russland befindet sich währenddessen nur an der Seitenlinie. „[Während des Gipfels in Samarkand]war die Rezeption von Xi Jinping und Putin radikal anders. Der chinesische Präsident hatte das Recht auf einen herzlichen Empfang, Folkloreshows … etwas, das bei der Ankunft des russischen Präsidenten nicht passierte“, erklärt Thierry Kellner.

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Dies sei für das Verständnis von der geschrumpften Position Russlands in Zentralasien von Bedeutung, da das SCO-Forum vor allem ein Ort der deklaratorischen Diplomatie sei, wo Symbolik viel zähle, analysiert der belgische Experte. Doch auch andere solcher Zeichen wurden gesendet, wie etwa durch Bilder von Wladimir Putin, der auf den kirgisischen Präsidenten Sadyr Dschaparow wartete, während normalerweise das Gegenteil passiert.

Der Besuch von Xi Jinping in Zentralasien hat die beispiellose Isolation offenbart, in der sich Russland in seinem eigenen „nahen Ausland“ – den GUS-Staaten – befindet. Aus diesem Grund versuche Russland, eine „neue Grenze“ in Zentralasien zu finden, indem es seinen Einfluss durch Bildung, Medien und Handel weiter ausbaut, schließt Timur Dadabayev.

Emma Collet, Redakteurin für Novastan

Aus dem Französischen von Robin Roth

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