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Menschenhandel in Tadschikistan: Mehr Opfer und weniger Ressourcen

Auch wenn Tadschikistans Regierung verschiedene Maßnahmen im Kampf gegen den Menschenhandel ergriffen hat, greifen diese zu kurz. Zu diesem Schluss ist zumindest ein Bericht des US-Außenministeriums gekommen.

Bei der Bauwollernte in Tadschkistan kommt es immer wieder zu Fällen von Zwangsarbeit (Symbolbild), Photo: World Bank Photo Collection on Visualhunt

Auch wenn Tadschikistans Regierung verschiedene Maßnahmen im Kampf gegen den Menschenhandel ergriffen hat, greifen diese zu kurz. Zu diesem Schluss ist zumindest ein Bericht des US-Außenministeriums gekommen.

Die tadschikische Regierung zeigt sich nicht gewillt, die Opfer zu schützen, und verweist sie an internationale Organisationen. Im Gegenzug werden die Organisationen der Zivilgesellschaft bedroht. Laut dem Bericht 2024 des US-Außenministeriums zur Bekämpfung des Menschenhandels erfüllt die tadschikische Regierung nicht einmal die Mindeststandards bei der Bekämpfung des Menschenhandels, obwohl sie Anstrengungen unternimmt, dies zu tun.

Kaum Unterstützung der Opfer

„Obwohl die Regierung mehr Opfer identifizierte, überwies sie im Vergleich zum vorherigen Berichtszeitraum einen geringeren Anteil der Opfer an Schutzdienste und verließ sich weiterhin stark auf internationale Organisationen, um Hilfe zu leisten“, heißt es in dem Bericht.

Hinsichtlich der Arbeit der Strafverfolgungsbehörden wird festgestellt, dass in Tadschikistan die Artikel 130.1 und 167 des Strafgesetzbuchs gelten, die den Menschenhandel unter Strafe stellen. Artikel 130.1 deckt Fälle von Arbeitsausbeutung und sexueller Ausbeutung ab, während Artikel 167 den Handel mit Kindern, einschließlich der illegalen Adoption, behandelt. Diese Artikel sehen eine Freiheitsstrafe zwischen fünf und acht Jahren vor, welche den Strafen für andere schwere Straftaten, wie beispielsweise Vergewaltigung, entspricht.

Da es jedoch kein zentralisiertes Datensystem gibt, ist es schwierig, genaue Statistiken über Fälle von Menschenhandel zu erhalten. Dies hindert die Regierung daran, die nationalen Statistiken zum Menschenhandel im Detail zu analysieren. „Im Jahr 2023 untersuchte die Regierung 60 Fälle von Menschenhandel, ein deutlicher Anstieg gegenüber 11 Fällen im Jahr 2022.“ 

Probleme bei der strafrechtlichen Verfolgung

Die Regierung hat die Daten jedoch nicht nach der Art des Menschenhandels oder dem Artikel des Strafgesetzbuches unterschieden, so dass unklar ist, wie viele der Fälle speziell dem Menschenhandel zuzuordnen sind und wie viele andere Straftaten wie das Einschleusen von Migrant:innen oder die illegale Adoption ohne den Zweck der Ausbeutung darstellen.

„In der Zwischenzeit wurden zwei Personen wegen Menschenhandels verurteilt – eine gemäß Artikel 130.1 und eine gemäß Artikel 167. Medienberichten zufolge wurde einer der Täter zu mehr als acht Jahren Haft verurteilt, weil er Frauen aus Tadschikistan in der Türkei sexuell ausgebeutet hatte.“ 

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Student:innen und Schüler:innen werden unter dem Vorwand öffentlicher Arbeiten weiterhin zum Baumwollpflücken mobilisiert, obwohl diese Praxis vor einigen Jahren verboten wurde. Auch private Unternehmen haben die Tradition des Subbotniks für ihre Angestellten ausgenutzt und sie gezwungen, ohne Überstundenvergütung zu arbeiten.

Regierung reduziert Anstrengungen zum Schutz der Opfer

„Die Behörden identifizierten im Jahr 2023 47 Opfer (42 sexuell ausgebeutete Frauen und fünf Opfer unbestimmter Art von Menschenhandel – drei Männer und zwei Frauen), verglichen mit 90 Opfern im vorherigen Berichtszeitraum.“

11 Opfer sexueller Ausbeutung (ein Mann und 10 Frauen) wurden an zivile Organisationen zur Unterstützung überwiesen, im Vergleich zu 16 Opfern im Vorjahr 2022. „Alle von der Regierung überwiesenen Opfer erhielten Hilfe von zivilen Organisationen, ohne Unterstützung durch den Staat. Um das Risiko einer erneuten Traumatisierung zu minimieren, verweisen die Behörden die Opfer in den meisten Fällen an Nichtregierungsorganisationen zur Unterstützung. Eine zivilgesellschaftliche Organisation berichtete, dass sie acht Opfer (fünf sexuell ausgebeutete Frauen und drei Frauen, die Zwangsarbeit verrichten mussten) identifiziert und unterstützt hat“, so die Autor:innen.

Opfer haben kein Vertrauen in den Staat

In ihrem Bericht konstatieren die Verfasser:innen, dass das Gesundheitsministerium im Jahr 2021 die Kontrolle über das Nationale Zentrum zur Bekämpfung des Menschenhandels übernommen hat. In der Folge avancierte das Zentrum zur einzigen spezialisierten Einrichtung für die Opfer des Menschenhandels im Land. Aufgrund von Misstrauen gegenüber staatlichen Institutionen und Diskriminierung suchen viele Opfer jedoch keine Hilfe auf.

Im Jahr 2023 stellte die Regierung 926.905 Somoni (84.800 US-Dollar) für eine vom Gesundheitsministerium betriebene Unterkunft bereit, um die sozialen Dienste für die Opfer des Menschenhandels zu verbessern. Im Jahr 2022 wurden 824.400 Somoni (75.425 US-Dollar) für denselben Zweck bereitgestellt. Die Regierung stellte außerdem 527.362 Somoni (48.250 US-Dollar) für Nichtregierungsorganisationen bereit, die sich für die Bekämpfung des Menschenhandels und die Unterstützung der Opfer einsetzen. Darüber hinaus stellte die Regierung 2.1 Millionen Somoni (192.130 US-Dollar) für eine staatliche Einrichtung zur Verfügung, die Dienstleistungen für weibliche Opfer des Menschenhandels anbietet.

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Allerdings fehlte es weiterhin an finanziellen Mitteln für Opferhilfsdienste und an einer unzureichenden Ausbildung des Personals in den Unterkünften. Auch außerhalb der Hauptstadt Duschanbe besteht in Tadschikistan ein Mangel an Unterkünften für die Opfer des Menschenhandels. Da der Staat keine Mittel für die Rückführung zur Verfügung stellt, sind die Opfer auch oft darauf angewiesen, dass Verwandte die Rückflüge (aus den Ländern, in denen sie versklavt wurden) bezahlen.

Kein Schutz für die Opfer

Auch in Bezug auf juristische Dienstleistungen gibt es eine starke Abhängigkeit von internationalen Organisationen. Der fehlende Schutz für Zeug:innen und Anwält:innen der Opfer veranlasst viele dazu, bei der Zusammenarbeit mit den Strafverfolgungsbehörden während der Ermittlungen die Hilfe internationaler Organisationen in Anspruch zu nehmen.

Frauen, die Opfer sexueller Ausbeutung sind, zögern aufgrund der Stigmatisierung oft, Hilfe zu suchen. Ein Gesetz aus dem Jahr 2014, das Sicherheitsmaßnahmen für Opfer vorsieht, garantierte nicht immer die Vertraulichkeit von Informationen. Die Gerichte forderten die Opfer auf, persönlich an den Gerichtsverhandlungen teilzunehmen, wobei die Anwesenheit der Menschenhändler:innen häufig eine obligatorische Voraussetzung darstellte.

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Ausländische Opfer, die sich bereit erklären, mit den Strafverfolgungsbehörden zusammenzuarbeiten, können eine befristete Aufenthaltsgenehmigung beantragen, doch die Regierung hat nicht berichtet, dass sie einen solchen Status gewährt. Gleichwohl führt die Einschüchterung und Bedrohung von Organisationen der Zivilgesellschaft zu einer Beeinträchtigung ihrer Kapazitäten, Schutz zu bieten.

Ausbeutung inner- und außerhalb des Landes

In den vergangenen fünf Jahren war Tadschikistan mit einer signifikanten Zunahme des Phänomens des Menschenhandels konfrontiert, sowohl im Ausland als auch innerhalb des Landes. Die Wirtschaftsmigration ist für tadschikische Männer, Frauen und Kinder aufgrund der großen Armut mit Risiken verbunden.

Am häufigsten beuten Menschenhändler:innen Tadschik:innen in den Bereichen Dienstleistungen, Landwirtschaft und Bauwesen aus, vor allem in Russland, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Kasachstan und Saudi-Arabien. Männer sind häufig Opfer von Ausbeutung auf Bauernhöfen, Baustellen und Märkten in Tadschikistan. In den meisten Fällen von Menschenhandel innerhalb des Landes handelt es sich um Frauen und Mädchen, die sexuell ausgebeutet oder in häuslicher Sklaverei gehalten werden.

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„Sie werden diskriminiert und haben nur begrenzten Zugang zu Bildung und Beschäftigung. Die meisten von ihnen arbeiten im informellen Sektor“. Oft werden sie auch durch Arbeitsversprechen von Bekannten oder illegalen Arbeitsagenturen angeworben.

In Tadschikistan sind mehr als 10.000 Flüchtlinge und Asylbewerber:innen, vor allem aus Afghanistan, durch Korruption und Einschränkungen der Bewegungsfreiheit gefährdet. Das Verfahren zur Erlangung des Flüchtlingsstatus ist häufig mit Bestechung verbunden, was das Risiko, Opfer von Menschenhandel zu werden, erhöht. Selbst mit offiziellem Status droht vielen Flüchtlingen die Abschiebung.

Empfehlungen an Tadschikistan

Die Liste mit Empfehlungen, die das US-Außenministerium an Tadschikistan richtet, umfasst folgende Punkte:

– Einführung von Standardarbeitsanweisungen (SOPs) zur Identifizierung und Überweisung von Opfern des Menschenhandels zur Behandlung, einschließlich einer Schulung der Beteiligten und einer verstärkten Überprüfung der Opfer, insbesondere in den Bereichen Zwangsarbeit und sexuelle Ausbeutung innerhalb des Landes;

– Aufstockung der Mittel und Einrichtung dauerhafter Mechanismen zur umfassenden Betreuung von Opfern des Menschenhandels durch spezialisierte Heime im ganzen Land;

– energische Ermittlungen und strafrechtliche Verfolgung von mutmaßlichen Menschenhändler:innen, einschließlich Beamt:innen, und Gewährleistung angemessener Strafen für verurteilte Menschenhändler:innen;

– Verbesserung der Datenerfassung und -analyse durch die Strafverfolgungsbehörden, einschließlich der Aufschlüsselung der Informationen nach der Art der Ausbeutung für eine wirksame Ermittlung und Strafverfolgung;

– Gewährung von Zugang für unabhängige Beobachter:innen zur Überwachung des Baumwollanbaus und Stärkung der Aufsicht über die Anwerbung von Saisonarbeiter:innen, um Zwangsarbeit zu verhindern;

– Sensibilisierung und Schulung von Regierungsbeamt:innen, einschließlich des diplomatischen Personals, zur Bekämpfung des Menschenhandels und zur Unterstützung der Opfer, einschließlich im Bereich des Rückführungsprozesses und der Überprüfung des Flüchtlingsstatus;

– Einführung von Hilfsprogrammen für Opfer und Zeug:innen von Menschenhandelsdelikten;

– Erhöhung der Zahl der Arbeitsaufsichtsbeamt:innen und deren Spezialausbildung zur Aufdeckung von Zwangsarbeit und zur Meldung möglicher Fälle von Menschenhandel an die Polizei;

– Verstärkte Überwachung privater Arbeitsvermittlungsagenturen, um zu verhindern, dass von den Arbeitnehmer:innen illegale Vermittlungsgebühren verlangt werden;

– Sensibilisierung der Arbeitsmigrant:innen für die verfügbaren Begleitdienste vor und nach der Ausreise sowie Erhebung und Analyse statistischer Daten zur Arbeitsmigration.

Nigina Aslonova für Asia-Plus

Aus dem Russischen von Irina Radu

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