Das Semipalatinsker Polygon im Osten Kasachstans – zu Sowjetzeiten Testgelände für Atombomben – wird bald als Deponie für nukleare Abfälle des Metallurgie-Unternehmens Ulba verwendet werden.
Wie das kasachstanische Onlinemedium Vlast.kz berichtet, haben das kasachstanische Ministerium für Umwelt, Geologie und Natürliche Ressourcen sowie das Unternehmen Kazatomprom am 17. Februar ein Kooperationsabkommen zum Schutz der Umwelt unterzeichnet. Das Dokument sieht insbesondere die Durchführung eines Projekts zur Entsorgung radioaktiver Abfälle auf dem Gelände des Semipalatinsker Polygons vor, einem ehemaligen Gelände für sowjetische Atomtests. Die deponierten Abfälle stammen angeblich aus einer Fabrik des Metallurgie-Unternehmens Ulba, dem landesweit größten Produzenten von Uran, Beryllium und Tantal.
Novastan ist das einzige deutschsprachige Nachrichtenmagazin über Zentralasien. Wir arbeiten auf Vereinsgrundlage und Dank eurer Teilnahme. Wir sind unabhängig und wollen es bleiben, dafür brauchen wir euch! Durch jede noch so kleine Spende helft ihr uns, weiter ein realitätsnahes Bild von Zentralasien zu vermitteln.
Umweltminister Magzum Mirzagaliev argumentierte auf Twitter, dass durch die Maßnahme „alle Auswirkungen radioaktiver Abfälle auf die Umwelt und die Bevölkerung so weit wie möglich ausgeschlossen werden“.
Это максимально исключит какие-либо воздействия радиоактивных отходов на окружающую среду и население региона. Будет также проведен тех.аудит на предприятиях компании для дальнейшего внедрения наилучших доступных технологий. pic.twitter.com/dIag3CpnRw
— Magzum Mirzagaliev (@MirzagalievKZ) February 17, 2020
Die Initiative entspricht der Umweltpolitik des kasachstanischen Präsidenten Qassym-Jomart Toqaev. Derzeit wird ein neues Umweltgesetz erarbeitet, das spezifische technische Audits von mehr als 2000 Unternehmen vorsieht – darunter der kasachstanische Atomenergieriese Kazatomprom.
Semipalatinsk: Der sowjetische Albtraum?
Das circa 150 Kilometer von Semeı (ehemals Semipalatinsk) gelegene Kernwaffentestgelände ist ein Relikt der Sowjetunion. Es wurde von 1949 bis 1989 betrieben und erstreckt sich auf drei Regionen im Osten Kasachstans: Pavlodar, Qaraģandy und Ostkasachstan. 1949 zündete Moskau dort eine erste Atombombe. Zwei Drittel der sowjetischen Atomtests – insgesamt 467 ober- und unterirdische Explosionen – wurden auf diesem Territorium durchgeführt.
Lust auf Zentralasien in eurer Mailbox? Abonniert unseren kostenlosen wöchentlichen Newsletter mit einem Klick.
Die Wahl von Semipalatinsk als Atomtestgelände war damals von der Regierung mit der geringen Bevölkerungsdichte in der Umgebung begründet worden. Dennoch waren schätzungsweise rund 1,5 Millionen Menschen von radioaktiven Niederschlägen betroffen. Die tatsächliche Zahl der Opfer der Versuche ist nicht bekannt. Laut einem Bericht der russischen Tageszeitung Kommersant schätzte im Jahr 2016 Sergeı Lukashenko, Direktor des Instituts für Strahlenschutz und Ökologie, dass mehr als 10.000 Einwohner direkt betroffen waren. Die Kindersterblichkeit und die Krebsdiagnosen hätten während der Nutzungsdauer des Standorts drastisch zugenommen. Derzeit werden Tests durchgeführt und es wird erwartet, dass bis 2021 ein Abschlussbericht vorliegen wird.
Lest auch auf Novastan: Semipalatinsker Testgelände: Das atomare Erbe der Sowjetunion in Kasachstan
Auf internationaler Ebene setzt sich Kasachstan gegen die Verbreitung von Kernwaffen ein. 2009 initiierte das größte zentralasiatische Land bei den Vereinten Nationen unter anderem ein Projekt für einen internationalen Tag gegen Nuklearversuche. Der 29. August – der Tag, an dem das Semipalatinsker Polygon 1991 geschlossen wurde – ist seitdem Gedenktag für die Opfer von Atomtests. Kasachstan zählt auch zu den ersten Staaten, die auf Atomwaffen verzichtet und ihr Territorium als atomwaffenfrei erklärt haben.
Agathe Guy, Redakteurin für Novastan
Aus dem Französischen von Robin Roth
Noch mehr Zentralasien findet ihr auf unseren Social Media Kanälen, schaut mal vorbei bei Twitter, Facebook, Telegram, Linkedin oder Instagram. Für Zentralasien direkt in eurer Mailbox könnt ihr euch auch zu unserem wöchentlichen Newsletter anmelden.
Gössler, 2020-04-11
Der Korruption in Kasachstan sollte man echt mal den Kampf ansagen, sonst wird das immer ein „Drittland“ bleiben.
Und die Kasachen sollen endlich mal für eine Krankenersicherung auf die Barrikaden steigen, das ist ein MUSS für
ein modernes Land.
Eigentlich so ein reiches und schönes Land!
War schon 2x mal dort, da liegt so viel Potenzial brach.
BG
Reply