Usbekistans Präsident Shavkat Mirziyoyev war am 2. und 3. Mai auf offiziellem Besuch in Berlin. Er traf unter anderem Bundeskanzler Scholz und Bundespräsident Steinmeier, mit dem er die Ausstellung „Archäologische Schätze aus Usbekistan“ eröffnete. Für Deutschland war der Besuch ein Balanceakt.
Am 2. Mai ist Usbekistans Präsident Shavkat Mirziyoyev zu einem zweitägigen Besuch in Berlin eingetroffen. Noch am gleichen Tag wurde er von Bundeskanzler Olaf Scholz im Bundeskanzleramt begrüßt. Wie die Bundesregierung im Vorfeld informierte, standen außen-, sicherheits- und regionalpolitische Themen sowie Fragen zur Wirtschafts-, Energie- und Klimapolitik auf der Tagesordnung.
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Während des Besuchs wurden 16 Dokumente in den Bereichen Wirtschaft, Handel, Finanzen, Bildung, Wissenschaft und Innovation unterzeichnet. Dies gab die usbekische Präsidialverwaltung nach dem Treffen in einer Pressemitteilung bekannt. Unter anderem sei vereinbart worden, eine Dialogplattform im Format „Deutschland-Zentralasien“ zu starten. Bisher hatte Deutschland den regionalen Austausch mit Zentralasien vor allem über die Initiative Green Central Asia gepflegt.
Ein weiterer Schwerpunkt der Gespräche lag auf sicherheitspolitischen Themen, insbesondere im Zusammenhang mit der Lage in Afghanistan. Darüber hinaus unterstütze die deutsche Regierung den Beitritt Usbekistans zur WTO und die baldige Unterzeichnung des Abkommens über verstärkte Partnerschaft und Zusammenarbeit mit der Europäischen Union. Außerdem einigten sich die Parteien darauf, den Transkaspischen Korridor zu entwickeln, um die Region Zentralasien mit Europa verbindet.
Deutschland als Wirtschaftspartner
Am zweiten Tag seines Besuchs traf sich der usbekische Präsident mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, mit dem er laut usbekischer Seite die Entwicklung der vielschichtigen usbekisch-deutschen Zusammenarbeit besprach. Anschließend stand ein Treffen mit Vertreter:innen der deutschen Wirtschaft auf dem Plan. An der Veranstaltung nahmen der Leiter des Ostausschusses der Deutschen Wirtschaft und Vertreter:innen von etwa 30 großen Unternehmen und Banken teil.
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Deutschland ist ein wichtiger Wirtschaftspartner für Usbekistan. Allein 2022 beliefen sich laut Tagesspiegel die deutschen Investitionen in dem zentralasiatischen Land auf 1,45 Milliarden US-Dollar. Und Mirziyoyev warb um mehr. „Ein ausländischer Investor sollte Usbekistan in erster Linie mit Stabilität, Verlässlichkeit und Berechenbarkeit verbinden. Wir sind bereit, alle Voraussetzungen zu schaffen, damit sich jeder deutsche Geschäftsmann in unserem Land frei und sicher fühlen kann“, erklärte der usbekische Präsident.
Archäologische Schätze Usbekistans in Berlin
Am Abend des 3. Mai fand dann jener Termin statt, der auch Anlass des Staatsbesuchs gewesen sein dürfte. Gemeinsam mit Bundespräsident Steinmeier eröffnete Shavkat Mirziyoyev die Ausstellung „Archäologische Schätze aus Usbekistan – Von Alexander dem Großen bis zum Reich der Kuschan“, die noch bis zum 14. Januar 2024 in der James-Simon-Galerie zu sehen sein wird.
Die Ausstellung zeigt Exponate aus der Zeit vom 6. Jahrhundert v. Chr. bis zum 4. Jahrhundert n. Chr., die auf dem Territorium des heutigen Usbekistans gefunden wurden. Sie ist bisheriger Höhepunkt in der Geschichte des kulturellen Austauschs zwischen Usbekistan und Deutschland. Ihre Durchführung war im Mai 2019 beim Besuch Steinmeiers in Usbekistan vereinbart worden. Und sie reiht sich in eine weiter gefasste kulturelle Diplomatie Usbekistans. So war eine ähnlich konzipierte Ausstellung zu usbekischer Kunst zu Beginn des Jahres im Pariser Louvre zu sehen.
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In seiner Rede während des an die Eröffnung anschließenden Banketts äußerte Steinmeier seine Hoffnung, „dass diese Ausstellung hier in Deutschland neues Interesse, neue Lust und Aufmerksamkeit für Usbekistan erwecken wird.“ Dies wäre gemäß dem Bundepräsidenten nicht nur kulturell, sondern auch politisch eine gute Nachricht.
Gerade angesichts des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine seien engere Beziehungen mit Usbekistan und der Region Zentralasien „genuines strategisches Interesse“ Deutschlands. „Ich bin überzeugt: Ihr Land, Ihre Region, Herr Präsident, sollte im Angesicht Ihrer großen Nachbarn, Russland und China, noch viel mehr in unseren deutschen und europäischen Blick geraten. Wenn das geschieht, dann liegt darin für uns eine große Chance: eine Chance zur Diversifizierung unserer politischen, wirtschaftlichen und energiepolitischen Beziehungen – und zugleich ein klares Zeichen an Sie und die anderen Staaten Zentralasiens: Wir sind da! Wir wollen Partnerschaft – und Sie sind nicht allein mit Ihren schwierigen Nachbarn“, so Steinmeier weiter.
Ein Balanceakt
Trotz der freundlichen Worte des Bundespräsidenten ist Usbekistan alles andere als ein leichter Partner. Vielmehr stellt es Deutschland vor einen Balanceakt. Nur wenige Tage vor Mirziyoyevs Berlin-Besuch war in Usbekistan am 30. April ein Verfassungsreferendum mit über 90 Prozent der Stimmen angenommen worden. Die Änderung der Verfassung ermöglicht es dem usbekischen Präsidenten bis 2040 an der Macht zu bleiben.
Trotz umfangreicher Reformen, die Mirziyoyev seit seinem Machtantritt 2016 eingeleitet hat, hat das Land massive Probleme mit der Pressefreiheit und anderen Menschenrechten. Dies zeigte sich insbesondere im Juli 2022, als Demonstrationen in der Autonomen Republik Karakalpakstan niedergeschlagen wurden. 21 Menschen verloren ihr Leben. Der Prozess wurde aber nicht Vertretern der Sicherheitskräfte, sondern Demonstrierenden gemacht.
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Nicht zuletzt deswegen forderte die usbekische Menschenrechtsaktivistin Umida Niyazova in einem Kommentar im Tagesspiegel, dass die Bundesregierung Mirziyoyevs Besuch nutzen solle, um darauf hinzuweisen, dass Handel nur bei gleichzeitiger Achtung der Menschenrechte möglich ist. Insbesondere das neue Lieferkettengesetz verpflichte Unternehmen, die Menschenrechte in ihrer Lieferkette zu achten.
Doch es gibt auch andere Stimmen. So sieht Tomasz Kurianowicz, Chefredakteur der Berliner Zeitung, vor allem Chancen im Besuch Mirziyoyevs. „Der Usbeke hat einiges auf der Habenseite vorzuweisen. Denn seit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine buhlt die ganze Welt um die Rohstoffe und die geopolitischen Einflusszonen in den zentralasiatischen Ländern. Die EU tut sich noch schwer damit, ihre Chancen wirklich zu ergreifen“, so Kurianowicz.
Tatsächlich hat sich mit Russlands Krieg gegen die Ukraine das Interesse an Zentralasien intensiviert. Die Wirtschaften der zentralasiatischen Länder sind aber stark mit Russland verflochten, nicht zuletzt aufgrund der Eurasischen Wirtschaftsunion und der hohen Anzahl an zentralasiatischen Arbeitsmigrant:innen. Darüber hinaus grenzen Usbekistan und Tadschikistan direkt an Afghanistan und sind daher seit der Machtübernahme der Taliban auch von sicherheitspolitischem Interesse. Zuletzt war Bundesaußenministerin Annalena Baerbock im Oktober nach Kasachstan und Usbekistan gereist, um für Deutschland als verlässlichen Partner zu werben.
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Eine Annäherung an Usbekistan ist angesichts der Lage in der Welt also eine Notwendigkeit. Die Legitimierung einer autoritären Wende durch das Verfassungsreferendum wenige Tage vor dem Berlin-Besuch machen den deutschen Balanceakt aber nicht einfacher. Dies ist wahrscheinlich auch der Grund, warum sich das Bundeskanzleramt zum Besuch des usbekischen Präsidenten verhältnismäßig bedeckt hält.
Robin Roth
Chefredakteur von Novastan
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