Nach seiner Wahl am 15. Oktober wird Sooronbaj Dscheenbekow zum fünften Präsidenten der kirgisischen Republik. Gleich mehrere innen- und außenpolitische Fragen erwarten ihn gleich beim Amtsantritt auf dem Schreibtisch , analysiert Michaël Levystone vom Observatoire franco-russe in Moskau. Wir übersetzen den Artikel mit freundlicher Gemehmigung der Redaktion.
Nachdem er mit mehr als 54 Prozent der Wählerstimmen gewann, ist Sooronbaj Dscheenbekow der künftige Machthaber in Kirgistan. Sein Gegner Omurbek Babanow hat gleich am Tag nach der Wahl seine Niederlage anerkannt. Nun wird Dscheenbekow, der oft als „Erbe“ des amtierenden Präsidenten Almasbek Atambajew bezeichnet wird, viel zu tun haben.
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Im Land wird er zuerst das Haupterbe seines Vorgängers weiterführen müssen, also „den Frieden und die Stabilität, die sich in Kirgistan in den vergangenen Jahren gefestigt haben, wahren“, wie er selbst am Wahlabend verkündete. Angesichts der Armut, der ethnischen Anspannungen (die im Juni 2010 in Osch ihren stärksten Ausdruck fanden) und der Islamisierung der Gesellschaft, ist diese Aufgabe alles andere als einfach.
Die neue Verfassung anwenden
Der neue Insasse des Weißen Hauses in Bischkek wird ebenfalls die 2016 beschlossene Verfassungsreform, die ab dem 1. Dezember 2017 in Kraft tritt, weiter führen. Diese von Atambajew getragene Änderung sieht insbesondere eine stärkere Rolle des Premierministers vor.
Die Verfassungsreform wurde von manchen Beobachtern als ein Manöver gesehen, durch das der noch amtierende Präsident auch nach nach seiner Amtszeit eine wichtige politische Rolle spielen kann. Atambajew, der kein zweites Mal antreten darf, machte zu dem Thema im Verlauf der Wahl widersprüchliche Aussagen [1].
Die Scherben der Beziehung zu Kasachstan
In der Außenpolitik wird der neue Präsident erst einmal die in letzter Zeit verstärkten diplomatischen Spannungen mit dem nördlichen Nachbarn Kasachstan entschärfen müssen. Infolge eines Treffens zwischen dem kasachstanischen Präsidenten Nursultan Nasarbajew und dem Präsidentschaftskandidaten Babanow am 19. September hatte das kirgisische Außenministerium Astana der „Einmischung“ in innere Angelegenheiten beschuldigt.
Am 7. Oktober folgte eine Erklärung Atambajews, der sich beklagte, Kasachstan wolle Bischkek „seinen Kandidaten aufdrängen“. Er erinnerte ebenfalls daran, dass der 2010 gestürzte Präsident Kurmanbek Bakijew zeitweise in Kasachstan Zuflucht erhielt.
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Der Vorwurf einer Bedrohung der kirgisischen Souveränität durch die Nachbarstaaten Kasachstan und China fand in einem Teil der Wählerschaft Unterstützung. Kasachstan antwortet auf die „Provokationen des Präsidenten Atambajew“, indem es seit 10. Oktober den Zugang zu seinem Territorium für Personen und vor allem Waren aus Kirgistan stark einschränkt.
Die Beziehungen zwischen Kirgistan und Kasachstan haben sich so weit abgekühlt, dass Atambajew seine Reise zum doppelten Gipfel der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten und der Eurasischen Wirtschaftsunion (EAWU) in Sotschi am 10. und 11. Oktober absagte. An seiner Stelle musste der Premierminister Sapar Isakow unter anderen Nasarbajew entgegentreten. „Ich weiß noch nicht, wie wir uns mit Kasachstan versöhnen können“, erklärte der neue Präsident Kirgistans am vergangenen Sonntag, um auf das Ausmaß des Problems hinzuweisen. [2]
Eine klare Russlandpolitik
Eine weitere außenpolitische Herausforderung für Dscheenbekow betrifft die Beziehung zu Russland, ein strategischer Partner Bischkeks. Kirgistans Mitgliedschaft in der EAWU wurde im August 2015 eingeleitet und sollte sich auch unter Dscheenbekow weiter entwickeln. Ab 1. Januar 2018 soll auf dem gesamten Territorium der Union eine gemeinsame Zollregelung gelten.
Auch die Frage einer zweiten russischen Militärbasis in Kirgistan steht noch zur Debatte. Seit 2003 unterhält Russland einen Luftwaffenstützpunkt in Kant, circa 20 Kilometer von Bischkek entfernt [3]. Ursprünglich galt der Vertrag für 15 Jahre, wurde aber bereits 2009 um 49 Jahre plus – sofern keine explizite Kündigung erfolgt – 25 Jahre verlängert.
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Beim Besuch des russischen Präsidenten Wladimir Putin in Bischkek im September 2012 wurde eine Reihe von Verträgen unterschrieben. Einer davon bestätigt den Erhalt des Stützpunktes in Kirgistan und ein weiterer organisiert den allmählichen Erlass der 489 Millionen Dollar Schulden, die Kirgistan bei Russland hatte. In diesen Rahmen fällt auch die Verordnung zum Erlass von 240 Millionen US-Dollar kirgistanischer Schulden, die der russische Premier Dmitrij Medwedjew im Mai dieses Jahres unterschrieb.
In einem Interview mit RIA-Novosti am 10. Oktober erklärte der russische Vizeaußenminister Grigorij Karasin, dass Moskau, dem „von Bischkek die Eröffnung eines zweiten Militärstützpunktes angeboten wurde“, sich lieber „auf die Stärkung der bereits in Zentralasien vorhandenen Stützpunkte konzentrieren“ will, also jene in Kant und in Duschanbe (Tadschikistan).
Russland lässt sich in dieser Angelegenheit durch das Aufkommen von „konkreten Sicherheitsbedrohungen für die russische Föderation und ihre nahen Verbündeten“ leiten, so Karasin. Moskau hatte 2005 bereits Verhandlungen zu einer Militärbasis im kirgisischen Teil des Ferganatals begonnen. Ob diese zwischen Kirgistan, Tadschikistan und Usbekistan geteilte Region von Russland in Zukunft zu den konkreten Bedrohungen gezählt wird, bleibt offen.
Michaël Levystone
Projektleiter am Observatoire franco-russe, Moskau
Aus dem Französischen von Florian Coppenrath
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[1] Atambajew hatte sich sehr stark in den Wahlkampf eingemischt hat. Er designierte Dscheenbekow bereits als seinen „Erben“ designiert, als dieser in der Öffentlichkeit noch kaum bekannt war. Außerdem griff er dessen Konkurrenten Babanow im Wahlkampf mehrmals sehr direkt wegen seiner privilegierten Beziehungen zu Kasachstan, wo dieser seine Geschäftskarriere begann, an. Am Tag des 25. Jubiläums der Unabhängigkeit Kirgistans, im August 2016, sprach er sich auch gegen seine Vorgängerin Rosa Otunbajewa aus, die sein Verfassungsreformsvorhaben kritisiert hatte. Hinzu kommt die Verhaftung von Ömürbek Tekebajew, Parteivorsitzender von Ata-Meken und wichtiger Regimegegner, im Februar 2017, die Dscheenbekows Weg ins Weiße Haus weiter ebnete.
[2] Am 23. Oktober denunzierte Kirgistan den Finanzierungsvertrag, der im Rahmen der EAWU eine Zahlung von 100 Millionen US-Dollar durch Kasachstan vorsah. „Wir brauchen dieses Geld nicht mehr“, erklärte der Vizepremier Dujschembek Silalijew während einer Sitzung der parlamentarischen Kommission für Haushalt und Finanzen.
[3] Kirgistan hatte bis zum Juli 2014 als einziges Land weltweit eine russische und eine US-Amerikanische Militärbasis (im Flughafen Manas).