Kurz nachdem Taschkent mit dem Bau seines ersten Atomkraftwerks angefangen hat, werden zwei weitere Reaktoren auf dem selben Gelände ins Auge gefasst. So soll der Energiebedarf des Landes gedeckt werden. Wichtige ökologische und geopolitische Fragen bleiben allerdings offen.
Das erste Atomkraftwerk Usbekistans soll künftig nicht nur zwei sondern vier Reaktoren besitzen. Der Bau von zwei zusätzlichen Reaktoren wurde am 10. Juli 2019 durch Energieminister Alischer Sultanow in einem Interview mit dem usbekischen Medium Kun.uz angekündigt. “Der Standort des Kraftwerks ermöglicht den Bau von insgesamt vier Reaktoren”, erklärte er.
Die geplante Anlage soll vier Reaktoren des Typs VVEP-1200 der dritten Generation mit je einer Kapazität von 1200 Megawatt (MW) besitzen. Der erste Reaktor soll bis 2028 einsatzbereit sein, die Fertigstellung des zweiten wird gegen 2030 erwartet. Diesen beiden Blöcken sollen zwei zusätzliche Blöcke folgen.
Zuvor wurde ein Kooperationsvertrag zur zivilen Nutzung von nuklearer Energie zwischen Taschkent und Moskau unterzeichnet, der im April 2018 in Kraft getreten ist. Dieses Abkommen hat es der russischen Agentur für Atomenergie Rosatom erlaubt geologische Tests in der Region Farisch durchzuführen, unweit des Tuzkansees, wo das Kraftwerk gebaut werden soll. Dieser Vertrag mit einem Investitionsvolumen in Höhe von 13 Milliarden US-Dollar soll es Usbekistan erlauben, seine Energiesicherheit und Autonomie zu sichern.
Veraltete Infrastrukturen
Das Land verzeichnet eine konstant steigende Nachfrage nach Energie, die sich bis 2030 verdoppeln soll. Das jährliche Energiedefizit des Landes könnte so auf bis zu 48 Milliarden Kilowatt steigen. Unterschiedlichen Schätzungen zufolge könnte das neue Atomkraftwerk 14 bis 18 Prozent des nationalen Energiebedarfs decken.
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Trotz großer Uranvorkommen wurde Atomenergie in Usbekistan bisher nicht genutzt. Die Wirtschaft des zentralasiatischen Staates ist vor allem stark vom Gas abhängig, sowohl was den Eigenverbrauch angeht, als auch im Bezug auf seine Exporte. Taschkent versucht nun, verstärkt alternative Energiequellen auszubauen, wie zum Beispiel Solarenergie oder Kohlekraftwerke. Derzeit kann keine stabile Energieversorgung gewährleistet werden. Die Infrastruktur, und vor allem die Stromleitungen, sind in einem solch schlechten Zustand, dass es zu großen Energieverlusten kommt.
Offene Fragen zum Umweltschutz
Durch seine Lage am Ufer des Tuzkansees kann das Kraftwerk mit Kühlwasser versorgt werden. Allerdings gibt es Befürchtungen zu den Auswirkungen auf die Umwelt. Der Generaldirektor der neu gegründeten Atombehörde Uzatom Jurabek Mirzamahmudow, ging bereits auf die Bedenken der Bevölkerung ein, indem er erklärte, dass das Atomkraftwerk nicht mehr Wasser verbrauchen wird, als ein herkömmliches Kraftwerk. Darüber hinaus versicherte er, dass das Abwasser des Kraftwerks weder die Biodiversität des Sees noch den Tourismus in der Region negativ beeinflussen werde.
Außerdem beruft sich Uzatom darauf, dass ein baugleicher Reaktor bereits 2016 in Russland im Atomkraftwerk Nowoworonesch installiert wurde. In den letzten drei Jahren habe es russischen Angaben zufolge keinerlei Störfälle gegeben. Die von Rosatom benutzte Technologie sei darüber hinaus in Finnland zertifiziert worden.
Ein strategisches Abkommen für Russland
Obwohl nach offiziellen Angaben eine Reihe an internationalen Unternehmen für den Bau der Reaktoren in Betracht gezogen wurden, fiel die Wahl schnell auf das russische Staatsunternehmen Rosatom. Das amerikanische Unternehmen Westinghouse Electric wurde aufgrund von finanziellen Bedenken nicht mehr in Betracht gezogen. Außerdem ging man davon aus, dass die Genehmigung für den Bau zu viel Zeit in Anspruch nehmen würde. Chinesische und französische Unternehmen erschienen Uzatom entweder zu jung oder zu wenig erfahren, was die benötigten Technologien angeht. Schließlich hatten die Verspätungen beim Bau eines Atomkraftwerks in den Vereinigten Arabischen Emiraten dazu geführt, dass auch ein koreanischer Anbieter zugunsten des russischen Unternehmens ausgeschieden ist. Die Zusammenarbeit mit Rosatom habe darüber hinaus den Vorteil, dass es keine größeren sprachlichen Schwierigkeiten geben werde und der Bau aufgrund der engen Beziehungen zwischen Moskau und Taschkent schnell vorangetrieben werden könne.
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Usbekistan riskiert mit diesem Projekt allerdings auch, seine Abhängigkeit von Russland zu verstärken, das bereits jetzt nach China der zweitwichtigste Handelspartner des Landes ist. Der Bau des Kraftwerks soll etwa 8.000 Arbeitsplätze schaffen und der laufende Betrieb 2.000 Menschen beschäftigen. Rosatom soll darüber hinaus auch einen Teil der Versorgungsinfrastruktur finanzieren und die usbekischen Arbeitskräfte ausbilden. Für Taschkent bedeutet das auch massive Schulden bei dem russischen Staatsunternehmen.
Agathe Guy
Redakteurin bei Novastan
Aus dem Französischen übersetzt und ergänzt von Charlotte Dietrich
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