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Vom Bürgerkrieg zum Touristenziel: Imagewechsel von Tadschikistan

Tadschikistan feierte im September sein 30-jähriges Bestehen als unabhängiger Staat. Asia Plus veröffentlichte am 10. September 2021 eine Chronik über den Image-Wechsel, den das Land in dieser Zeit erfahren hat.

Asia Plus 

Ismail-Somoni-Denkmal
Das Ismail-Somoni-Denkmal in Duschanbe, Tadschikistan

Tadschikistan feierte im September sein 30-jähriges Bestehen als unabhängiger Staat. Asia Plus veröffentlichte am 10. September 2021 eine Chronik über den Image-Wechsel, den das Land in dieser Zeit erfahren hat.

Laut Regierungsbefürwortern hat sich Tadschikistan in den letzten 30 Jahren von einem vom Krieg zerrissenen Land in einen stabilen, sich entwickelnden Staat verwandelt. Kritische Stimmen weisen allerdings darauf hin, das Land habe zwar den Bürgerkrieg hinter sich gelassen und Frieden und Stabilität erreicht, habe aber mit vielen anderen Problemen zu kämpfen, die nicht weniger gefährlich sind. Dazu gehören die Monopolisierung von Wirtschaft und Politik sowie die endemische Korruption in allen Bereichen. Dennoch hat Tadschikistan in den 30 Jahren seiner Unabhängigkeit viel erreicht und sich von einem Neuling auf der politischen Landkarte in einen aktiven Staat entwickelt, dessen Initiativen auf der Weltbühne teils sogar unterstützt werden.

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Auch das Bild Tadschikistans in den weltweiten Medien hat sich stark verändert. In diesem Artikel wollen wir versuchen, kurz darzustellen, wie die internationalen Medien das Bild Tadschikistans in den 30 Jahren seiner Unabhängigkeit geprägt haben.

Vom Krieg und fundamentalistische Islamisten

In den 1990er Jahren, als sich Tadschikistan aus der Sowjetunion löste und seine Unabhängigkeit erlangte, bestimmte schnell der Bürgerkrieg internationale Schlagzeilen. Der am meisten verbreiteten Darstellung zufolge kämpften zwischen 1992 und 1997 fundamentalistische Islamisten gegen ehemalige Kommunisten um die Macht.

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Die Einwohner vieler Teile der Welt hörten den Namen dieses Landes zum ersten Mal in diesem Kontext. Selbst im persischsprachigen Iran kannten die meisten Menschen bis in die 2010er Jahre Tadschikistan nicht und wussten nicht, dass die Menschen dort Persisch sprechen. Russische Medien berichteten indes ausführlich über vermeintliche Massaker an Russen und russischsprachigen Menschen in Tadschikistan. Manche schrieben gar von einem Völkermord, doch diese Behauptungen wurden nie belegt. In den asiatischen Medien, insbesondere in den muslimischen Ländern, wurde Tadschikistan ebenfalls als ein Land im Bürgerkrieg dargestellt. Es gab Berichte über die Notlage von Millionen tadschikischer Flüchtlinge in Afghanistan.

Gelegenheit zum Image-Wechsel

Vor dem Ende des Bürgerkriegs hatten Tadschikistan und seine Führung keine Möglichkeit, ein anderes Bild des Landes in den russischen Medien zu vermitteln. Ausländische Medien berichteten, die meisten Menschen seien vor dem Bürgerkrieg in die Nachbarländer geflohen, wo sie zu Migranten oder Flüchtlingen wurden. Vor den Präsidentschaftswahlen 1999 kaufte die Regierung eine ganze Ausgabe der beliebten russischen Zeitschrift Ogonjok, die sich mit Tadschikistan befasste. Besonders hervorzuheben ist, dass diese Zeitschrift zuerst die Biografie von Emomali Rahmon (damals Emomali Rahmonow) publizierte, die später auch in Büchern veröffentlicht wurde.

Das war der erste Versuch, in den ausländischen Medien aktiv ein positives Bild von Tadschikistan und insbesondere von seinem Präsidenten zu zeichnen. Später wurden ähnliche Anstrengungen in europäischen und amerikanischen Medien unternommen. So unterzeichnete die tadschikische Botschaft in den Vereinigten Staaten im Jahr 2012 eine Vereinbarung mit ABC 7 und NewsChannel 8, um das Image des Landes im Ausland weiter zu fördern. Auf der Grundlage dieser Vereinbarung wurde am 3. Dezember 2012 um 6:43 Uhr (Washingtoner Zeit) erstmals ein Fernsehspot über Tadschikistan ausgestrahlt. Gemäß der Kooperationsvereinbarung wurde der Spot bis zum 21. Dezember 2012 täglich 30 Sekunden lang (insgesamt 90 Mal) dem amerikanischen Publikum in den Nachrichtensendungen des Senders gezeigt. Im Vorjahr, kurz vor dem 20. Jahrestag der Unabhängigkeit der Republik, verpflichtete die Regierung das staatliche Unternehmen TALCO, einen 16-tägigen Vertrag mit Euronews zu unterschreiben. In diesem Rahmen sollte ein Werbespot über Tadschikistan ausgestrahlt werden, um die Welt besser mit dem Land vertraut zu machen.

Vom 25. August bis zum 9. September 2011 wurden die 30-sekündigen Clips täglich im Fernsehen von Euronews ausgestrahlt. Nach Angaben von TALCO-Vertretern beliefen sich die Kosten für das Projekt damals auf mehr als 120.000 Euro. Später verbreitete sich die Praxis, dass die Botschaften Tadschikistans im Ausland Artikel von Präsident Rahmon in den Medien der Gastländer veröffentlichten.

Stabilität und Korruption

Anfang der 2000er Jahre wurde Tadschikistan in den ausländischen Medien als ein Land dargestellt, das einen Bürgerkrieg überwunden hat und sich auf dem Weg der Entwicklung befindet. In den westlichen Medien wurde Tadschikistan als ein Land unter russischem Einfluss präsentiert. Europäische und US-amerikanische Medien stützten sich bei ihren Berichten und Einschätzungen über das zentralasiatische Land auf internationale Organisationen. In jenen Jahren, insbesondere nach den Präsidentschaftswahlen von 2004, wurde Tadschikistan in den europäischen Medien als autoritärer Staat dargestellt, dessen politische Elite sich stark an seine Macht klammere. Damals wurde in russischen Medien die Verfassungsänderung von 2003 kritisiert.

Angeblich waren diese Berichte das Ergebnis der Lobbyarbeit einiger tadschikischer Oppositioneller in Russland und anderen postsowjetischen Ländern. Infolgedessen entstand in den internationalen Medien ein Bild von Tadschikistan als einem Land mit einem hohen Maß an Korruption. In dem Kontext sorgte insbesondere der Streit zwischen der damaligen tadschikischen Aluminiumschmelze und ihrem ehemaligen Leiter und einem seiner Partnerunternehmen vor einem Londoner Gericht für Schlagzeilen. In den russischen Medien wurden Tadschikistan und die Tadschiken damals jedoch auch als armes Exportland für Migranten dargestellt, die zwischen 2006 und 2011 von den Figuren von Rawschan und Dschamschud in der Sketch-Sendung Nascha Rascha verkörpert wurden. Die Sendung löste damals in der tadschikischen Gesellschaft heftige Reaktionen aus.

Globale Initiativen

Seit dem Ende der 2000er Jahre hat Tadschikistan ein klar definierbares Image in internationalen Medien: Mit der allmählichen Auflösung der unabhängigen Presse wurde Tadschikistan immer mehr als autoritärer Staat dargestellt, der die Meinungsfreiheit ablehnt. Nach den Präsidentschaftswahlen im Jahr 2006 wurde der Autoritarismus Tadschikistans in den weltweiten Medien noch stärker hervorgehoben. Journalisten beriefen sich insbesondere auf die Kritik europäischer Organisationen an der mangelnden Transparenz der Wahlen und des Wahlumfelds.

Dieser Trend hat sich nach 2010 mit dem zunehmenden Druck auf Medien, Parteien, Politiker und Bereiche der Wirtschaft weiter verstärkt. Vor allem internationale Medien wie Radio Free Europe/ Radio Liberty, die BBC, die Deutsche Welle, Voice of America sowie iranische und russische Medien mit Büros oder eigenen Korrespondenten in Tadschikistan berichteten in dieser Zeit ausführlich über das Land. Auch andere Medien in aller Welt nutzten ihre Informationen, um über Tadschikistan zu berichten. In dieser Zeit startete Tadschikistan über die Vereinten Nationen eine Reihe von tragenden Initiativen. So beruhte etwa die Internationale Aktionsdekade „Wasser – Quelle des Lebens“ (2005-2015) auf einem Vorschlag von Tadschikistan. Dies brachte dem Land auch eine gewisse internationale Berichterstattung abseits negativer Schlagzeilen ein.

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Nach 2010 und dem Ausruf des sogenannten Islamischen Staats (IS) wurde Tadschikistan auch mit dem Thema des radikalen Islamismus in Verbindung gebracht. Damals berichteten die Medien weltweit von mehr als 1.000 tadschikischen Kämpfern in den Reihen des IS. Einige Medien berichteten über den Übertritt des Kommandanten der militärischen Sondereinheit Gulmorod Chalimow, der später als IS-Militärminister auftrat.

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Es war auch die Zeit, in der Tadschikistan durch den Tod mehrerer ausländischer Touristen weltweite Schlagzeilen machte, etwa bei einem terroristischen Angriff im Juli 2018.

Touristenland, hohe Berge und Gletscher

Von 2012 bis heute wurden auf staatlicher Ebene große Anstrengungen unternommen, um das Bild Tadschikistan als ein tourismusfreundliches Land zu fördern. Zu diesem Zweck wurde das Jahr 2018 sogar zum Jahr der Tourismusentwicklung erklärt. Es wurde eigens ein Ausschuss für Tourismusentwicklung eingerichtet. Auch die tadschikischen Botschaften im Ausland haben sich bemüht, Tadschikistan als günstiges Land für die Tourismusbranche zu präsentieren. Diese Bemühungen haben zu einigen positiven Ergebnissen geführt.

Das Bild Tadschikistans als junges, gerade erst unabhängig gewordenes Land, das von zahlreichen Problemen heimgesucht wird, ist in den Medien vieler Länder, insbesondere derjenigen, die geopolitische und geoökonomische Ziele in Tadschikistan und der Region verfolgen, jedoch unangetastet geblieben. So bestimmen Themen wie Migration und Geldtransfers, die Monopolisierung der Wirtschaft, die Staatsschulden bei China, ebenso wie Autoritarismus und Korruption weiter das Image des Landes.

Irschod Sulajmoni Asia Plus

Aus dem Russischen von Florian Coppenrath

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