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Die Verurteilung und Freilassung des tadschikischen Journalisten Chairullo Mirsaidow sowie die internationalen Reaktionen

Nach der Verurteilung des Schauspielers und Journalisten Chairullo Mirsaidow zu zwölf Jahren Haft forderten Reporter ohne Grenzen und die tadschikische Vereinigung NANSMIT seine sofortige Freilassung und eine Revision des Berufungsverfahrens. Nun ist Mirsaidow wieder in Freiheit.

Das Gericht im nordtadschikischen Chudschand verurteilte den tadschikischen Schauspieler und Journalisten Chairullo Mirsaidow am 11. Juli 2018 zu zwölf Jahren Gefängnis. Büro des Generalstaatsanwalts der Republik Tadschikistan

Nach der Verurteilung des Schauspielers und Journalisten Chairullo Mirsaidow zu zwölf Jahren Haft forderten Reporter ohne Grenzen und die tadschikische Vereinigung NANSMIT seine sofortige Freilassung und eine Revision des Berufungsverfahrens. Nun ist Mirsaidow wieder in Freiheit.

Sein Kampf gegen die Korruption schien sich gegen ihn gewandt zu haben. Chairullo Mirsaidow wurde am 11. Juli vom Gericht in Chudschand im Norden Tadschikistans wegen „Veruntreuung öffentlicher Gelder“, „Dokumentenfälschung“ und „verleumderischer Denunziation“ zu zwölf Jahren Gefängnis verurteilt. Am 16. Juli forderten Reporter ohne Grenzen und der Nationale Verband unabhängiger Medien Tadschikistans (NANSMIT) seine sofortige Freilassung.

Aus Sicht der tadschikischen Behörden hat Chairullo Mirsaidow öffentliche Gelder in Höhe von etwa 13 500 Dollar (ca. 11 000 Euro) veruntreut, die der tadschikische Staat der unter Mirsaidows Leitung stehenden Schauspielgruppe gewährt hat.

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Der Journalist und Schauspieler, von dem bekannt ist, dass er der tadschikischen Regierung kritisch gegenübersteht, wurde am 5. Dezember 2017 verhaftet, wenige Wochen nach Veröffentlichung eines offenen Briefes an Präsident Emomali Rahmon, in dem er die Korruption hochrangiger Beamter der Region Sughd, im Norden des Landes verurteilte. Insbesondere erklärte er, dass Olim Sohidsoda, damaliger Leiter des Jugend- und Sportbüros der Region Sughd, Schmiergeld in Höhe von 1 000 Dollar erhalten habe.

Seine Klage bei den zuständigen Behörden, einschließlich des Staatsanwalts Churtsched Chudoersoda erhielten weder Antwort noch Unterstützung. Olim Sohidsoda wurde vergangenen Februar seines Amtes enthoben.

Viel zu hartes Urteil

Die Verurteilung des Journalisten zu zwölf Jahren Haft hat nicht nur die Journalistenverbände und Menschenrechtsorganisationen mobilisiert, sondern wurde auch in den Vereinigten Staaten sowie in der Europäischen Union thematisiert. So verurteilte Human Rights Watch (HRW) die Härte des Urteils und die damit verbundene Gefahr für den Schutz der Pressefreiheit in Zentralasien. „Die Verurteilung und die drakonische Strafe untergraben die Meinungsfreiheit und den Beruf des Journalisten in Tadschikistan“, sagte Steve Swerdlow, Zentralasienexperte für HRW. Die Menschenrechtsvereinigung forderte die USA, die europäischen Staaten und Tadschikistans Partner auf, Druck auf die tadschikische Regierung auszuüben, um das Urteil zu revidieren.

In einer gemeinsamen Erklärung brachten die Botschafter des Vereinigten Königreichs, Deutschlands, Frankreichs und der Vereinigten Staaten sowie die Delegation der Republik Tadschikistan in der Europäischen Union ihre Besorgnis über das Ergebnis dieses Prozesses zum Ausdruck. Die Härte des Urteils sei „unvereinbar mit der Tat, derer er beschuldigt wurde“.

Die Anwälte von Chairullo Mirsaidow, Dialfrus Samadowa und Bachtior Nasrullojew, gaben bekannt, dass der Verurteilte Berufung gegen das Urteil einlegen werde.

Prozess mit politischer Dimension

Nach Ansicht der Journalistenverbände besteht der Zweck solcher Urteile darin, mögliche Denunzianten zum Schweigen zu bringen, statt die tatsächliche Veruntreuung von Geldern zu unterdrücken. Sie befürchten, dass dieses Urteil ein weiterer Präzedenzfall im Vorgehen gegen Journalisten in Tadschikistan sein könne.

„Dieses Urteil vernichtet jede Hoffnung auf den Erfolg des Kampfes gegen Korruption: Niemand wird es wagen, solche Taten anzuprangern“, befürchtet Nuriddin Kartschibojew, Präsident von NANSMIT.

Harlem Désir, Beauftragter für freie Meinungsäußerung bei der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), forderte die tadschikischen Behörden dazu auf, Journalisten in ihrem Land zu garantieren, keine Repressalien für ihre Arbeit zu erleiden.

Überraschende Freilassung

Die Generalstaatsanwaltschaft der Republik Tadschikistan reagierte durch ihr Pressezentrum schnell auf die Kritik an dem Urteil. Eine am 13. Juli veröffentlichte Erklärung nennt noch einmal die Fakten und verurteilt die angeblich übertriebene Medienaufmerksamkeit, die dem Prozess und seinem Urteil gewidmet wird. „Die Diskussion und die Kritik am Gerichts durch die Medien können als Widerspruch gegen die Gerechtigkeit interpretiert werden und gehen über die journalistische Ethik hinaus“, sagte der Generalstaatsanwalt. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft wurde kein Hinweis auf die politischen Aktivitäten von Chairullo Mairsaidow in die Ermittlungsakte aufgenommen.

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Umso überraschender kam die Nachricht von Mirsaidows Freilassung am 22. August. Seine Haftstrafe wurde in eine Geldstrafe von etwa 80 000 Somoni (etwa 7 340 Euro) und eine Pflicht zur „Strafvollzugsarbeit“ umgewandelt. Diese Verpflichtung bedeutet, dass Chairullo Mirsaidow dort arbeiten kann, wo er es wünscht, aber dass 20 Prozent seines Gehalts nach Artikel 346 des tadschikischen Strafgesetzbuches für zwei Jahre an den Staat zurückerstattet werden. Diese Revision fand hinter verschlossenen Türen statt: nur Mirsaidows Anwälte wurden im Saal zugelassen.

Amnesty International sprach in einer Reaktion von „einem seltenen Sieg der Meinungsfreiheit“ und Johann Bihr, Leiter des Osteuropa- und Zentralasienbüros von Reporter ohne Grenzen drückte seine „Erleichterung Chairullo Mirsaidow in Freiheit zu wissen“ aus. Dennoch ist die Lage der Meinungs- und Pressefreiheit in Tadschikistan prekär. Das ärmste Land in Zentralasien rangiert im World Press Freedom Index 2018 von Reporter ohne Grenzen auf Rang 149 von 180 und belegt Platz 161 im Corruption Perceptions Index 2017 von Transparency International. Zwanzig Journalisten mussten zwischen 2016 und 2018 aus Tadschikistan fliehen, da sie Gerichtsverfahren aufgrund der Ausübung ihres Berufes fürchteten.

Tiphaine Gaudin, Redakteurin für Novastan

Aus dem Französischen von Elisabeth Rudolph mit Ergänzungen der Redaktion

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