Mehr als ein Jahr nach dem militärischen Konflikt an der kirgisisch-tadschikischen Grenze haben sich Soldaten beider Länder auf kirgisischem Boden getroffen, um an Übungen der Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit (OVKS) teilzunehmen. Die Übungen fanden nur wenige Tage nach der Unterzeichnung eines Protokolls zur Lösung der wichtigsten territorialen Fragen zwischen Tadschikistan und Kirgistan statt. Topograf:innen sind weiterhin damit beschäftigt, die umstrittenen Grenzabschnitte festzulegen.
Vom 9. bis 13. Oktober haben im Trainingszentrum „Edelweiß“ in Kirgistan Übungen der Friedenstruppen der Mitgliedstaaten der Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit (OVKS) unter dem bewusst gewählten Namen „Unzerstörbare Bruderschaft 2023“ stattgefunden. Laut einer Pressemitteilung der OVKS nahmen rund 1.500 Soldaten aus Belarus, Russland, Kasachstan, Tadschikistan und Kirgistan an der gemeinsamen Schulung teil, um ihre Verteidigungsstrategien auf den neuesten Stand zu bringen.
Die Übungen fanden nur wenige Tage nach der Unterzeichnung des Protokolls 44 durch Kirgistan und Tadschikistan am 2. Oktober statt, wie Radio Ozodi berichtete. Diese Absichtserklärung soll den Konflikt zwischen den beiden Ländern beenden, der in den letzten Jahren immer wieder zu Spannungen aufgrund von unterschiedlichen Gebietsansprüchen entlang der 972 Kilometer langen gemeinsamen Grenze geführt hat.
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Als vereinsgetragene, unabhängige Plattform lebt Novastan vom Enthusiasmus seiner ehrenamtlichen Mitarbeiter:innen – und von eurer Unterstützung!Tatsächlich kann die Präsenz tadschikischer Soldaten in Kirgistan zehn Tage nach dem Treffen zwischen dem Vorsitzenden des tadschikischen Staatskomitees für nationale Sicherheit, Sajmumin Jatimow, und seinem kirgistanischen Amtskollegen Kamtschybek Taschiew als Schritt zur Normalisierung der Beziehungen zwischen den beiden Ländern interpretiert werden. Diese waren seit dem Grenzkonflikt im Jahr 2022, bei dem rund 100 Menschen ums Leben kamen, stark abgekühlt.
Übungen zunächst in Armenien geplant
Der seit 2002 bestehenden OVKS gehören Armenien, Russland, Belarus, Kasachstan, Tadschikistan und Kirgistan an. Ziel der Organisation ist es, die gemeinsame Sicherheit der Mitgliedsländer, die militärische Zusammenarbeit und die Unterstützung des Friedens in der Region zu gewährleisten. OVKS-Truppen wurden bereits in Kasachstan eingesetzt, um gegen die Unruhen und Demonstrationen vorzugehen, die das Land im Januar 2022 erschütterten.
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Die Übungen sollten ursprünglich in Armenien stattfinden, wurden aber Anfang des Jahres von armenischer Seite aus Protest gegen die Untätigkeit der OVKS angesichts der „Provokationen“ Aserbaidschans abgesagt. Der Austragungsort wurde nach Kirgistan verlegt, das wegen des Grenzkonflikts an den Übungen 2022 in Tadschikistan nicht teilgenommen hatte.
Zu Beginn des Manövers wurden die Friedenssoldaten des tadschikischen Kontingents mit einer feierlichen Zeremonie begrüßt, bei der sie Brot und Salz erhielten – eine Tradition, um Gastfreundschaft zu zeigen.
Der Ablauf der OVKS-Übungen
„Die Hauptziele der Übungen waren die Verbesserung der praktischen Fähigkeiten der Regierungsbeamten und des Personals der OVKS-Friedenstruppen sowie die Erhöhung der Kohärenz der militärischen Einheiten und Untereinheiten bei der Durchführung von Aufgaben während einer friedenserhaltenden Operation im Gebiet der kollektiven Sicherheit Zentralasiens“, heißt es auf der Webseite der OVKS.
An den Übungen nahmen mehr als 200 Einheiten von Militär- und Spezialtechnik teil, dazu Hubschrauber, Flugzeuge, Drohnen und Kampfschiffe.
Das Protokoll 44
Das Protokoll 44 wurde von den Leitern der Nationalen Sicherheitskomitees Tadschikistans und Kirgistans im Anschluss an ein binationales Treffen in Batken im Süden Kirgistans unterzeichnet. Dabei hätten sie „ihr volles gegenseitiges Verständnis für die Notwendigkeit einer weiteren Intensivierung der Beschreibung des Grenzübergangsprojekts zwischen Kirgistan und Tadschikistan zum Ausdruck gebracht“, heißt es in einer offiziellen Mitteilung der kirgistanischen Regierung, die von Kaktus wiedergegeben wird.
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Der Inhalt des Dokuments wurde noch nicht bekannt gegeben. Beide Länder hätten sich jedoch darauf geeinigt, „die Grundlagen für die Lösung aller Grenzprobleme zu schaffen“, so Taschijew, wie Radio Ozodi berichtet. Jatimow erklärte, dass „Konflikte immer weniger [wichtig] sind als [historische Bindungen]. Deshalb haben wir Protokoll 44 unterzeichnet […] Wir werden es schnell und konstruktiv umsetzen, Schritt für Schritt, mit dem Ziel, so bald wie möglich ein umfassendes und grundlegendes Abkommen zu erreichen.“
Diesen Absichten folgten Taten. Wie Kaktus berichtet, einigten sich die topografischen Arbeitsgruppen beider Länder am 12. Oktober über den Verlauf von 13,98 Kilometer der gemeinsamen Grenze.
Bereits seit 2002 verhandeln Sonderkommissionen über die umstrittenen Gebiete, erinnert Radio Ozodi. Die beiden Länder hätten sich bisher auf 664 Kilometer einigen können.
Indira Ramírez, Redakteurin für Novastan
Aus dem Französischen von Michèle Häfliger
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