Startseite      „Das Territorium Kasachstans an China zurückgeben“ – Blogbeitrag löst diplomatische Verstimmung aus

„Das Territorium Kasachstans an China zurückgeben“ – Blogbeitrag löst diplomatische Verstimmung aus

Kasachstan hat offiziell Protest gegen eine Publikation auf der chinesischen Website Sohu eingelegt. Diese hatte dazu aufgerufen, das Territorium Kasachstans an China zurückzugeben. Auch wenn China dem Nachbarn mit der Entsendung von ÄrztInnen und Geräten zur Bekämpfung der Coronavirus-Epidemie offensichtlich hilft, scheinen die Beziehungen zwischen den beiden Ländern immer noch von Misstrauen geprägt zu sein.

Die Redaktion 

Übersetzt von: Robin Roth

Screenshot des chinesischen Artikels
Ein Blogbeitrag auf der chinesischen Webseite Sohu hat aufgerufen, "das Territorium Kasachstans an China zurückzugeben"

Kasachstan hat offiziell Protest gegen eine Publikation auf der chinesischen Website Sohu eingelegt. Diese hatte dazu aufgerufen, das Territorium Kasachstans an China zurückzugeben. Auch wenn China dem Nachbarn mit der Entsendung von ÄrztInnen und Geräten zur Bekämpfung der Coronavirus-Epidemie offensichtlich hilft, scheinen die Beziehungen zwischen den beiden Ländern immer noch von Misstrauen geprägt zu sein.

Alles begann mit einer Veröffentlichung vom 8. April auf Sohu, einem chinesischen Äquivalent zu Google oder Yahoo. Unter dem Titel „Warum Kasachstan bereit ist, nach China zurückzukehren“ hat der Artikel eines Bloggers, der regelmäßig historische Artikel mit nationalistischer Tendenz publiziert, den öffentlichen Protest des kasachstanischen Außenministeriums hervorgerufen.

Das Außenministerium Kasachstans veröffentlichte am 14. April eine Mitteilung, aus der hervorgeht, dass der chinesische Botschafter in Kasachstan im Außenministerium empfangen wurde. Das Ministerium brachte ihm gegenüber Protest gegen den besagten Artikel zum Ausdruck.

China distanziert sich vom Artikel

In der Mitteilung heißt es, der chinesische Botschafter sei informiert worden, „dass die Veröffentlichung solcher Inhalte nicht dem Geist der strategischen Partnerschaft entspricht“, welche die beiden Länder eingegangen sind. Auch wenn in der Mitteilung selbst die Antwort des chinesischen Botschafters nicht erwähnt wird, berichtet Reuters darüber, dass laut einem Antwortschreiben des chinesischen Außenministeriums „der Artikel nicht die Position der chinesischen Regierung widerspiegelt und die Freundschaft der beiden Länder auf keinen Fall erschüttert werden darf“.

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Der besagte Beitrag ist nur der letzte in einer langen Reihe von Artikeln ähnlichen Inhalts. So wirft ein Artikel desselben Autors vom Dezember 2019 eine sehr ähnliche Frage auf: „Warum kehrte Kasachstan, als es unabhängig wurde, nicht in sein Heimatland zurück?”. Es muss allerdings betont werden, dass die Website Sohu keine Verantwortung für den Inhalt übernimmt und der Artikel lediglich die Sicht des Autors widerspiegelt. Unter dem Autorenprofil mit dem Namen „Die Wahrheit hinter der Geschichte entlarven“ wurden mehr als 1200 Artikel in offen nationalistischem Ton veröffentlicht. Diese Publikationen wurden fast 60 Millionen Mal aufgerufen.

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Der Artikel vom 8. April, der mittlerweile von Sohu gelöscht wurde, aber nach wie vor im Cache aufgerufen werden kann, behauptet, dass Kasachstan „historischer Teil des Territoriums von China“ sei, und beschreibt knapp die Beziehungen zwischen China und Kasachstan seit dem Mittelalter. Des Weiteren wird behauptet, dass sich die KasachInnen China nah fühlten und dass in der Vergangenheit viele KasachInnen dem chinesischen Kaiser die Treue geschworen hätten. Im zuvor erwähnten Artikel vom Dezember 2019, der erklären soll, warum Kasachstan nach der Unabhängigkeit von der Sowjetunion nicht Teil von China wurde, heißt es unverblümt, „dass Kasachstan historisch zu China gehört, […] so wie Turkmenistan historisch zum Iran gehört“.

Seit langem gehegtes Misstrauen

Tatsächlich waren es kasachische AktivistInnen des Vereins „Atajurt“, die auf den Artikel aufmerksam machten. Der Leiter des nicht registrierten Vereins ist Serikjan Bilash, der dafür bekannt ist, Chinas Aktivitäten in Kasachstan scharf anzuprangern und dafür auch ins Gefängnis ging. Der Verein veröffentlichte bereits am 9. April ein Video, in dem auf den Artikel und seine Bedeutung hingewiesen wurde. Anschließend rief Bilash dazu auf, das Video zu verbreiten. Dennoch blieb es nur einem kleinen Kreis von Menschen bekannt und erregte bis zum 14. April auch nicht die Aufmerksamkeit der kasachstanischen Medien. Die kasachstanischen Behörden haben die AktivistInnen in ihrer Erklärung ebenfalls nicht erwähnt.

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Dieser diplomatische Zwischenfall, befeuert durch einen expansionistischen chinesischen Diskurs, zeugt von einem Klima des Misstrauens zwischen den beiden Staaten. Ein solcher Diskurs ist für Kasachstan zwar alles andere als neu, er tritt jedoch ausgerechnet zu einer Zeit auf, in der das größte Land Zentralasiens mit der Coronavirus-Epidemie zu kämpfen hat und China versucht, sich als wichtigster Partner im Kampf gegen den Virus zu positionieren. China hat unter anderem ÄrztInnen und medizinische Ausrüstung nach Kasachstan geschickt, um das Land im Kampf gegen die Epidemie zu unterstützen.

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Auf der anderen Seite bleiben die Grenzen zwischen Kasachstan und China weiterhin geschlossen und der Waren- und Personenverkehr steht fast still, da China befürchtet, dass der Virus aus Kasachstan eingeschleppt werden könnte. So verstärkt dieser diplomatische Zwischenfall ein Klima des Misstrauens in den zwischenstaatlichen Beziehungen, das eine Rückkehr zur Normalität entlang von Chinas Neuer Seidenstraße erschweren könnte.

Die Redaktion von Novastan France

Aus dem Französischen von Robin Roth

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