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Ein Jahr nach dem Bruch des Sardoba-Damms: Erinnerungen, Veränderungen und Konsequenzen

Ein Jahr ist seit dem „Dammbruch des Jahrhunderts“ am Sardoba-Stausee vergangen. Ein Reporter der usbekischen Onlinezeitung Kun.uz hat die Region Sardoba besucht und mit den Menschen vor Ort über die Erinnerungen an jenen Tag sowie über die Folgen der Flut gesprochen. Wir übersetzen den Artikel vom 2. Mai 2021 mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.

Kun.uz 

Ein Jahr ist seit dem „Dammbruch des Jahrhunderts“ am Sardoba-Stausee vergangen. Ein Reporter der usbekischen Onlinezeitung Kun.uz hat die Region Sardoba besucht und mit den Menschen vor Ort über die Erinnerungen an jenen Tag sowie über die Folgen der Flut gesprochen. Wir übersetzen den Artikel vom 2. Mai 2021 mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.

Heute wird mit Hilfe von Arbeitern und schwerer Technik der Wiederaufbau des erodierten Teils des Staudamms fortgesetzt. Die Menschen in Sardoba erinnern sich immer noch mit einem Schauder an den Morgen dieses unglücklichen Tages.

„Wir stehen jeden Tag um 5 Uhr auf. Am Tag des Dammbruchs stand ich auch früh auf und ging im Hof herum. Plötzlich klopfte es sehr stark am Tor. Sie klopften so heftig, dass ich schimpfen wollte, wer auch immer es war. Ich ging zum Tor und öffnete es und da war der Junge eines Nachbarn. Er sagte: Opa, das Wasser kommt, der Stausee läuft über.

Der Junge weinte fast, es fiel ihm schwer zu sprechen. Zu dieser Zeit schliefen die Kinder zu Hause. Ich weckte sie schnell auf. Sie schnappten sich alles, was zur Hand war, und rannten auf die Straße. Meine Frau und ich haben es sogar geschafft, unsere Pässe mitzunehmen. Wir gingen auf die Straße. Alle waren dort, die von der Flut erfahren hatten. Alle stiegen in ihre Autos. Manch einer fuhr mit einem Esel-Karren, manch einer ging zu Fuß.

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Wir legten 12-13 Kilometer zurück und erreichten die Sowchose Nr. 7. Dort versammelten sich viele. Und von dort gingen sie in alle Richtungen. Wir sind zu unseren Söhnen gegangen, die im Bezirk Pahtakor in der Region Jizzax leben“, erinnert sich ein Bürger namens Bahtiyor Narimonov.

Er fügt hinzu, dass er sich nicht gerne an diesen Tag erinnere. Wenn Kinder und Enkel ein Video der Flut zeigen, will er es nicht einmal sehen. „Es war ein schwerer Schlag für uns“, sagt er.

Die Wunden der Hinterbliebenen

Der von 2010 bis 2017 errichtete Staudamm bracht nur drei Jahre nach seiner Eröffnung. Drei Bezirke der Region waren davon betroffen. Gebäude, Straßen und Kommunikationsinfrastruktur wurden zerstört. Mehr als 60.000 Menschen wurden aus 22 Dörfern in den drei Bezirken evakuiert. Mehr als 6.000 Nutztiere starben.

Während der Katastrophe von Sardoba wurden zwei Frauen und vier Männer getötet, ein Bürger wird nach wie vor vermisst. Einer der Toten ist der Sergeant der Nationalgarde Husniddin Suyarov. Er wurde vom Wasser mitgerissen, als er andere Menschen evakuierte.

Husniddins Vater Zokir Suyarov erinnert sich an den letzten Tag, als er seinen Sohn sah. „Letztes Jahr verbreitete sich das Coronavirus zu diesem Zeitpunkt. Es galt Quarantäne, jeder war zu Hause. Mein Sohn war eine Woche vor diesen Ereignissen mit dem Taxi nach Hause gekommen. Es war Ramadan, wir gingen zusammen auf den Markt. Wir haben zu Hause ungefähr eine Stunde lang geredet. Dann verabschiedete er sich und ging. Dies war das letzte Mal, dass ich ihn gesehen habe “, sagt der Vater. Ihm zufolge war Husniddin ein offener, fröhlicher Mensch. Er wollte die Leute nicht enttäuschen.

Wiederaufbau

Diese von Menschen verursachte Katastrophe störte den Frieden der Menschen nicht nur in Usbekistan, sondern auch im benachbarten Kasachstan. Mehr als 31.000 KasachstanerInnen mussten ihre Häuser verlassen.

Im vergangenen Jahr hat sich das Erscheinungsbild der infolge des Dammbruchs überfluteten Dörfer grundlegend geändert. Die Menschen zogen in neue Häuser, die als Entschädigung gebaut wurden. „Wir haben uns bereits an die neuen Häuser gewöhnt“, sagt ein Mann namens Anvar. Er bedankte sich auch dafür, dass die UsbekInnen und EinwohnerInnen anderer Staaten Lebensmitteln und Kleidung geschickt als Unterstützung geschickt haben. „Jetzt tragen wir immer noch diese Kleidung“, sagt unser Gesprächspartner.

Vor der Flut litten die Bewohner der Region unter einem Mangel an Erdgas und an Stromausfällen. Heute existiert dieses Problem nicht mehr. Die Region verfügt über eine gute Infrastruktur. „Wir sind mit allen Bedingungen zufrieden. Vielen Dank an den Präsidenten und die Regierung. Zusätzlich zu den Häusern erhielten wir jeweils weitere 40 Millionen Sum [circa 3120 Euro, Anm. d. Ü.] “, sagte ein anderer Bürger namens Alikuzi.

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Aber es gibt noch ein anderes Problem: Arbeitslosigkeit. „Wenn es Industrieunternehmen in der Nähe gäbe, würde jeder arbeiten“, sagen die BürgerInnen, die in einem der mehrstöckigen Gebäude leben.

Die Schulen wurden renoviert und die Kinder haben wieder Unterricht. „Nach der Flut wurde unsere Schule renoviert. Das Innere der Schule ist im Winter warm und in der Hitze kühl. Früher gab es in der Schule kein Gas und kein Wasser, aber jetzt wird sie versorgt“, sagt Gafur Abdurahimov, Direktor der Schule Nr. 20.

Arbeitslosigkeit ist nicht das einzige Problem der Flutopfer. Wo das Wasser war, keimen nach Angaben der lokalen Bevölkerung die Pflanzen infolge der Versalzung der ausgewaschenen Böden nicht mehr. „Unser Dorf wurde überflutet. In anderen Dörfern ist bereits grünes Gras aufgetaucht, aber auf unserem Land wächst nichts. Ich glaube, dass das Wasser die fruchtbare Schicht der Erde weggespült hat. Wir hatten Obstbäume in unserem Garten – Aprikosen, Pfirsiche, und jetzt ist alles trocken“, klagt ein Anwohner namens Kural.

Wer ist schuld?

Im In- und Ausland gibt es unterschiedliche Meinungen, wer an den Sardoba-Ereignissen die Schuld trägt. Präsident Shavkat Mirziyoyev sagte, dass alles getan werden muss, um die eine gute Lösung für die Betroffenen zu finden. „Ich versichere: Alle Täter, wer auch immer sie sind und welche Position sie auch innehaben, werden am Ende der Untersuchung vor dem Gesetz zur Rechenschaft gezogen“, erklärte Usbekistans Staatsoberhaupt.

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Derzeit findet vor dem Obersten Gerichtshof für Strafsachen ein Gerichtsverfahren zu den Folgen der Sardoba-Flut statt. 17 Personen stehen vor Gericht. Der Fall wird in einer geschlossenen Gerichtssitzung verhandelt, da er „in direktem Zusammenhang mit Staatsgeheimnissen steht“. Wie dem auch sei, für viele Menschen wird die Sardoba-Katastrophe ein unvergessliches Ereignis sein, und die durch die Flut verursachten Wunden werden nicht bald heilen.

Die Fotos zu der Reportage findet ihr aus bildrechtlichen Gründen im Originalartikel.

Ilyas Safarov für Kun.uz

Aus dem Russischen von Robin Roth

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