Die „Feministische Initiative Bischkek“ hat anlässlich des Weltfrauentags am 8. März 2016 ein Gedenkmarsch von Aktivisten der Frauenrechtsbewegung in Bischkek organisiert. Es ist nicht die erste Aktion, die kirgisische Feministen in ihrer Hauptstadt durchführen. Open Asia stellt eine Chronologie ihrer Tätigkeiten in den letzten Jahre vor.
Während der 8. März in der kirgisischen Gesellschaft weiterhin als Tag des Frühlings und der Weiblichkeit gefeiert wird, als etwas Emotionales und Schönes wahrgenommen wird, fordern feministische Aktivisten wiederholt, ihn als Tag der Solidarität und der Frauenrechte zu feiern. Am 8. März 2016 nahmen die Mitglieder der feministischen Bewegung in Kirgistan die zentralen Straßen Bischkeks ein, ihre Forderungen: ein Ende der Gewalt gegen Frauen und Maßnahmen gegen Diskriminierung.
Eine der Teilnehmerinnen, Designerin und Gründerin der Bürgerrechtsorganisation „Nasik kys“, meint: „Am 8. März sollte man keine Pralinen kaufen, sondern an den Schutz der Rechte von Frauen und Mädchen denken“.
„Was macht Bakir Uluu unter meinem Rock?“
Auf der Internetseite der „Feministischen Initiative Bischkek“ wurde 2012 eine Bilderserie unter dem Motto „Was macht Bakir Uluu unter meinem Rock?“ veröffentlicht. Die Aktion war eine Antwort auf die Forderung des kirgisischen Parlamentsmitglieds Tursunbaj Bakir Uulu, die Kleiderordnung für Frauen im Parlament zu verschärfen. „Gerade in der Pause lief auf dem Gang vor meinem Büro eine junge Frau im Minirock entlang. Eigentlich sehe ich bei so etwas nicht hin, aber hätte ich nicht nach vorn geschaut, hätte ich stolpern und fallen können“, sagte der Abgeordnete damals.
Er rief eine Initiative ins Leben, um zu kurze Kleidung zu verbieten, welche einem Parlament unangemessen sei und die Männer von ihrer Arbeit ablenke.
Eine Antwort von Tursunbaj Bakir Uulu auf die Aktion blieb nicht lange aus. Auf Facebook schrieb er: „Und wenn eure Aktion eine Beleidigung für einen gläubigen Menschen wie mich ist und ich andere Muslime gegen euch aufhetze, was glaubt ihr, was dann passiert?! Was haben euch die USA und Israel bezahlt, um mich und den Islam in Kirgistan in Verruf zu bringen?“
„Fußball und ich gegen Gewalt!“
Im August 2012 organisierten Aktivisten ein Freundschaftsspiel zwischen den Frauenmannschaften aus der Oblast Tschui und der Hauptstadt Bischkek. Es war das erste Spiel der Serie „Fußball und ich gegen Gewalt“ als Teil der Aktion „Gemeinsam beenden wir die Gewalt – Zeit zu handeln, Kirgistan!“. Die internationale Kampagne „Unite to End Violence Against Women“ wurde 2008 vom UN-Generalsekretär Ban Ki-moon ausgerufen. Daten der UN zufolge werden weltweit zwischen 15% und 75% aller Frauen und Mädchen im Laufe ihres Lebens Opfer sexueller oder körperlicher Gewalt durch Männer.
19.000 Flaggen
Im Dezember 2012 stellten feministische Aktivisten auf dem Platz vor dem Denkmal der Revolutionskämpfer 19.300 Flaggen auf. Jede stand für eine Frau, die Gewalt erlebt: 9.800 rote Fahnen für zwangsverheiratete Frauen, 2.000 weiße für Opfer sexueller Gewalt, 7.500 violette für Opfer häuslicher Gewalt. Diese Installation war der Abschluss einer 16-tägigen Kampagne gegen geschlechtsbasierte Gewalt in Kirgistan und wurde mit Unterstützung der UN aufgestellt. Auf Youtube dokumentiert ein Video mit dem Titel „Feminismus im Zentrum Bischkeks“ die Aktion.
[youtube https://www.youtube.com/watch?v=41Y1971q9jI?list=PLXE3SOX7GAzJ2Q2rMX-QoMOdd6stmyBwe]
„Ich tanze, weil ich liebe“
Vertreter der feministischen Bewegung in Bischkek organisieren jedes Jahr Aktionen im Kampf gegen geschlechtsbezogene Diskriminierung. Am 14. Februar 2013 beispielsweise bot die Gruppe „V-day Bischkek“ zusammen mit der in Kirgistan bekannten Sängerin Saltanat Aschirowa eine Tanzperfomance für ein Ende der Gewalt gegen Frauen dar.
[youtube https://www.youtube.com/watch?v=SevcEbnkgb0]
„Danke, Yrgal!“
Mitglieder der „Feministischen Initiative Bischkek“ führten am 6. März 2013 eine friedliche Aktion vor dem kirgisischen Regierungssitz aus. Die Aktivisten artikulierten ihren Protest gegen einen durch die Abgeordnete Yrgal Kadyraliewa eingebrachten Gesetzesentwurf, der vorsah, die Reisefreiheit von Kirgisinnen unter 23 Jahren an die Zustimmung der Eltern knüpfen. Der Weltfrauentag am 8. März war ebenso Anlass für die Versammlung.
Die Initiatorin Galin Sokolowa erklärt: „Wir sind heute vor den Regierungssitz gezogen, um Yrgal Kadyraliewa dafür zu danken, dass sie die Bestrebungen und Anstrengung aller kirgisischen Frauen und Mädchen sowie die Fortschritte der letzten 20 Jahre mittels Gesetz zunichtemachen könnte. Das Gesetz ist eine klare Verletzung unserer Rechte. Außerdem sind wir der Ansicht, dass der 8. März politisiert und ihm seine vorrangige Bedeutung – der Kampf für Frauenrechte – zurückgegeben werden muss. Wir werden mit Geschenken und Blumen besänftigt, aber wir wollen die Wahl haben.“
Kritik und Aggression aus der Gesellschaft
Doch nicht alle feministische Aktivitäten laufen ruhig ab. So wurden im März 2014 Mitglieder der „Feministischen Initiative Bischkek“ während einer Info-Veranstaltung unweit des Osch-Basars in Bischkek von unbekannten Männern attackiert. Die Angreifer hielten das Venussymbol für ein christliches Kreuz und schlugen den Aktivisten auf Kopf und Hände. Ein männlicher Teilnehmer der Veranstaltung wurde für einen Homosexuellen gehalten und zu Boden geprügelt.
Die Website kloop.kg berichtete, dass rund 40 Menschen die Aktivisten beim Kragen packten, ihnen Zigarettenrauch ins Gesicht bliesen und die Schalen von Sonnenblumenkernen nach ihnen spuckten. Als sich die feministische Gruppe auflöste, wurde sie verfolgt und lauthals bedroht. Während die Angreifer den Info-Stand der Initiative zerschlugen, riefen sie: „Wozu Frauenrechte? Warum habt ihr Kreuze am Stand? Seid ihr etwa keine Muslime?“
Hassbotschaften im Internet
Mehrmals schon wurden feministische Vorkämpfer im Internet angefeindet. Neuigkeiten zu Tätigkeiten und Kampagnen werden boshaft kommentiert. Zu den Aktionen am 8. März 2016 äußerten sich YouTube-Nutzer folgendermaßen:
„Könnt ihr klar sagen, was ihr wollt? Welche verdammten Rechte denn noch? Wir leben in einem säkularen Staat, Frauen besitzen das Wahlrecht, sitzen im Parlament, arbeiten in staatlichen Institutionen. Was wollt ihr noch? Ihr macht viel Lärm um irgendwelche Rechte. Feministen sind heutzutage dumm und faul und haben niemanden, der sie mal gut durchfickt und denken sich Scheiße aus wie Kundgebungen zu Rechten, die sie bereits haben“
„Ihr Wahnsinnigen. Bleibt zuhause und kocht Borschtsch oder Beschbarmak. Am besten beides“
„Tod. Umbringen“
„Idioten“
„Geht ficken“
„Ihr dummen Säue solltet mal heiraten. Wenn schon nix anderes, dann zumindest das“
„Gewalt darf nicht entschuldigt werden“
Aisat Schakijewa, ein Mitglied der „Feministischen Initiative“, stand bereits mehrmals gegen geschlechtsbezogene Gewalt ein. Aisat kommt aus der Nähe der südkirgisischen Stadt Osch, lebt und arbeitet aber in Bischkek. Sie nahm am Gedenkmarsch zum 8. März teil. Auf ablehnende Kommentare reagiert Aisat schon lange nicht mehr, aber sie sagt: „Auf der Demonstration am 8. März haben wir unsere Interessen benannt und unsere Position klar gemacht. Wenn dann geschrieben wird, dass man uns umbringen – umbringen! – sollte, wird mir bewusst, wie viel Arbeit vor uns liegt, und wie viel Gewalt gegen Frauen in unserer Gesellschaft tagtäglich ausgeübt wird.“
Ein Feminist mischt das kirgisische Internet auf
Vor einigen Jahren trat der Kirgise Danijar Aitman in Erscheinung, der mit seinen feministischen Posts in sozialen Netzwerken Aufsehen erregte. Zum ersten Mal bezog in Kirgistan ein Mann Stellung zu Frauenrechten und löste damit eine hitzige Debatte aus, die viele feministisch gesinnte Menschen begeisterte. Aitmans Posts rufen auch negative Reaktionen hervor: „Pantoffelheld“ ist noch die mildeste Formulierung. Das hält ihn aber nicht davon ab, weiterhin zu bloggen und Frauen zu unterstützen, die für ihre Rechte eintreten, wie mit diesem Beitrag zum 8. März mit dem Titel „Der 8. März ist der Weltdienerinnentag“. Darin schreibt Aitman:
„Am 8. März 2016 hat Kirgistan wieder einmal den Weltfrauentag gefeiert: Die Frauen haben mal wieder das Festtagsessen verhunzt und die Männer haben ihnen Blumen und Geschenke mitgebracht und sagten Trinksprüche voller Dankbarkeit und Liebe auf.
Der 8. März gilt als Tag, an dem die Gesellschaft die Frau feiert, aber ich bin mir sicher, dass es einem Außerirdischen oder einem Ausländer (was fast das gleiche ist) hier eher so vorkommt, als ob wir die Demütigung und Versklavung der Frau feierten[…].“
Von Alia Suranova, zuerst erschienen bei Open Asia
Aus dem Russischen von Simon Barthelmess