Der chinesische Präsident ist im Juli zu einem dreitägigen Staatsbesuch nach Tadschikistan gereist. Ein Investitionsrausch aus China und gemeinsamen Herausforderungen im Bereich Sicherheit prägen die aktuellen Beziehungen zwischen beiden Ländern.
Tadschikistans Präsident Emomali Rahmon hatte alle Hebel in Bewegung gesetzt. Denn Besuche des chinesischen Präsidenten Xi Jinping im Ausland sind seit der Covid-Pandemie selten. Vom 4. bis 6. Juli war er jedoch zu einem Staatsbesuch im Nachbarland Tadschikistan. Auf der Agenda standen Wirtschaft-, Umwelt- und Sicherheitsfragen.
Die Staatschefs weihten das neue tadschikische Parlament sowie einen Komplex weiterer Regierungsgebäude ein. Eben Peking finanzierte diesen Komplex mit geschätzt 230 Millionen US-Dollar (207 Millionen Euro). Das Projekt war im September 2017 während Rahmons Besuch in China beschlossen worden.
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Als vereinsgetragene, unabhängige Plattform lebt Novastan vom Enthusiasmus seiner ehrenamtlichen Mitarbeiter:innen – und von eurer Unterstützung!„Heute ist ein historischer Tag in unseren Beziehungen mit der Volksrepublik China“, sagte der Präsident bei der Eröffnungszeremonie. Reid Standish, politischer Kommentator bei Radio Liberty, bestätigt das: „Die Zusammenarbeit wird immer intensiver. Das ist das erste Mal, das Xi Jinping nicht im Rahmen einer multilateralen Veranstaltung das Land besuchte.“
Im Rahmen des Besuchs unterzeichneten die beiden Länder 29 Kooperationsvereinbarungen. Das Memorandum über die Zusammenarbeit zwischen der Demokratischen Volkspartei Tadschikistans und der Kommunistischen Partei Chinas betrifft unter anderem die Bereiche erneuerbare Energien, Industrie und neue Technologien sowie die gegenseitige Anerkennung von Bildungsabschlüssen.
Größter Investor in Tadschikistan
Heute ist China der Hauptinvestor in Tadschikistan, dem ärmsten Land aller ehemaligen Sowjetrepubliken. Es ist auch sein größter Kreditgeber. Asia-Plus berichtet, dass laut Angaben des tadschikischen Finanzministerium sich die Schulden Tadschikistans gegenüber China Anfang 2024 auf rund 900 Millionen US-Dollar (811 Millionen Euro) beliefen. Das entspricht 27,8 Prozent der Auslandsschulden des Landes.
Mehr als 300 chinesische Unternehmen sind in Tadschikistan tätig. Im Juni hatten chinesische Investoren auf dem Duschanbe-Forum zugesagt, mehr als 500 Millionen US-Dollar (über 451 Millionen Euro) in Tadschikistan zu investieren.
Die „territoriale Integrität “ Tadschikistans respektieren
Tadschikistan stand wie seine zentralasiatischen Nachbarn lange Zeit unter russischem Einfluss. Seit seiner Unabhängigkeit weckt es immer stärker das Interesse von China. Das Land ist bemüht, seine Westgrenze zu sichern und andere Regionalmächte der Region wie Indien auf Distanz zu halten. China profitiert tendenziell von einer Schwächung Russlands in der Region aufgrund seiner militärischen Intervention in der Ukraine.
„China wird weiterhin unermüdlich eine freundschaftliche, für beide Partner vorteilhafte Zusammenarbeit mit Tadschikistan fördern und die Bemühungen Tadschikistans zum Schutz seiner nationalen Unabhängigkeit, Souveränität und territorialen Integrität konsequent unterstützen“, sagte der chinesische Präsident in Duschanbe laut einem Bericht von Radio Free Europe. Ob der Bezug auf „territoriale Integrität“ neutral war, auf die russische Intervention in der Ukraine oder auf die Lage Chinas beispielsweise in Xinjiang anspielte, ließ er allerdings offen.
Tadschikistan ist das Herzstück der Neuen Seidenstraße, eines großen chinesischen Infrastrukturprojekts, das im Herbst 2013 lanciert wurde. Es soll China über Zentralasien mit dem Mittelmeer verbinden und ist eine Priorität der chinesischen Diplomatie. Vor allem aber beruht Chinas Interesse an Tadschikistan auf einer Sicherheitsfrage.
Pekings Obsession: Die „drei Geißeln“
Peking geht es darum, die Westgrenze des autonomen Gebiets Xinjiang zu sichern. Die Volksrepublik annektierte die Region 1949. Seitdem betreibt Peking dort eine Sinisierungspolitik, und in der Region brechen regelmäßig Unruhen aus. Beim letzten Gipfel in Astana bestätigte die der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) durch eine gemeinsame Erklärung das Ziel, die „drei Geißeln“ Separatismus, Extremismus und Terrorismus zu bekämpfen.
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In Xinjiang, wo die Uiguren die knappe Mehrheit vor der ethnischen Gruppe der Han bilden, leben auch zahlreiche Minderheiten, darunter Kasachen, Kirgisen und Tadschiken. Die kulturellen und historischen Verbindungen zu Zentralasien in der Region sind also sehr stark.
In den 1990er Jahren erlebte Tadschikistan einen langen Bürgerkrieg, bei der in den Bergen bewaffnete Gruppen entstanden. Daher ist Duschanbe stets über ein mögliches Wiederaufflammen der Konflikte besorgt. Die felsige, steile, sehr dünn besiedelte und sehr arme Grenzregion ist durchlässig für Drogenschmuggler. „Dushanbe hat China im Bereich der Sicherheit am meisten zu bieten“, sagt Reid Standish. „Tadschikistan war ein zuverlässiger Partner im Kampf gegen den Terrorismus mit Verbindungen zu Afghanistan und mutmaßlichen uigurischen Militanten und ermöglichte es Peking sogar, einen Sicherheitsvorposten auf tadschikischem Territorium zu errichten.“
Chinesische Militärpräsenz im Land
China war schon lange vor der Rückkehr der Taliban an die Macht im August 2021 um die durchlässige afghanische Grenze besorgt. Das Land teilt 76 Kilometer Grenze mit Afghanistan: Diese verlaufen am Ende des Wachan-Korridors und grenzen an Xinjiang. Die chinesischen Sorgen in dieser Region haben eine lange Geschichte: Zum einen betreffen sie die Aktivitäten der Taliban, zum anderen den Handel mit Opium, das historisch in Afghanistan angebaut wird.
2019 berichtete The Washington Post von einer chinesischen Militärbasis in Tadschikistan, unweit der afghanischen Grenze. Damals dementierten beide Länder diese Aussage. Laut Radio Ozodi, ist dort der Stützpunkt eine mobile Sondereinheit (OMON), die der Direktion für die Bekämpfung des organisierten Verbrechens unterstellt ist. Duschanbe und Peking streiten immer wieder die Anwesenheit chinesischer Militärs in Tadschikistan ab. Dennoch behauptet Radio Ozodi, es gebe Nachweise für die Anwesenheit des chinesischen Militärs im Bezirk Murghob.
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Tadschikistan verfügt nur über geringe materielle und finanzielle Ressourcen und gibt nur 1 Prozent seines BIP für Militärausgaben aus. Aber „Tadschikistan versucht, sich nützlich zu machen, indem es sich freiwillig an chinesischen Sicherheitsinitiativen beteiligt und chinesische Anfragen oder Angebote nicht ablehnt“ argumentiert Reid Standish. Peking sichert den Südwesten von Xinjiang unter dem Vorwand einer verstärkten Überwachung des Wachan-Korridors.
Freiwillige Abhängigkeit
Von den zentralasiatischen Ländern ist Tadschikistan nicht gerade das begehrteste Land für Investoren. Das schlechte Geschäftsumfeld und das rigide Regime dämpfen, wenn nicht gar entmutigen, die Initiative privater Unternehmer. Die chinesischen Investitionen sind also ein Aufwind. Dabei besteht aber die Gefahr einer schädlichen Abhängigkeit. Der tadschikische Politologe Parwis Mullodschanow analysierte 2022 gegenüber Eurasianet: „Chinesische Schulden anzuhäufen ist ein Spiel mit dem Feuer […] Jederzeit könnte dies als Vorwand für eine politische und geopolitische Expansion dienen.“
Chinas wachsende Präsenz in Zentralasien löst mittlerweile in Teilen der Öffentlichkeit Feindseligkeit aus, die mitunter bis hin zu körperlicher Gewalt reicht. In Tadschikistan erscheint die Sinophobie weniger öffentlich sichtbar als in Kasachstan oder Kirgistan. Das liegt wahrscheinlich am autoritären und repressiven Charakter des Regimes, das Meinungsfreiheit generell deutlich eingeschränkt.
„Die Regierung scheint nicht bereit, die notwendigen rechtlichen und menschenrechtlichen Reformen umzusetzen, um einen vielfältigen Strom von Investoren und Partnern anzuziehen“, wie Reid Standish feststellt. Somit scheint sie vorerst einer gewissen freiwilligen Abhängigkeit zu akzeptieren.
Orden der Freundschaft
„Für seinen wertvollen Beitrag und seine langfristige Unterstützung bei der Entwicklung und Ausweitung der gutnachbarschaftlichen Beziehungen und der umfassenden strategischen Partnerschaft“ wurde Präsident Emomali Rahmon im Juli als erstes ausländisches Staatsoberhaupt vom chinesischen Präsidenten mit dem Freundschaftsorden ausgezeichnet.
Von „guter Nachbarschaft“ war jedoch nicht immer die Rede. 2011 beschloss Tadschikistan, 0,80 Prozent seines Territoriums an seinen chinesischen Nachbarn abzutreten, was etwa 1100 Quadratkilometern entspricht. Das betroffene Gebiet liegt im Pamir-Gebirge und war schon seit 1884 zwischen beiden Ländern umstritten. Das zeugt von weit zurückliegenden Rivalitäten: Schon damals kämpften das russische und das chinesische Reich, aber auch Britisch-Indien um diese Gegend.
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Die Sowjetunion war in der Lage, dem Drängen Pekings zu widerstehen. Beim unabhängigen Tadschikistan sei das aber anders, wie Suchrob Scharipow, Direktor des Zentrums für Strategische Studien (das Institut ist dem tadschikischen Präsidenten unterstellt) argumentierte: „Hätten wir nicht entschieden, dieses Land abzutreten, hätten wir dem Druck Chinas nicht widerstehen können“.
Eléonore Darasse für Novastan
Aus dem Französischen von Giulia Manca
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