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Homophobe an der Macht – über die Situation von LGBT*IQ in Usbekistan

Internationale Menschenrechtsorganisationen haben Usbekistan aufgerufen, die Strafbarkeit von Homosexualität abzuschaffen. Der folgende Artikel erschien am 10. Dezember 2020 auf Fergana News. Wir übersetzen ihn mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.

Internationale Menschenrechtsorganisationen haben Usbekistan aufgerufen, die Strafbarkeit von Homosexualität abzuschaffen. Der folgende Artikel erschien am 10. Dezember 2020 auf Fergana News. Wir übersetzen ihn mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.

Zum internationalen Tag der Menschenrechte am 10. Dezember haben gleich mehrere Menschenrechts-NGOs die usbekische Führung dazu aufgerufen, homosexuelle Beziehungen zu entkriminalisieren. Eine entsprechende Pressemitteilung wurde auf der Seite der „Internationalen Partnerschaft für Menschenrechte“ (IPHR) veröffentlicht. Derzeit wird in Usbekistan an einem neuen Strafgesetzbuch gearbeitet und die Behörden sollten laut den VerfasserInnen der Mitteilung die Gelegenheit nutzen, um die Menschenrechtssituation zu verbessern.

Gemäß der aktuellen Gesetzgebung, namentlich Artikel 120 des Strafgesetzbuches, können in Usbekistan freiwillige sexuelle Handlungen zwischen erwachsenen Männern mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren bestraft werden. Diese rechtlichen Bestimmungen werden laut den MenschenrechtlerInnen angewandt, um die Freiheit, persönliche Sicherheit und Unantastbarkeit des Privatlebens zu unterdrücken.

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Als Unterzeichnerstaat des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (UN-Zivilpakt) hat sich Usbekistan verpflichtet, jedem Menschen unabhängig von „Rasse, Hautfarbe, Geschlecht, Sprache, Religion, politischen und anderen Überzeugungen, nationaler oder sozialer Herkunft, Eigentum, Stand oder anderen Bestimmungen“ die Möglichkeit einzuräumen, von seinen Rechten Gebrauch zu machen. In ihren abschließenden Bemerkungen forderten die beiden UN-Ausschüsse gegen Folter und für Menschenrechte im Januar beziehungsweise Mai 2020 Usbekistan auf, Artikel 120 des Strafgesetzbuchs abzuschaffen.

Die usbekischen Behörden ignorieren derartige Aufrufe jedoch mit beneidenswerter Beharrlichkeit. Als im Jahr 2013 in Genf der UN-Ausschuss für Menschenrechte empfahl, den Artikel abzuschaffen, sagte Usbekistans damaliger stellvertretender Innenminister Abdukarim Shodiev: „Das bestehende Gesetz spiegelt die tausendjährige Entwicklung Usbekistans wider. In diesem Fall respektieren wir die Position der muslimischen Länder.“  Im Jahr 2018 nahm Usbekistan die UN-Empfehlungen für Menschenrechte bezüglich LGBT*IQ (steht für lebisch, schwul, bisexuell, transgender, intersex, queer, Anm. d. Ü) nicht an, da sie mit Artikel 120 des Strafgesetzbuches ‚uneins‘ seien.

Leben in Angst

Die MenschenrechtlerInnen verweisen in ihrer Mitteilung auf die Worte der Mutter eines jungen Homosexuellen, die bekennt, dass sie „in Panik“ war, als sie von der Orientierung ihres Sohnes erfuhr. „Ich habe ihn zu Imamen und Psychologen gezerrt, habe versucht, ihn zu ‚heilen‘. Aber tatsächlich habe ich nur Leiden verursacht und sein Leben verdorben. Jetzt verstehe ich, dass Homosexualität keine Krankheit ist. Er ist so ein schöner, kluger und friedfertiger Mensch. Er liebt halt nur Menschen seines Geschlechts. Das ist alles! Aber viele wollen ihn deswegen töten, verbrennen, steinigen. Solange Artikel 120 existiert, können mein Sohn und andere LGBT-Personen nicht in Ruhe leben und glücklich sein. Ich denke, dass eine Abschaffung des Artikel 120 für alle am besten wäre“, hebt die Frau hervor.

Der junge Mann wurde nach Artikel 120 verurteilt und später freigelassen. Er sagt, dass er nicht wisse, wie er mit dem Trauma leben soll, das durch tägliche Schläge, Hass und Verachtung verursacht wurde. In Untersuchungshaft sei er regelmäßig von anderen Gefangenen missbraucht worden, ohne dass das Gefängnispersonal dem Beachtung geschenkt hätte. Gemäß seinen Worten waren die Tage in Untersuchungshaft „die schrecklichsten und abscheulichsten in meinem Leben“. Er bestätigte auch, dass in einem Gefängnis das Personal ihn verprügelte und versucht habe, ihn mit einem Schlagstock zu vergewaltigen.

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Artikel 120 stellt eine ständige Bedrohung für homosexuelle und bisexuelle Männer dar und verhindert, dass sie sich über Gewalt und Diskriminierung, denen sie in der Gesellschaft ausgesetzt sind, an staatliche Stellen wenden, da sie ein Bekanntwerden ihrer sexuellen Orientierung fürchten. Gruppen, die sich für die Rechte der LGBT*IQ-Gemeinschaft einsetzen, können ihre Tätigkeit in Usbekistan nicht sicher ausüben, während die Behörden alle Versuche unterdrücken, auf Menschenrechtsverletzungen gegenüber LGBT*IQ aufmerksam zu machen.

Ein Homosexueller aus Usbekistan erklärt anonym: „Artikel 120 räumt das Recht ein, ungestraft Menschen nicht-traditioneller sexueller oder Gender-Orientierung zu misshandeln oder zu diskriminieren. Er schafft auch einen perfekten Nährboden für Korruption. Solange Artikel 120 existiert, wird die Einschüchterung niemals enden und Homophobe werden die Macht über uns haben.“

Demütigungen und Erpressungen

Die Strafverfolgungsbehörden erheben nicht gegen alle homosexuellen und bisexuellen Männer, die sie aufspüren, Anklage. Aber oft drohen PolizistInnen mit Gefängnis oder der Offenlegung der sexuellen Orientierung, um Geld zu erpressen. Die Polizei zwingt auch LGBT*IQ zur Zusammenarbeit bei der Suche nach wohlhabenderen Homo- oder Bisexuellen. So glauben viele LGBT*IQ in Usbekistan, dass sie keine andere Wahl haben, als ein Doppelleben zu führen. Laut Angaben von MenschenrechtlerInnen müssen sie einen hohen Preis zahlen, wenn EhepartnerInnen, Eltern, andere Verwandte oder Nachbarn über ihre sexuelle Orientierung oder Gender-Identität erfahren.

Homophobe Gruppen greifen oft LGBT*IQ an, setzen sie körperlicher Gewalt und Erpressung aus. Im Internet verbreiten homophobe AktivistInnen Namen und Kontaktdaten von homo- und bisexuellen Männern sowie von denjenigen, die sie für solche halten. Sie rufen zu ihrer „Bestrafung“ und Ermordung auf. Es gibt Videoaufnahmen davon, wie LGBT*IQ verprügelt werden, sowie verlässliche Informationen darüber, dass in den vergangenen Jahren mehrere Homosexuelle von homophoben Gruppen getötet oder schwer verletzt wurden.

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Darüber hinaus ist bekannt, dass die Strafverfolgungsbehörden die Angst vor dem Etikett ‚homosexuell‘ ausnutzen, da dieser Vorwurf in der usbekischen Gesellschaft als äußerst beschämend wahrgenommen wird. Sie drohen nicht nur Homo- und Bisexuellen mit Freiheitsentzug nach Artikel 120, sondern auch Heterosexuellen und frommen Muslimen. Den NGOs, die diese Erklärung gemeinsam erstellt haben, liegen Informationen über etliche Fälle von Erpressung vor. Um Vorwürfe nach Artikel 120 zu vermeiden, erhielten VertreterInnen der Strafverfolgungsbehörden große Mengen an Geld sowie falsche Geständnisse – unter anderem für solch schwere Vergehen wie ‚Terrorismus‘ oder ‚Versuche, die Verfassungsordnung zu stürzen‘.

Männer, die homosexueller Handlungen beschuldigt werden, haben den niedrigsten Status in der informellen, aber fest etablierten Gefängnishierarchie. Sie werden regelmäßig von Wärtern und Mitgefangenen als ‚Sklaven‘ gehalten und müssen zum Beispiel mit bloßen Händen dreckige Toiletten reinigen.

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Die usbekischen Behörden haben wiederholt erklärt, dass Homosexualität dem Islam, den traditionellen Werten und kulturellen Normen widerspreche und das die Gesellschaft nicht für eine Abschaffung des Artikel 120 bereit sei. Dies ist jedoch kein zwingender Grund, an der Verletzung von Menschenrechten festzuhalten. Zu den Ländern mit muslimischer Mehrheit, in denen Homosexualität legalisiert wurde, zählen die Nachbarländer Kasachstan, Kirgistan und Tadschikistan, aber auch Aserbaidschan und die Türkei. Unter den Ländern des postsowjetischen Raums sind Usbekistan und Turkmenistan die einzigen, die gleichgeschlechtliche Beziehungen per Gesetz verbieten.

Die Erklärung für die Abschaffung des Artikel 120 in Usbekistan wird von folgenden Organisationen untersützt: Internationale Partnerschaft für Menschenrechte (IPHR), Association for Human Rights in Central Asia (AHRCA), Amnesty International, Freedom House, das norwegische Helsinki-Kommittee, Civil Rights Defenders, Freedom Now, Das Antidiskriminierungszentrum Memorial und die Eurasische Koalition für Gesundheit, Rechte, Geschlecht und sexuelle Vielfalt (ECOM).

Fergana News

Aus dem Russischen von Robin Roth

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