In Kirgistan hat der seit Monaten andauernde Machtkampf zwischen Präsident Sooronbaj Dscheenbekow und seinem Amtsvorgänger Almasbek Atambajew einen neuen Wendepunkt erreicht. Das Justizministerium erkannte einen Widersacher Atambajews als Vorsitzenden der regierenden SozialdemokratInnen an. Die Ereignisse im Überblick.
Am vergangenen Donnerstag nahm der schwelende Machtkampf zwischen Kirgistans Präsidenten Sooronbaj Dscheenbekow und seinem Amtsvorgänger Almasbek Atambajew eine unerwartete Wendung. Dieser Machtkampf droht bereits seit einigen Wochen die Sozialdemokratische Partei Kirgistans (SDPK), der beide Politiker angehören, zu zerreißen.
Wie das Nachrichtenportal Kaktus Media berichtet, nahm das Justizministerium in der Datenbank zur Erfassung juristischer Personen Änderungen am Profil der SDPK vor. Anstelle des bisherigen Parteivorsitzenden Atambajew erkannte das Ministerium Sagynbek Abdrachmanow, Anführer der Bewegung „SDPK ohne Atambajew“, als Parteivorsitzenden der SozialdemokratInnen an. Auch die Adresse der Partei wurde geändert.
Den Antrag zur Änderung der Daten hatte Abdrachmanow eingereicht, nachdem er am 3. April eine Parteisitzung ohne die Parteispitze einberufen hatte. Auf dieser Sitzung wurde er zum Vorsitzenden der Partei gewählt. Die Parteiführung ihrerseits nannte die Sitzung eine „Show von Clowns“ und sprach ihr jede Rechtsmäßigkeit ab. „Die Sitzung ist Fake und ihre Delegierten sind auch Fake“, teilte die SDPK mit. Drei Tage später, am 6. April, führte sie ihre eigene Parteisitzung durch.
Die 1993 gegründete Sozialdemokratische Partei ist eine der ältesten Parteien Kirgistans. Zu ihren Gründungsmitgliedern zählt unter anderem Almasbek Atambajew, welcher von 2011 bis 2017 Präsident Kirgistans war.
„Unverschämte Gesetzesüberschreitung“ von Seiten des Justizministeriums
Atambajew, der sich nach wie vor als legitimen SDPK-Vorsitzenden betrachtet, ließ nicht lange auf seine Reaktion warten. Umgehend forderte er von Generalstaatsanwalt Dschamschitow, die vom Justizministerium vorgenommenen Änderungen als „ungesetzlich“ anzuerkennen.
„Dies ist eine eklatante und unverschämte Gesetzesüberschreitung, die von den Mitarbeitern des Justizministeriums des Landes begangen wurde. Es ist erforderlich, dass die Rechte der SDPK und ihrer Mitglieder geachtet werden sowie dass eine sofortige und objektive Untersuchung des begangenen Verbrechens vorgenommen wird“, heißt es in der an die Generalstaatsanwaltschaft gerichteten Mitteilung Atambajews. Außerdem fordert das Lager des Ex-Präsidenten, den Justizminister Marat Dschamankulow wegen Amtsmissbrauch juristisch zur Verantwortung zu ziehen.
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Irina Karamuschkina, Abgeordnete im kirgisischen Parlament Dschogorku Kengesch und Unterstützerin Atambajews, geht davon aus, dass das Justizministerium auf Druck von Präsident Dscheenbekow handelte. „Ich habe noch nie ein solch dreistes und zynisches Verhalten einer anderen Partei des Landes gegenüber gesehen. Eine Partei die dir (gemeint ist Dscheenbekow, Anm. von Kaktus Media) geholfen hat, Präsident zu werden. Eine Partei, deren Vorsitzendem (Atambajew, Anm. d. Red.) wir alle das Vertrauen in uns und unser Mandate verdanken. […] Hast du keine Angst, dich für das, was heute passiert, vor der Geschichte zu verantworten?“, empört sich Karamuschkina.
Woher kommt „SDPK ohne Atambajew“?
Der jetzige Konflikt begann 2017. Damals war Sagynbek Abdrachmanow, ehemaliger Gouverneur des Gebiets Tschui, aus der SDPK ausgeschlossen worden, da er sich gegen Parteientscheidungen stellte. Abdrachmanow begann, andere unzufriedene Parteimitglieder um sich zu sammeln und gegen die Parteiführung in Stellung zu bringen. Die Bewegung „SDPK ohne Atambajew“ entstand im Juni 2018. Ihr erklärtes Ziel ist Abdrachmanows Worten nach „die Partei von Atambajew und seinen korrupten Freunden zu säubern“.
„Wie sich zeigt, ist die Partei kein Privateigentum Atambajews. Man hat mir zig mal gesagt, dass es sinnlos sei, die SDPK zu bekämpfen […], aber es ist uns gelungen das Bewusstsein unserer Bürger und Parteimitglieder zu verändern“, sagt Abdrachmanow dem Nachrichtenportal Kloop gegenüber.
Opposition nur außerhalb des Parlaments
Infolge des Streits zwischen Dscheenbekow und Atambajew war zuletzt auch die SDPK-Fraktion im Parlament Kirgistans mehrheitlich auf Distanz zum Parteivorsitzenden Atambajew und seinen Anhängern gegangen. Auch nachdem die Parteiführung sich offiziell in Opposition zu der Regierung – also zu Präsident Dscheenbekow – erklärt hatte, fand Dscheenbekow weiterhin die Unterstüztung fast aller sozialdemokratischen ParlamentarierInnen.
„Sehen Sie, wir haben jeden Tag miteinander zu tun, sehen einander und arbeiten zusammen. Warum soll man sich gegenseitig mit Steinen bewerfen? Es ist besser, die bleibende Zeit in Eintracht zu verbringen“, sagte der SDPK-Abgeordnete Dastan Bekeschew diesbezüglich gegenüber Kloop.
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Wie sehr sich die Fraktion gegen die Parteispitze stellte, zeigte sich, als die Abgeordneten der SDPK sich dagegen entschieden, Isu Omurkulow vom Posten des Fraktionschefs abzusetzen. Omurkulow war zuvor aus der Partei ausgeschlossen worden, weil er die Bewegung „SDPK ohne Atambajew“ unterstützte. Darauf begannen einige Abgeordnete, die zu Atambajew hielten, die Fraktionssitzungen zu ignorieren und eine Opposition innerhalb der Fraktion zu bilden.
„Ich möchte etlichen Mitgliedern der Fraktion vorschlagen, wenn sie nicht mit einer SDPK unter Atambajew zusammenarbeiten möchten, ehrlich zu sein und aus der Partei auszutreten […]. Niemand hindert Dscheenbekow und sein Team daran, eine neue Partei zu gründen und zu Wahlen anzutreten“, erklärte die SDPK-Abgeordnete Irina Karamuschkina damals.
Dies scheint sich mit dem Eingreifen des Justizministeriums vorerst erledigt zu haben. Doch warten wir auf die nächste Folge des kirgisischen „Game of Thrones“.
Robin Roth für Novastan
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