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Kasachstan: Januar-Ereignisse drängen Nursultan Nazarbaev an den Rand

Nach den Januar-Ereignissen in Kasachstan haben der ehemalige Präsident Nursultan Nazarbaev und seine Angehörigen an Machtbefugnissen verloren. Während der „Erste Präsident“ an den Rand gedrängt wird, geht sein Amtsnachfolger Qasym-Jomart Toqaev als Gewinner der Krise hervor.

Nach den Januar-Ereignissen in Kasachstan haben der ehemalige Präsident Nursultan Nazarbaev und seine Angehörigen an Machtbefugnissen verloren. Während der „Erste Präsident“ an den Rand gedrängt wird, geht sein Amtsnachfolger Qasym-Jomart Toqaev als Gewinner der Krise hervor.

In Kasachstan verliert der ehemalige Präsident Nursultan Nazarbaev weiterhin seine Einflussmöglichkeiten auf die Institutionen, die er bei seinem Ausscheiden aus dem Präsidialamt im März 2019 behalten hatte. Wie das kasachstanische Nachrichtenportal Tengrinews berichtete, billigte Präsident Qasym-Jomart Toqaev am 7. Februar Änderungen der Verfassungsgesetze, die dem „Ersten Präsidenten“ bestimmte Positionen vorbehalten hatten. Diese Änderungen wurden am 2. Februar offiziell vom kasachstanischen Parlament angenommen.

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Nazarbaev verliert damit den lebenslangen Vorsitz im Sicherheitsrat – einem nicht gewähltem Gremium, das offiziell den Sicherheitsapparat lenkt, aber auch starken Einfluss auf die Institutionen ausübt. Dies bestätigt eine Entwicklung, die bereits seit dem 5. Januar im Gange ist, als Toqaev die Führung des Rates übernahm und mehrere seiner wichtigen Persönlichkeiten entließ, analysiert das amerikanische Onlinemedium Eurasianet.

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Nach den Änderungen vom 7. Februar verliert Nazarbaev außerdem die lebenslange Präsidentschaft der Volksversammlung, welche oft als ein rein beratendes Gremium dargestellt wird, das sich bemüht, die interethnische Harmonie im Land zu fördern. Nach Angaben von Eurasianet hat der Präsident der Volksversammlung das Recht sieben der insgesamt 107 Abgeordnete des Májilis, des Unterhauses des kasachstanischen Parlaments, zu ernennen.

Der ehemalige Präsident am Rande der Marginalisierung

Die Änderungen vom 7. Februar beinhalten laut Radio Azattyq, dem kasachstanischen Dienst von Radio Free Europe, auch eine vom Senat hinzugefügte Bestimmung. Diese beendet die obligatorische Zustimmung des ehemaligen Präsidenten für jedes Gesetzgebungsprojekt in Bezug auf besonders bedeutende Angelegenheiten der Innen- oder Außenpolitik.

Mit diesen drei großen Veränderungen befindet sich Nursultan Nazarbaev am Rande der Marginalisierung. Diese Ausgrenzung wurzelte in den Ereignissen, die als „Blutiger Januar“ bekannt wurden. Vom 2. bis 8. Januar kam es im ganzen Land zu Demonstrationen, die teils friedlich verliefen, teilweise aber auch in massiven Unruhen mündeten – insbesondere in Almaty, der Wirtschaftsmetropole des Landes.

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Mit Hilfe von Streitkräften der Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit (OVKS), einer von Russland dominierten internationalen Organisation, gelang es Toqaev, die Kontrolle über Kasachstan zurückzugewinnen, bevor er insbesondere seinen Vorgänger für bestimmte Fehler verantwortlich machte. In einer Rede vor dem Parlament erklärte der Präsident am 11. Januar, dass Nazarbaev „eine Schicht reicher Leute, selbst nach internationalen Maßstäben“ hervorgebracht habe. Dieser speziell gegen seinen Amtsvorgänger gerichtete Satz war Ausgangspunkt für eine Reihe von Maßnahmen gegen die Wirtschaftsmacht seiner Entourage.

Toqaev übernimmt die Zügel

Schon bevor Nazarbaev seinen Einfluss in Staatsämtern verlor, sah er sich auch mit einem Machtverlust innerhalb der Partei Nur Otan konfrontiert. Seit der Gründung im Jahr 1999 ist Nur Otan ein zentraler Bestandteil des politischen Lebens und der Machtausübung im Land. Wie Fergana News berichtete, hatte Nazarbaev bereits im November beschlossen, den Parteivorsitz an Toqaev zu übergeben. Am 28. Januar hat der Parteikongress diese Entscheidung offiziell umgesetzt.

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Der neue Vorsitzende setzt sich einerseits dafür ein, die Partei zu modernisieren, indem er sie durch die Erneuerung ihrer Eliten „entpersönlicht“, und andererseits, sie gegenüber dem Staatsapparat und der „Ressourcenverwaltung“ autonomer zu machen, schreibt Eurasianet. Als Zeichen seiner Aufrichtigkeit deutete Toqaev an, dass er bis Ende des Jahres von seinem neuen Parteiamt zurücktreten werde, berichtet das kasachstanische Nachrichtenportal Vlast.

Ein Rentner mit Privilegien

Ohne Parteivorsitz und Befugnisse über das interne politische Leben rückt Nazarbaev in den politischen Hintergrund. Während seiner Rede am 18. Januar, die von Radio Azattyq übertragen wurde, präsentierte sich der ehemalige Präsident als einfacher „Rentner“, der seinen „wohlverdienten Ruhestand“ genieße.

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Einige Privilegien behält der frühere Staatschef allerdings auch am Ende der Krise. Diese sind in erster Linie politisch, da er sich die Möglichkeit vorbehält, vor Regierung und Parlament zu intervenieren, um wichtige Themen zu diskutieren. Dies aber, wie Tengrinews berichtet, ohne ein Vetorecht zu haben.

Andere Privilegien sind aber auch persönlicher Natur. So wird Nazarbaev gemäß des „Gesetzes über den Ersten Präsidenten“ von 2010 rechtliche Immunität und besonderen Schutz seines Privateigentums behalten. Dies wird von einem Teil der Zivilgesellschaft angeprangert, welcher per Petition auf der Plattform egov-press eine Revision des Gesetzes fordert.

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Nursultan Nazaarbaev scheint nach den Januar-Ereignissen seine politische Macht verloren zu haben, die durch die nach seinem Rücktritt 2019 errichtete institutionelle Ordnung sichergestellt worden war. Wie Eurasianet berichtet, macht der Umbau aber auch vor Nazarbaevs Umfeld keinen Halt. So hat Qasym-Jomart Toqaev auch einflussreiche Positionen von Nazarbaev nahestehenden Personen aus Politik und Wirtschaft ins Visier genommen. Einer nach dem anderen wurde aus seiner Funktion entlassen.

Tiago da Cunha, Redakteur für Novastan

Aus dem Französischen von Robin Roth

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