Startseite      Riskante Zusammenarbeit mit China

Riskante Zusammenarbeit mit China

Der jüngste Gipfel der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) zeigte, wie selbstbewusst China seine globalen Ambitionen präsentiert und wie stark die zentralasiatischen Staaten inzwischen in Pekings Einfluss orbitieren. Doch das chinesische Modell der Zusammenarbeit erzeugt Misstrauen: wirtschaftlich, politisch und gesellschaftlich.

Xi Jinping und die Staatspräsidenten der fünf zentralasiatischen Länder. Foto: commons.wikimedia.org

Der jüngste Gipfel der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) zeigte, wie selbstbewusst China seine globalen Ambitionen präsentiert und wie stark die zentralasiatischen Staaten inzwischen in Pekings Einfluss orbitieren. Doch das chinesische Modell der Zusammenarbeit erzeugt Misstrauen: wirtschaftlich, politisch und gesellschaftlich.

Xi Jinpings neue Ordnungsvorstellungen

Beim Gipfel der SOZ stellte Chinas Staatspräsident Xi Jinping seine Global Governance Initiative vor. Unterstützt von Russlands Präsident Wladimir Putin zielt sie laut Expert:innen darauf ab, internationale Institutionen schrittweise nach chinesischen Vorstellungen umzubauen. Beobachter:innen sehen die SOZ längst auf dem Weg von symbolischen Erklärungen hin zu festen Strukturen, darunter ein geplantes Sicherheitszentrum in Taschkent und ein Anti-Drogen-Zentrum in Duschanbe.

Im Westen löste Xis Vorstoß Sorge aus: Manche fürchten, er könne ein Versuch sein, die Vereinten Nationen (VN) zu verdrängen. China und Russland weisen diesen Vorwurf zurück. Dennoch rückt angesichts aktueller Entwicklungen, etwa der Kooperationsbereitschaft Indiens, eine Weltordnung, in der die Volksrepublik China das politische Zentrum bildet, deutlich näher.

Ein koloniales Erbe in neuer Form

In den 1990er Jahren galt Russland als wichtigster politischer und wirtschaftlicher Partner Zentralasiens, während die Staaten der Region weiterhin stark in sowjetischen Denkmustern und Abhängigkeiten eingebunden waren. Mit dem wirtschaftlichen Aufstieg Chinas änderte sich dieses Kräfteverhältnis. Bereits 2004 erklärten chinesische Expert:innen offen, dass Pekings Strategie darauf abziele, die SOZ zu nutzen, um die Ressourcen Zentralasiens zu erschließen.

Lest auch auf Novastan: Zweiter China – Zentralasien – Gipfel: Ein Reigen an Handelsabkommen

Dieses Denken folgte klar kolonialen Mustern, die China nach den Krisen des 20. Jahrhunderts übernahm, um den eigenen Aufstieg zu beschleunigen. Zwischen den Jahren 2000 und 2010 verkauften die zentralasiatischen Staaten verstärkt Rohstoffe und Infrastruktur an China und nahmen umfangreiche Kredite auf. Kurzfristig brachte das finanzielle Vorteile, langfristig wuchs jedoch die Angst vor politischer Abhängigkeit und dem Verlust von Souveränität.

Wachsende Sinophobie

Trotz wirtschaftlicher Projekte nahm in Kasachstan und Kirgistan die Sinophobie deutlich zu. Viele Menschen störten sich daran, dass chinesische Firmen häufig eigenes Personal mitbrachten und Einheimische nur untergeordnet beschäftigten. Die hierarchischen Strukturen chinesischer Unternehmen wurden oft als herablassend empfunden.

Gleichzeitig sorgten Berichte über Diskriminierung muslimischer Minderheiten in China für zusätzliche Empörung. Auch historische Erfahrungen mit Grenzstreitigkeiten oder alten Konflikten verstärkten das Misstrauen. Zwischen 2016 und 2020 kam es in Kasachstan immer wieder zu Protesten gegen Joint Ventures mit China.

Lest auch auf Novastan: Neue Seidenstraße, Taiwan, Eisenbahn: Sadyr Dschaparow auf offiziellem Besuch in China

Besonders im Gedächtnis blieb eine Aussage des chinesischen Botschafters Zhang Hanhui aus dem Jahr 2016. Er kritisierte die verschärften Visa-Bestimmungen Kasachstans als „sehr unhöflich“ und erklärte, das Land müsse wissen, mit wem man es zu tun habe.Dieser Satz wurde als Ausdruck chinesischer Überheblichkeit empfunden.

Hierarchie als kulturelles Prinzip

Die Spannungen haben auch kulturelle Ursachen. In der chinesischen Gesellschaft spielt Hierarchie eine zentrale Rolle, geprägt von konfuzianischen Vorstellungen von Xiao, der Ehrerbietung. Beziehungen gelten traditionell nicht als gleichberechtigt: Ältere stehen über Jüngeren, Vorgesetzte über Untergebenen. Ähnliche Denkweisen fanden sich in den Arbeitsbeziehungen zwischen chinesischen Firmen und lokalen Beschäftigten in Zentralasien wieder.

Lest auch auf Novastan: Gemeinsam gegen den Westen – Warum China und Russland in Zentralasien nicht konkurrieren

Das Prinzip der Fürsorge, das im konfuzianischen Modell eigentlich auch eine Verantwortung der Vorgesetzten einschließt, wurde von vielen Chines:innen allerdings nicht selbstverständlich auf ausländische Partner:innen übertragen. Viele Einheimische fühlten sich daher nicht nur benachteiligt, sondern grundsätzlich geringer geschätzt.

Historisch gewachsenes Misstrauen

Hinzu kommt ein historisch belastetes Verhältnis zwischen der Han-Mehrheit in China und muslimischen Bevölkerungsgruppen. Religiöse Regeln, wie der Verzicht auf Schweinefleisch oder Alkohol und die Ablehnung der Darstellung von Menschen und Tieren, galten vielen Chines:innen traditionell als fremd oder unverständlich.

Lest auch auf Novastan: Wie China seinen kulturellen Einfluss in Zentralasien verstärkt

Der Erfolg muslimischer Händler im Mittleralter nährte Misstrauen in der damaligen chinesischen Gesellschaft. Diese Haltung übertrugen viele im Alltag auch auf die islamisch geprägten Gesellschaften Zentralasiens. Immer wieder berichteten Einheimische von herablassendem Verhalten, das wiederum die sozialen Spannungen verstärkte.

Grenzen, Land und die Angst vor Verlusten

Grenzfragen, die nach dem Zerfall der Sowjetunion neu ausgehandelt werden mussten, spielten ebenfalls eine Rolle. Während Kasachstan, Kirgistan und Tadschikistan bis 1999 alle strittigen Abschnitte vertraglich regelten, mussten sie jeweils Teile ihres Territoriums an China abtreten. Obwohl diese Vereinbarungen formal abgeschlossen wurden, blieb Unbehagen bestehen.

Lest auch auf Novastan: China profitiert in Zentralasien von der Isolation Russlands

In Kasachstan führten 2016 geplante Änderungen im Bodenrecht zu massiven Protesten. Die Bevölkerung befürchtete, dass China große Agrarflächen langfristig kontrollieren könnte. Die Regierung reagierte schließlich mit einem Moratorium und einem generellen Verbot, Land an Ausländer:innen zu verkaufen.

Soft Power als stille Gefahr

China setzt heute weniger auf direkte Einflussnahme, sondern auf Soft Power durch Bildungsprogramme, Sprachzentren, Stipendien und Medienkooperationen. Es gibt Menschen in Zentralasien, die diese Form der Einflussnahme jedoch skeptisch sehen. Denn sie wirkt leise, unauffällig und ist schwer zu erkennen. Genau das macht sie aus ihrer Sicht gefährlich. Die zentrale Frage lautet schließlich, ob einer Macht vertraut werden kann, deren Einfluss gerade dann greift, wenn er am wenigsten sichtbar ist.

Aleksej Winokurow für Fergana.News

Aus dem Russischen von der Redaktion

Kommentare

Your comment will be revised by the site if needed.