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Die Geschichte des ersten Designers der kirgisischen SSR

Wladimir Krugman, Kirgistans erster Designer, kam in den 1960ern ins Land und verbrachte ganze 18 Jahre dort. Genug Zeit, um mit seiner Arbeit verschiedene Orte der damaligen Sojwetrepublik Kirgisien zu prägen. Das Internetmagazin Kloop.kg hat den Künstler in Deutschland, wo er heute wohnt, getroffen. Wir übersetzen das Gespräch mit der freundlichen Genehmigung der Redaktion.

Wladimir Krugman
Wladimir Krugman

Wladimir Krugman, Kirgistans erster Designer, kam in den 1960ern ins Land und verbrachte ganze 18 Jahre dort. Genug Zeit, um mit seiner Arbeit verschiedene Orte der damaligen Sojwetrepublik Kirgisien zu prägen. Das Internetmagazin Kloop.kg hat den Künstler in Deutschland, wo er heute wohnt, getroffen. Wir übersetzen das Gespräch mit der freundlichen Genehmigung der Redaktion.

In der Sowjetunion kam der Begriff „Designer“ erst während der Tauwetter-Periode unter Chruschtschow in den Gebrauch. Wladimir Krugman war der erste Designer, der in der Kirgisischen sozialistischen Sowjetrepublik (SSR, hier auch Kirgisien) arbeitete. Der Absolvent der Kunstakademie kam Ende der 1960er aus Leningrad (heute Sankt Petersburg, Anm. d. Red.) nach Kirgistan.

Krugman arbeitete am Außenaspekt und der Einrichtung der damals modernsten Cafés und Hotels Kirgistans. Sein berühmtestes Werk ist der bischkeker Springbrunnen „Sonnenfische“.

Springbrunnen Sonnenfische Bischkek
Der Springbrunnen „Sonnenflische“ in seinen besten Jahren

Das Leben hat Krugman viel Interessantes gebracht: Er wurde zum KGB zitiert, später vom Künstlerverband wegen seiner zu gewagten Ideen geächtet ehe er schließlich nach Deutschland auswanderte.

Wladimir Michajlowitsch, erzählen Sie kurz über sich: Wo sind Sie aufgewachsen, wo haben sie Studiert?

Ich bin in Belarus geboren, in Jelsk, einer Kreisstadt der Region Homel. Ich war vier, als der Zweite Weltkrieg begann. Mein Vater zog an die Front, ich wurde mit meiner Mutter in die Region Kurgansk evakuiert. Dort erfuhren wir auch, dass mein Vater gefallen war.

Nach dem Krieg kehrten wir nach Jelsk zurück. Ich schloss die Schule ab und wurde zum Militärdienst eingezogen: Ich habe in der Marine gedient, als Bootselektriker. Nach meinem Dienst zog ich nach Leningrad und wurde Student der Energie-Fachhochschule.

Ich wollte dort aber keinen Abschluss machen, so kam ich in die Leningrader Fachhochschule für Kunst und Industrie namens Muchina. Zweieinhalb Jahre später schloss ich dort mit Auszeichnung ab, wurde zum Graveur und konnte in die Kunsthochschule eintreten. Dort wählte ich den Lehrstuhl für Design, schaffte die Prüfung und wurde Student der „Muchinka“ Akademie.

Wie kamen Sie nach Kirgisien? Wieviel Zeit verbrachten Sie dort?

Ich absolvierte mein Studium an der „Muchinka“ im Jahr 1967, während der sogenannten „Tauwetter-Periode“. Den sowjetischen Bürgern wurden damals einige Freiheiten zugestanden und es entstand Raum für Kritik. Hinter verschlossenen Türen lasen wir Studenten die Verbotenen Werke Solschenitsins, hörten westliche Musik und besuchten das neu geöffnete Café-Saigon auf dem Newskij-Prospekt, wo sich die Jugend traf und Ideen austauschte. Zu waghalsige Ideen für die damalige Zeit.

Es endete damit, dass das „Tauwetter“ einfach wieder eingefroren wurde. Wir wurden nach und nach zum KGB bestellt, in das als „großes Haus auf dem Litejn“ bekannten Gebäude, und ausführlich ausgefragt. Das hätte schlecht enden können und ich entschloss mich, Leningrad für ein paar Jahre zu verlassen.

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Die Universität bot zwei Optionen an: Entweder die kleine usbekische Stadt Urgentsch oder die kirgisische Hauptstadt, in der ich als Lehrer des Kunstakademie arbeiten könnte. Ich wählte Frunse (der damalige Name der kirgisischen Hauptstadt Bischkek, Anm. d. Red.). Erst dachte ich, ich würde ein paar Jahre dort verbringen. Es wurden volle 18 Jahre.

Wie bleiben ihnen die Jahre an der Akademie in Erinnerung?

Ich arbeitete nach dem Prinzip, dass ich für die Studenten ein älterer Kollege bin und mit ihnen Wissen und Erfahrungen austausche. Ich hielt keine Lehrstunden, sondern es gab ein gemeinsames künstlerisches Leben, das sich auch außerhalb der Klassenräume abspielte. Wir hingen die Werke der Studenten an die Wände der Akademie, sie waren ja auch Künstler und sollten sich zeigen. Und die Wände, die davor gähnend leer waren, fingen an, zu leben!

Außerdem lehrte ich den Studenten die künstlerischen Eigenschaften von Kies, Seilen und von Ulmen; ich brachte ihnen bei, in diesen einfachen Objekten Kunstwerke mit ihrer Form, Farbe und Struktur zu sehen. Sie lernten, außergewöhnliche Kompositionen aus gewöhnlichem Material zu schaffen. Dabei vergaßen sie so oft die Zeit, dass manche Mütter extra in die Akademie kamen, um den komischen Lehrer zu sehen, der ihr Kind zur Kunst hinriß.

In den Augen der Künstlerkollegen traditionellerer Formen wird der Designer oft wie ein Dahergekommener gesehen. Man weiss nicht, was man von ihm erwarten soll. Haben sie ein solches Verhältnis gespürt? 

Das habe ich, und zwar ziemlich direkt. Nachdem die Zeitung „Kirgisischer Komsomolets“ geschrieben hatte, dass ein Designer in der Stadt sei, wurde ich zu verschiedenen Firmen eingeladen, um über die Konzeption des Designs zu erzählen. Bei diesen Treffen äußerte ich Ansichten über die Ästhetik der Umgebung, die für viele ungewöhnlich waren. Ich sagte, dass man nichts dekorieren soll, sondern gleich schön schaffen soll.

Dadurch stoß ich auf die Feindseligkeit des kirgisischen Künstlerverbandes, denn der von ihm abhängige  Kunstfonds beschäftigte sich vor allem mit Dekoration. Sie wirkten angespannt auf mich.

Als ich damals für ein paar Tage nach Leningrad flog und dort meine alte Kunstakademie „Michunka“ besuchte, griff mich mein ehemaliger Lehrstuhlleiter am Ärmel, zog mich in sein Büro und fragte: „Was passiert da in Kirgisien mit dir? Ich erhalten Briefe von  dort, sie wollen wissen, ob Du wirklich hier studiert hast. Hör auf meinen Rat: Komm schnell weg von dort.“

Doch ich flog zurück und arbeitete weiter. Ich wagte es sogar, die Werke meiner Studenten auszustellen. Zum großen Missfallen des Künstlerverbandes: Sie meinten, dass nur ihre Mitglieder ein Anrecht darauf hatten, im Haus der Künstler oder im Museum für bildende Kunst auszustellen. Aber  die Studenten der Akademie stellten ihre Originalwerke direkt im Laden oder im Foyer des Dramatheaters aus!

Gemeinsam mit den Studenten richteten wir auch das Interieur eines studentischen Club-Cafés ein. Dort wurde alles, von den Türen bis zu den Wänden, von den Studenten realisiert. Die Materialien dafür fanden sie in der Natur: Steine, Wurzeln, usw. Das Café wurde gleich nach seiner Eröffnung zur städtischen Sensation. Es kamen Schauspieler, Schriftsteller, Kinoregisseure und erzählten den Studenten über sich und über ihre Kunst.

Letztendlich bat mich die Leitung des Künstlerverbands (der, wie gesagt, nicht die beste Beziehung zu mir pflegte) ein ebensolches Café am Eingang eines Wohnhauses einzurichten. Wir arbeiteten mit den Studenten ganz kostenlos, aus reinem Enthusiasmus. Die jungen Leute hatten ein absolut nicht-kommerzielles Verständnis der künstlerichen Arbeit. Es war für sie eine Möglichkeit, sich auszuprobieren.

Auch das zweite Café wurde von der Eröffnung an von Küntlerkreisen besucht. Es schien so, als wäre das Eis gefroren und als würde sich mein Verhältnis zum Künstlerverband bessern. Fehlanzeige: Weder ich noch meine Studenten wurden zur Eröffnung des Cafés eingeladen. Eine solche Ehre wurde uns nicht erteilt.

Ich habe viele solche Schläge erlitten. Als Antwort blieb ich Zielstrebig und zeigte, dass ich mich in Kirgisien realisieren kann. Ich war anfangs für ein paar Jahre gekommen, blieb dann noch ein Jahr und noch eins und nach und nach wuchs mein Freundes- und Bekanntenkreis und ich lebte mich in der Stadt ein. So verliefen 18 Jahre.

Wie viele Jahre lehrten sie an der Akademie?

Ganze fünf. In der Zeit schaffte ich es, zusammen mit meinen Studenten und ebenfalls praktisch auf ehrenamtlicher Basis, das Café, das Restaurant und die Bar des kürzlich gebauten Hotel „Kyrgyzstan“ einzurichten (Heute befindet sich in dem entsprechenden Gebäude das Luxushotel „Hyatt“, Anm. d. Red.).

Hotel Kyrgyzstan Frunse
Das Hotel Kyrgyzstan im Jahr 1974

Für eine so große und komplizierte Arbeit hätte der Künstlerfonds sehr viel Geld verlangt, was die Stadt aber nicht hatte. Nach einer Anordnung des stellevertretenden Vorsitzenden des Ministerrates Mojisejew wurden meine Studenten und ich geschickt.

In der Zeit baute ich auch meine Beziehungen zum  republikanischen Architektenverband auf. Beim skizzieren neuer Gebäude wussten die Architekten: Wenn Krugman da rein geht, füllt er die leeren Wände mit neuem Inhalt. So fing ich an, in der Projektabteilung eines großen Bauunternehmens zu arbeiten. Zwei Jahre später wurde mir angeboten, der leitende Künstler der Stadt zu werden. Ich stimmte zu, wusste aber noch nicht, dass das eine Stelle für Prügelknaben war, ohne klare Rechte und Pflichten.

Es ging so weit, dass der Instruktor des Gebietskomitees von mir fordern konnte, dass ich ihm Skizzen für irgendeines ihrer Propagandaereignisse male. Ich wollte aber neue künstlerische Konzeptionen erarbeiten, mit den Mitteln des modernen Designs das Lebensumfeld der Menschen neu schaffen: In der Stadt schöne Bänke aufstellen (in Frunse mangelte es an Bänken, auch an unschönen), mich um die Straßenbeleuchtung kümmern, Ladenvitrinen einrichten, an kleinen Formaten arbeiten. Ich war wie in Stücke gerissen.

Ich muss sagen, dass ich von den Stadtbehörden fast immer unterstützt wurde, nur unter den Küntlerkollegen traf ich auf vollkommenes Unverständnis. In meiner Erinnerung ist der Künstlerverband eine verschlossene Organisation, dessen Mitglieder von gut bezahlten Aufträgen leben. Sie konnten sich mit mir, dessen künstlerische Konzeptionen aus dem Rahmen ihres Verständnisses von Rolle und Platz des Künsters in der Gesellschaft fiel, abfinden. Der Konflikt mit ihnen war für mich unlösbar. Ich verließ also meinen „hohen“ Posten und musste mein Brot wieder selber verdienen.

Lassen sie uns über den Springbrunnen „Sonnenfische“ reden. Warum wurde es ein Springbrunnen und nicht zum Beispiel ein schönes Schild an einer Fassade, was damals zeitgenößig und günstiger war?

Der Springbrunnen war nicht mein erstes Werk in Kirgisien. In der Stadt Osch wurde unter der Brücke über den Fluss Ak-Buura eine Bierschenke gebaut, dessen Interieur ganz von mir erdacht war: Die Fassade bedeckte ich mit Kies, so dass es aussah, wie ein steinerner kirgisischer „Ala-Kijis“ Teppich; Die Möbel, die Lampen, die Untergestelle, sogar die Bierkrüge, alles wurde nach meinen Skizzen realisiert.

Mir wurde in Osch auch angeboten, eine Kymys-Bar einzurichten. Die Idee an sich war gut, die schöne Architektur des Gebäudes gefiel mir auch und ich schaffte es, es entsprechend zu entwerfen, innen wie außen. Es gab viele weitere Objekte dieser Art, nicht nur in der Stadt, sondern auch in abgelegenen Dörfern: In Pokrowka im Süden des Issikköls, im Dorf Lenin-Dschol in der oscher Umgebung…

Im Prinzip sollte eine solche Arbeit ja gut bezahlt sein…

Genauer: Sie hätte gut bezahlt sein sollen. Aber nicht in meinem Fall. Ich war eben kein Mitglied des Künstlerverbands Kirgisiens. Ich versuchte ein paar Mal, Mitglied zu werden, wurde aber jedes Mal abgewiesen. Dann mischte sich Moskau ein und nahm mich über Kirgisien hinweg in den Künstlerverband der UdSSR auf.

Ich war auch kein Mitglied des Küntlerfonds, über den alle entgeltlichen Aufträge liefen. Bei dem Objekt in Osch und auch bei ein paar weiteren wurde ich deshalb als Arbeiter gezählt und dementsprechend bezahlt. Doch das kümmerte mich nicht allzu sehr, ich wollte meine künstlerichen Gedanken, derer ich damals voll war, realisiert sehen.

Für ebendiesen Arbeitergehalt entwarf ich in einem Gebäude im Zentrum von Osch eine bunte Mosaik im Relief, die eine Taube darstellt. Es wurde später „Glücksvogel“ genannt.

Glücksvogel Osch
Der „Glücksvogel“ in Osch heute

Vor kurzem fand ich im Internet ein Farbfoto von diesem Werk und freute mich: Meine Taube lebt, sie wurde auf ihre Art zu einem Symbol, so wie auch der Springbrunnen „Sonnenfische“ in Frunse zum Symbol werden konnte. Übrigens: Der Springbrunnen in Frunse wurde mit bunter Smalte gemacht, die Taube in Osch aber mit bunten Fliesen, die ich selber in der Porzellanfabrik in Kuwasaj vorbereitete.

Gehen wir zum Springbrunnen über. Wie entstand die Idee seiner Realisierung und wie wurde der Bauort ausgewählt?

In Frunse arbeitete damals der herausragende Architekt Askar Isajew, dem das neun-Etagen Wohnhaus an der Sowjetskajastraße zu verdanken ist. Ich bot ihm an, vor diesem Gebäude einen Springbrunnen zu bauen und er willigte ein.

Der Ort ist sonnig, wie die Stadt, und bot sich gut an, um ein Mikroklima zu schaffen, in dem sich Kinder und Erwachsene wohlfühlen konnten. Unter den Bauarbeitern waren zwei meiner ehemaligen Studenten. Ich war der Autor des Projektes und der Skizzen und stach selbst auch die Smalte aus und klebte sie an.

Auch das Projekt lief auch nicht ohne Konflikte. Der künstleriche Rat des Künstlerverbands konnte nicht akzeptieren, dass ein Dritter (in ihren Augen war ich für immer so einer) von der Stadt einen solchen Auftrag erhält. Uns wurden Hindernisse aller Art in den Weg gestellt, sie versuchten uns die auch so schon knappen Mittel zu streichen. Bei dem Versuch, mich mit den Kollegen des Künstlerverbands zu einigen, lud ich sie dazu ein, sich meine Werke anzusehen: Der Springbrunnen, das Café „Dolon“, das Kindercafé. Aber als Antwort kam nur spöttisches Lächeln und Sarkasmus.

War das der Grund dafür, dass sie Kirgisien verließen?

In gewisser Hinsicht, ja. Den entscheidenden Schlag dazu steckte ich im Jahr 1986 ein, als ich 50 wurde. Der Künstlerverband Kirgisiens hat dieses Datum einfach ignoriert, sie haben mir, der immerhin 18 Jahre in der Republik als ihr Kollege gelebt und gearbeitet hatte, noch nicht einmal einen offiziellen Glückwunsch geschickt. Nachdem ich verstanden hatte, dass ich meine künstlerichen Ideen in Kirgisien nicht mehr weiterentwickeln konnte, entschied ich mich, nach Leningrad zurückzukehren

Seitdem ist viel Zeit vergangen, aber bis heute sehen viele Einwohner Bischkeks ihren Springbrunnen als Verschönerung der Stadt. Zählten Sie auf so eine Reaktion, als Sie den Brunnen realisierten? 

Nein, ich  zählte auf die Einwohner, die zu meiner Zeit dort waren. Als ich dann viele Jahre später, bereits in Deutschland, hörte, dass der Springbrunnen von Dreck bedeckt herumsteht, dass ihn anscheinend niemand mehr braucht. Danach habe ich ganz mich bemüht, ihn zu vergessen.

Heute, in der Höhe meines Alters (ich bin schon über 80), freue ich mich, dass einige Bürger Bischkek den Springbrunnen nicht gleichgültig sehen und den neuen Bürgermeister (ein junger Mann, wie ich hörte) dazu aufgefordert haben, ihn wieder zum Leben zu erwecken. Und er hat auf sie gehört. Mir wurde ein Video geschickt, in dem Arbeiter den Springbrunnen zur Restaurierung vorbereiten und reinigen.

Die Smalte ist an manchen stellen abgefallen, sie muss wiederhergestellt werden. Ich weiss nicht, wo sie neue finden werden aber mir scheint, dass das heute nicht so schwer ist, wie zu meiner Zeit. Ich bin den Stadtbehörden sehr dankbar dafür, dass sie den Springbrunnen reparieren und restaurieren.

Zu ihrem Leben in Deutschland: Warum zogen sie dorthin und was machen sie dort ?

Hier habe ich als Maler eine zweite künstlerische Laufbahn begonnen. Während der Perestrojka, als das Land auseinanderfiel, war es nicht mehr möglich, an Interieurs und ästhetischen Räumen zu arbeiten. Ich musste irgendwie Geld verdienen und wandt mich so der Malerei zu.

Ich stellte meine kubistischen Bilder über die gorbatschjower Perestrojka in dem einziger Leningrader Kunstsalon und in der Galerie „Zerkalo“ („Spiegel“) aus. Der Direktor der Galerie war der berühmte Kunstexperte Jurij Modestowitsch Gogolitsyn. Er nahm meine Bilder sehr enthusiastisch an und verkaufte sie gut. Es stelle sich heraus, dass die meisten meiner Arbeiten von Touristen aus 37 verschiedenen Ländern aufgekauft wurden.

Nachdem ich mit einer Austellung meiner Werke in Genua einen großen Erfolg erzielte, bot man mir an, in Italien zu arbeiten. Aber ich zog ein Angebot aus Deutschland vor: Ein deutscher Bauherr und Mäzen sah meine kirgisischen Interieurs auf Bildern und lud mich nach Nürnberg ein. Dort atmete ich zum ersten Mal vollen Herzens die Luft der Freiheit. Ich spürte ein ganz anderes Verhältnis mir gegenüber.

Deutschland ist ein sauberes, gepflegtes, elegantes, unheimlich schönes Land. Ich lebe nun schon 22 Jahre in dem wunderschönen kleinen Städtchen Fürth. Die Stadt hat etwas mehr als 100 000 Einwohner aber dafür jedes Jahr bis zu 200 Kunstaustellungen (damals in Frunse gab es für eine halbe Million Einwohner kaum zehn Austellungen pro Jahr).

Wladimir Krugman
Wladimir Krugman

Hier bin ich ein freier Künstler: Ich habe ein eigenes Atelier und genieße den Respekt und die Anerkennung meiner Künstlerkollegen. Auch meine Werke finden Anerkennung und haben sich bisher in über 40 Länder verkauft. Ich in ganz Deutschland ausgestellt, von Fürth bis Berlin, außerdem in Zürich, in Paris, Brüssel und Salzburg. Dafür muss ich ständig experimentieren, immer etwas Neues in mir entdecken.

Stellen wir uns mal vor ich bin Künstler und finde mich in höherem Alter in einem Fremden Land auf. Kann ich hier erfolgreich werden?

Es geht, wenn sie sich in die neue Kultur integrieren können. Es ist egal, in welchen Land sie landen, solange sie ein russischer, kirgisischer, ukrainischer oder anderer Künstler bleiben kann man ihnen vielleicht etwas abkaufen, aber für das westliche Auge bleiben sie ein exotisches Element.

Wie sie natürlich wissen gab es in der UdSSR ein System verschiedener Titel: Volkskünstler oder –dichter, Volks- oder ausgezeichneter Schauspieler. Mit einem solchen Titel war einem ein guter Platz in der Gesellschaft sicher, man brauchte sich nicht besonders um seine künstlerische Reife zu sorgen. Hier ist so etwas nicht möglich.

Die meisten Zuschauer im Westen sind ästhetisch gut gebildet. Wenn ein Künstler nicht neue Wege sucht, sich von alten Dingen befreit, findet er kaum Erfolg.

Würden sie gerne das heutige Bischkek mit eigenen Augen sehen ? Und sind sie um ihre kirgisische Zeit nicht mehr nostalgisch ?

Manchmal träume ich von Bischkek, oder vom ehemligen Frunse, genauer gesagt. Ebenso wie das ganze Kirgisien. Die Träume sind unterschiedlich: Einmal gind ich durch die Bischkeker Straßen, suchte die Krasnooktjabrsaja-Straße („Roter Oktober“) ohne sie zu finden, erkannte die Stadt nicht mehr.

Ich bereue nicht, einen Teil meines Lebens dort verbracht zu haben. Das ist ein Teil meines künstlerischen Schicksals. Was dort passiert ist, wie es passiert ist, das ist alles Vergangenheit. Aber ich habe in dem Land Freundschaften geschlossen, wenn auch wenige. Über sie kann ich mit Puschkin sagen: Manche sind fort und andere fern („иных уж нет, а те далече“ im Original, aus Eugen Onegin, Anm. d. Red.).

Es gab dort herausragende Leute: Die Journalisten Leonid Djadjutschenko und Wilora Aktschurina, die Architekten Gennadij Kutateladze und Rafkat Machamadijew, die Künstler Lidija Iljinoj, Gapar Ajtijew und Ewgenij Kusowkin (diese drei Mitglieder des kirgisischen Künstlerverbands gaben mir schriftliche Empfehlungen zum Eintritt in den Verband, aber ihre Unterstützung war nicht ausreichend).

Gesund und munter, wenn auch fern sind meine zwei alten Frunser Freunde Walerij Sandler und Alexandr Barschaj, beide Journalisten. Der erste ist schon lange in Amerika, der zweite in Israel.

Nach Bischkek fliegen? Das wäre nicht schlecht, aber in meinem Alter ist das nicht ganz einfach. Früher reiste ich relativ aktiv, aber mein Gesundheitszustand macht Langstreckenflüge problematisch.

Meine Antwort auf die Frage zur Nostalgie wird kurz: Ich war früher nicht nostalgisch und auch nicht heute. Denn ich bin hier in meiner Kunst, in meiner Arbeit erfüllt und ständig gefordert.

Walerij Sandler und Metin Dschumagulow
für Kloop.kg

Aus dem Russischen übersetzt von Florian Coppenrath

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