Der Skandal um die tschechische Firma Liglass Trading, die einen lukrativen Deal für den Bau von Wasserkraftwerken am Naryn-Fluss landete, mag im kirgisischen Wahlkampf untergegangen sein. In Tschechien geht die seltsame Geschichte derweil in die nächste Runde: Tschechische Medien werfen den Beteiligten neben Inkompetenz Korruption auf höchster politischer Ebene vor.
Kirgistan steht bei seiner Suche nach einem Investor für den Ausbau der Naryn-Kaskade wieder ganz am Anfang. Vertreter der unbekannten tschechischen Firma, die diesen Sommer überraschend den Zuschlag für das Energie-Großprojekt bekam, bestätigten, dass sie nicht über das Geld verfügen um das Projekt weiterzuführen. Die Chronik der Ereignisse, die dem gescheiterten Deal vorausgehen, liest sich mehr als zweifelhaft.
Rückblick
Im Sommer 2017 gewinnt die weithin unbekannte Liglass Trading CZ, s.r.o. die mit mehreren Millionen Dollar dotierte Ausschreibung über den Bau und Betrieb von zwei großen und zehn kleineren Wasserkraftwerken am oberen Naryn. Damit sichert sich die tschechische Firma eines der größten Energieprojekte Kirgistans, für das zuvor die russische RusGidro zuständig war. Deren Vertrag kündigte die kirgisische Regierung bereits 2015 auf – Grund waren angeblich mangelnde Finanzressourcen auf russischer Seite. In Gegenwart von Präsident Atambajew wird am 10. Juli der Vertrag zwischen der kirgisischen Regierung und Liglass Trading unterzeichnet.
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Wenige Tage nach Bekanntwerden des Deals enthüllen kirgisische und tschechische Medien Details zum Zustandekommen: So ging dem Vertragsabschluss ein Treffen von Almasbek Atambajew mit dem tschechischen Präsidenten Miloš Zeman bei der Expo 2017 in Astana voraus. Beide Staatsoberhäupter sprachen unter anderem auch über die Firma Liglass, wie der Honorarkonsul der Tschechischen Republik in Bischkek, Marat Janbaev, bestätigte. Für die unbekannte tschechische Firma setzte sich zudem Vratislav Mynář, Kanzleichef des Präsidenten, ein; ein entsprechender Lobby-Brief an seinen kirgisischen Gegenpart wurde mittlerweile in tschechischen Medien veröffentlicht.
Wer sind die Tschechen?
Die mysteriöse tschechische Firma lässt schnell Zweifel an der Realisierbarkeit des Projekts aufkommen. Liglass Trading ist in der Energiebranche weithin unbekannt, verfügt über keinerlei nennenswerte Referenzen und weder das tschechische Außenministerium noch das Ministerium für Industrie und Handel kennen die Firma.
Reporter des Nachrichtenportals Aktuálně.cz finden bei ihren Recherchen unter dem offiziell registrierten Firmensitz in Železný Brod lediglich leerstehende Gebäude. Es sei mehr als zweifelhaft, ob Liglass überhaupt über die nötigen Ressourcen und das Kapital für eine solche Großinvestition verfüge, so die kirgisische Nachrichtenseite 24.kg. Liglass Tradings Finanzbericht für 2014 listet Verluste in Höhe von $53,000 – eine nicht gerade überwältigende Summe für eine Firma, die ein Projekt leiten soll das letztlich bis zu $700 Millionen kosten könnte.
Dann, Mitte September rudert die kirgisische Regierung zurück: Der Vertrag mit Liglass Trading wird aufgekündigt. Wie Premierminister Sapar Isakow bei einer Regierungssitzung am 18. September verkündet, werde sein Kabinett den Vertrag beenden und den Auftrag neuvergeben. Laut Vertrag war Liglass verpflichtet bis zum 19. September RusHydros Anteile in Höhe von $ 37 Millionen aufzukaufen; dieser Verpflichtung war die Firma nicht nachgekommen.
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Am 10. Oktober erklärt die kirgisische Regierung die einseitige Aufkündung des Vertrags für endgültig, während Firmenchef Michael Smelik das letzte Wort noch nicht gesprochen sieht: Er wirft der kirgisischen Regierung Vertragsbruch vor. Seine Firma sei Opfer einer Medienkampagne sowie „innenpolitischer Streitigkeiten“ im Vorfeld der kirgisischen Präsidentschaftswahlen geworden.
Unterstützung aus der Prager Burg
Während die Causa Liglass Trading in Kirgistan vorerst abgeschlossen zu sein scheint, geht es in Tschechien um weit mehr als eine Blamage im fernen Zentralasien. Der Fall wirft Fragen nach der Verwicklung des tschechischen Präsidenten Miloš Zeman und seines Kanzleichef Mynář auf: Wie konnte sich Zeman während der Expo 2017 auf höchster diplomatischer Ebene für eine Firma einsetzen, die niemand kennt, die unter zweifelhafter Adresse siedelt und bei der Zweifel bestehen, ob sie überhaupt in der Lage wäre solch ein Groß-Projekt zu stemmen? Und vor allem: wie viele solcher „Liglass-Fälle“ gibt es noch? – so eine der größten tschechischen Tageszeitungen, Lidové noviny.
Eine mögliche Erklärung fand nun das Nachrichtenportal Aktualne.cz: Liglass Trading habe im vergangenen Jahr 200.000 CZK (rund 7.7000€) an die Partei Strana práv občanů (SPO, Partei der Bürgerrechte) gespendet, die Zemans erfolgreiche Präsidentschaftskampagne im Jahr 2013 finanziert und organisiert hat. Auf die Korruptionsvorwürfe hin antwortete der tschechische Präsident, er sei kein aktives Mitglied der SPO und wisse nichts von solchen Zuwendungen.
Ebenso wie Kirgistan trifft der Liglass-Skandal Tschechien mitten im Wahlkampf: Im Oktober wird ein neues Parlament gewählt, Anfang 2018 stehen in Tschechien Präsidentschaftswahlen an.
Alexandra Wedl
Autorin für Novastan
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Roman Lahodynsky, 2017-10-21
1.) Electricity production in Czech Republic is mainly based on nuclear power stations.
2.) A „trading“ company’s goal is trading, not building of technical facilities like hydro power stations.
3.) scientists and technicians very rarely enter politics
These 3 points offer the explanations for this result.
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