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Chronik von Kasachstan: Wie die usbekischen Medien über die Proteste und Unruhen berichteten

Die Unruhen, die Anfang Januar Kasachstan erschütterten, waren auch in den Nachbarländern ein mediales Thema. Wie haben die Medien in Usbekistan berichtet? Die folgende Analyse von Hook erschien am 14. Januar. Wir übersetzen sie mit freundlicher Genehmigung der Redaktion. Das neue Jahr begann mit massiven und Protesten in Kasachstan.  Zeugenaussagen zufolge war am 1. und 2. Januar in Almaty alles ruhig. Friedliche Kundgebungen begannen in der Stadt Jańaózen, breiteten sich aber schnell über das ganze Land aus. Der offizielle Grund war ein Anstieg des Flüssiggaspreises. Die Situation geriet jedoch schnell außer Kontrolle. Der gekappte Internetzugang in Kasachstan führte zu einer Vielzahl von Gerüchten, Spekulationen und unbestätigten Informationen über die Proteste. Die Hauptquelle für Nachrichten waren lange Zeit die staatlichen Medien in Kasachstan sowie einige wenige Ausgaben, denen es gelang, das Geschehen im Lande zu verfolgen. Bemerkenswert ist, dass die Medienberichterstattung Usbekistans über die Proteste in der Nachbarrepublik hauptsächlich von anderen Nachrichten dominiert wurde. Bis zum 4. Januar berichteten die usbekischen Medien überhaupt nicht über die Geschehnisse in Kasachstan.

Protest Kasachstan
"Wir sind einfache Menschen, keine Terroristen" - Protestierende am 6. Januar 2022

Die Unruhen, die Anfang Januar Kasachstan erschütterten, waren auch in den Nachbarländern ein mediales Thema. Wie haben die Medien in Usbekistan berichtet? Die folgende Analyse von Hook erschien am 14. Januar. Wir übersetzen sie mit freundlicher Genehmigung der Redaktion. Das neue Jahr begann mit massiven und Protesten in Kasachstan.  Zeugenaussagen zufolge war am 1. und 2. Januar in Almaty alles ruhig. Friedliche Kundgebungen begannen in der Stadt Jańaózen, breiteten sich aber schnell über das ganze Land aus. Der offizielle Grund war ein Anstieg des Flüssiggaspreises. Die Situation geriet jedoch schnell außer Kontrolle. Der gekappte Internetzugang in Kasachstan führte zu einer Vielzahl von Gerüchten, Spekulationen und unbestätigten Informationen über die Proteste. Die Hauptquelle für Nachrichten waren lange Zeit die staatlichen Medien in Kasachstan sowie einige wenige Ausgaben, denen es gelang, das Geschehen im Lande zu verfolgen. Bemerkenswert ist, dass die Medienberichterstattung Usbekistans über die Proteste in der Nachbarrepublik hauptsächlich von anderen Nachrichten dominiert wurde. Bis zum 4. Januar berichteten die usbekischen Medien überhaupt nicht über die Geschehnisse in Kasachstan.

Nachrichten

Das unverfälschteste Bild von den Geschehnissen in Kasachstan zeichnete Gazeta.uz. Ab dem 4. Januar berichteten diese Onlinezeitung recht ausführlich über die Geschehnisse, prüfte sorgfältig die Fakten und zitierten offizielle Quellen. Gazeta.uz begann ihre Serie von Berichten vor den übrigen Medien und die erste Veröffentlichung erschien am 4. Januar, als die ersten Demonstrierenden auf die Straße gingen. Anschließend verfolgte die Onlinezeitung die Ereignisse und berichtete ausführlich über die Lage in Kasachstan. Insgesamt wurden 35 Berichte verfasst, wobei die Entwicklungen in den ersten Tagen der Proteste besonders aufmerksam verfolgt wurden. Mit Ausnahme der [in Russland ansässigen, Anm. d. Ü.] Nachrichtenagentur Fergana veröffentlichte von allen usbekischen Medien nur Gazeta.uz die Nachricht über die Verhaftung eines kirgisischen Musikers, der für einen ausländischen Randalierer gehalten wurde. Die übrigen Medien des Landes ignorierten diese Nachricht. Lest auch auf Novastan: Die Proteste in Almaty – Schlüsselpunkt der Unruhen in Kasachstan Staatliche Portale wie die Nachrichtenagentur UzA und die Website des Präsidenten veröffentlichten lediglich einen Bericht über die Telefongespräche, ohne näher darauf einzugehen, worum es in diesen Gesprächen ging und worauf sich die Präsidenten schließlich geeinigt haben. Außerdem ist es aufgrund von Fehlern auf der Website fast unmöglich, das Datum der Veröffentlichung auf UzA zu verfolgen. Im Allgemeinen versuchten die Nachrichtenagenturen des Landes, sich an die offizielle Agenda zu halten, und veröffentlichten hauptsächlich Nachrichten über Gespräche zwischen den beiden Präsidenten, Warnungen des Außenministeriums, Berichte von staatlichen Websites und ähnliche Meldungen, ohne auf den Kern des Problems einzugehen. Die meisten Medien, wie zum Beispiel Podrobno, beschränkten sich auf allgemeine Übersichten über die Proteste sowie auf Podcasts, in denen Nachrichten aus Kasachstan zur allgemeinen Tagesordnung gehörten. Uznews und Novosti Uzbekistana berichteten am wenigsten über Kasachstan: 13 Nachrichten über die Geschehnisse im Nachbarland bei Uznews und neun bei Novosti Uzbekistana. Das Hauptaugenmerk lag auf der Rückführung von Landsleuten nach Usbekistan, Flugstornierungen und erneuten Telefonaten. Lest auch auf Novastan:Neue Regierung und Truppenabzug: Kasachstan vor der Rückkehr zur Normalität?  Kun.uz berichtete in seiner russischsprachigen Version ebenfalls ausführlich über die Geschehnisse in Kasachstan. Anders als zum Beispiel Gazeta.uz blieb Kun.uz jedoch nicht immer neutral – in Schlagzeilen und Teaser schlich sich nicht selten ein Werturteil ein, wie in dem Beitrag von Ulugbek Akbarov, der als Journalist seine Einschätzung der Geschehnisse gibt und genau wie die kasachstanische Regierung die Vorgänge im Land als Terrorismus bezeichnet. Im Gegensatz zu anderen Medien bemüht sich Kun.uz jedoch um Vielfalt: Die Publikation hat sowohl über Dariģa Nazarbaeva, die Tochter des ehemaligen Präsidenten Nursultan Nazarbaev, als auch über die kriminellen Elemente in Kasachstan berichtet, welche angeblich an den Protesten beteiligt waren. Es ist schwer zu sagen, wie objektiv diese Informationen sind, aber vor dem Hintergrund der anderen Medien ist es ein interessanter Versuch, die Nachrichtenagenda zu diversifizieren. Unabhängig davon ist Fergana zu erwähnen, das sich ebenfalls stark auf die Berichterstattung über die Geschehnisse in Kasachstan konzentrierte. Hier wurden die meisten Nachrichten über die Proteste und die Reaktionen Usbekistans veröffentlicht. Bemerkenswert ist, dass es das kasachstanische Informationsministerium war, das auf die Veröffentlichung von Fergana reagierte. Lest auch auf Novastan: Nur-Sultan ohne Nazarbaev: Gründe und Folgen der Krise in Kasachstan Das Ministerium warf Fergana vor, absichtlich falsche Informationen zu verbreiten. Das Material selbst befasste sich mit dem Machtkampf zwischen den Clans in Kasachstan und der Rolle der Familie des ehemaligen Präsidenten bei den Protesten. Bislang ist dies der einzige Fall, in dem die kasachstanischen Behörden auf die Berichterstattung aus Usbekistan reagiert haben. Wenn man über die Nachrichtenagenda spricht, muss man auch Sputnik erwähnen, da [das russische Auslandsmedium, Anm. d. Red.] ein Redaktionsbüro in Usbekistan unterhält. Da sich Sputnik im Besitz der von Russia Today befindet, ist es ziemlich vorhersehbar, dass die Nachrichten auf der Website eine leicht pro-russische Färbung und ein Werturteil haben würden. Die Website verfügt über einen separaten Abschnitt zum Thema „Die Unruhen in Kasachstan“ mit 38 Berichten. Im Gegensatz zu anderen Medien des Landes gibt es hier Nachrichten über die Reaktionen von Putin und Peskow, die Meinungen von Duma-Abgeordneten und andere Nachrichten, die nicht mit Usbekistan zu tun haben. Trotz der Tatsache, dass sich die Publikation im Besitz einer russischen Holdinggesellschaft befindet, versuchten die Medien dennoch, ziemlich neutral zu bleiben und verzichteten auf die Bewertung persönlicher Ansichten zur Situation.

Analyse

Die Medien Usbekistans weisen wie üblich nur eine geringe Genrevielfalt auf. Die Hauptmedien des Landes sind Nachrichtenportale, und keines der oben erwähnten Medien ist ein „Nischenmedium“, das sich auf ein einziges Thema konzentriert. Spot.uz, ein Nachrichtenportal mit dem Schwerpunkt Wirtschaft, brachte nur wenige Nachrichten über Kasachstan und verzichtete auf eine Analyse. Aus irgendeinem Grund veröffentlichte Gazeta.uz eine Analyse darüber, was die Wirtschaft Usbekistans angesichts der Proteste im Nachbarland erwarte. Die Onlinezeitung untersuchte detailliert, was im Land geschah, analysierten die Exporte und Importe zwischen den Ländern und präsentierten dem Publikum eine Schlussfolgerung auf der Grundlage der gezeigten Daten. Darüber hinaus versuchte Gazeta.uz, die Ereignisse in Kasachstan unter politischen Gesichtspunkten zu analysieren und die Lage in Zentralasien zu untersuchen. Der Kolumnist Yuri Saruhanyan erklärt, worum es in dem Konflikt geht, welche Ursachen er hat und wie es weitergehen könnte. Podrobno stellte drei Veröffentlichungen mit Experteneinschätzungen zur Verfügung, von denen aber eine der Nachdruck eines Artikels der [russischen Tageszeitung, Anm. d. Red.] Kommersant und die andere ein Kommentar zu einem Bericht von [der russischen Nachrichtenagentur, Anm. d. Red.] RIA Novosti war. In allen drei Beiträgen ging es um die Frage, ob Usbekistan der Organisation des Vertrages über kollektive Sicherheit (OVKS) beitreten sollte beziehungsweise um eine Wiederholung der kasachstanischen Geschehnisse in Usbekistan. Bemerkenswert ist auch, dass in dem Beitrag über eine mögliche Wiederholung der Geschehnisse in Usbekistan bereits die Überschrift ein Werturteil enthält. Lest auch auf Novastan: OVKS-Truppen in Kasachstan: Eine kurze Premiere Sputnik druckte dieselbe Meldung von RIA Novosti ab, präsentierte aber im Gegensatz zu Podrobno zwei weitere Analysen dazu, warum die Proteste stattgefunden haben, und gab dem Westen und den USA die Schuld. Außerdem gab es einen Bericht darüber, welche Art von Terroristen nach Kasachstan gekommen seien und wie die OVKS die Region retten könnte. Die entgegengesetzte Sichtweise der Situation vertrat Fergana, das mit sechs Artikeln über die Proteste das meiste Analysematerial lieferte. Während es sich anfangs um eine einfache Berichterstattung über die Geschehnisse mit wenig Analyse handelte, reduzierte sich Ferganas Standpunkt später darauf, dass alles, was geschah, das Ergebnis eines Machtkampfes zwischen verschiedenen Clans innerhalb des Landes war. Fergana versucht, das Thema objektiv zu betrachten, geht aber fast nie auf Usbekistan ein. Neben Gazeta.uz veröffentlichte auch Kun.uz eine Analyse der Rede Lukaschenkas [auf dem OVKS-Gipfel am 10. Januar, Anm. d. Red.] sowie der möglichen Auswirkungen der Proteste auf Usbekistan. Der Beitrag von Shuxrat Shokirzhonov analysiert die Worte des belarussischen Präsidenten und zeigt auf, was Usbekistan tatsächlich befürchten muss.

Fazit

Um sich über die Geschehnisse in Kasachstan auf dem Laufenden zu halten und sich eine relativ neutrale Meinung über Ursache und Wirkung dieser Ereignisse zu bilden, muss das usbekische Publikum gleich mehrere Quellen abonnieren. Mit Ausnahme einiger Medien (zum Beispiel Gazeta.uz und Fergana) erlauben sich fast alle anderen Medien, die Ereignisse zu bewerten oder Nachrichten zu veröffentlichen, wobei sie sich an die offizielle Agenda halten.

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Und wenn in Bezug auf die Nachrichten alles mehr oder weniger akzeptabel aussieht, ist doch die Analyse der schwächste und wundeste Punkt der usbekischen Medien. Im Vergleich zu den Medien in Kirgistan und Russland gibt es in unserem Land nur wenige Publikationen, die nicht nur die Nachrichtenagenda abbilden, sondern auch versuchen, eine Sicht der Dinge zu vermitteln, indem sie Ursache und Wirkung analysieren. Vielleicht ist die schwierige finanzielle Situation in der Medienbranche der Grund für diese Notlage der Nischenmedien, vielleicht ist es aber auch der Mangel an Expert:innen. Man kann nur hoffen, dass das usbekische Publikum mit der Zeit einen besseren Zugang zu Informationen und Analysen erhält.

Hook

Aus dem Russischen von Aigerim Kozhakhmetova

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