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„A Dark, Dark Man“: Ein korrupter Polizist stellt sich der Ungerechtigkeit entgegen

CINESTAN. Der siebente Film des kasachstanischen Filmemachers Ádilkhan Erzhanov, "A Dark, Dark Man", lief diesen Herbst in den europäischen Kinos an. Er erzählt die Geschichte eines korrupten Polizisten und seines allmählichen Sinneswandels – hin zu einem Kampf gegen die Ungerechtigkeit. 

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Übersetzt von: Robin Shakibaie

Original (19. OKtober 2020)

CINESTAN. Der siebente Film des kasachstanischen Filmemachers Ádilkhan Erzhanov, „A Dark, Dark Man“, lief diesen Herbst in den europäischen Kinos an. Er erzählt die Geschichte eines korrupten Polizisten und seines allmählichen Sinneswandels – hin zu einem Kampf gegen die Ungerechtigkeit. 

In Kasachstan wurde auf dem Land ein Waisenkind vergewaltigt und getötet. Die Polizei ermittelt fadenscheinig und der Schuldige ist bald gefunden: Der geistig behinderte Dorfbewohner Pukuar (gespielt von Teoman Khos) wird eines Verbrechens angeklagt, das er nicht begangen hat. Doch nun laufen Zeugenaussagen darauf hinaus, dass der wahre Täter aus der Politik stammt…

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Für seinen inzwischen siebten Film seit 2011 taucht der kasachstanische Regisseur Ádilkhan Erzhanov in den Alltag der Dörfer seines Landes ein. Die vielen Tempowechsel des Films, das Spiel zwischen gedämpften und rapiden Szenen, zeichnen das Milieu authentisch nach und reißen den Zuschauer mit.

Ungleiche Machtverhältnisse als Leitmotive des Films

Ungleiche Machtverhältnisse sind eine zentrale Achse, auf der sich der Film bewegt: Ein Waisenkind, das als eines der schwächsten Glieder einer Gesellschaft von einem Politbaron ermordet wird. Der Polizist Bekzat (Daniyar Alshinov) ist für die Ermittlungen verantwortlich, ohne von seiner Behörde unterstützt zu werden. Schnell versteht er, dass es auch in seinem Interesse wäre, den wehrlosen Pukuar zu beschuldigen um den Fall so schnell wie möglich abzuschließen. 

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Der wiederholt an der Aufarbeitung ungelöster Fälle beteiligte Bekzat weiß, dass die Korruption ein untrennbarer Aspekt des Polizeiberufs ist. Als ‚sehr, sehr dunkler Charakter‘ ist er der titelgebende Held des Films und wandelt ganz in Schwarz gekleidet durch die Landstriche Kasachstans. Doch dieses Mal bringt etwas Bekzats Finsternis aus dem Gleichgewicht. Es ist die junge Journalistin Ariana (Dinara Baktybayeva), die als verwestlichte Stadtbewohnerin in einem weißen Trenchcoat den Hauptdarsteller kontrastiert: Ihre Recherchen zu dem Fall führen sie zur korrupten Polizeistation des Dorfes.

Eine gefährliche Wende

Zwei Welten prallen aufeinander. Das heile Universum des naiven Gutmenschentums stößt auf einen martialischen Urwald der Ungerechtigkeit. Es ist die schwer zu ertragende Anwesenheit dieser Frau, die den stillen Bekzat zwingen wird, zum ersten Mal in seiner Laufbahn eine saubere Ermittlung durchzuführen. Seine Vorurteile werden durch die schmerzhaften Fragen der neugierigen Journalistin in Frage gestellt.

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Ariana beeinflusst ihn dahingehend, dass er seine Ermittlungsstrategien ändert und fast unscheinbar das Lager wechselt: Der vormals korrupte Polizist weigert sich nun, die Ungerechtigkeit hinzunehmen. Diese Wende bringt sein Leben in Gefahr, da der Politiker nicht nachvollziehen kann, warum dieser kleine Polizist sich weigert, den Fall zu den Akten zu legen. Auch das Kollegium wendet sich von ihm ab. Die Einsamkeit der Figur des Bekzat wird von Ádilkhan Erzhanovs Kamera großartig eingefangen. Er wird zum einsamen Cowboy, der sich den Widrigkeiten der Steppe entgegensetzt. 

Der Humor überlebt die Finsternis

Den Film prägt eine graue und dunkle Atmosphäre, die mit der Aufnahme der trockenen und vergilbten Blätter eines Maisfelds beginnt. Die Stadt ist trist und schmutzig. Die Polizisten kicken mit ihren Kalaschnikows in der Hand Plastikdosen hin und her. Zwischen Herbst und Winter scheint jede Form der Hoffnung von der endlosen Steppe verschluckt, die die Landschaft teils in Sepia taucht, teils vom Schnee bedeckt.

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In dieser Welt passiert die Gewalt in der Stille. Gerechtigkeit ist ihr unbekannt und ein unerreichbares Ideal, das jeder außer der Journalistin Ariana aus seinem Denken entfernt hat. Sie und Bekzat haben eines gemeinsam: Ihre Suche nach Bedeutung in einem absurden Universum. Die Spiele des behinderten Pukuar sind die bestmögliche Verteidigung gegen den Verfall der Welt. Dieser rührende, den Unschuldigen der klassischen russischsprachigen Literatur ähnelnde Charakter sorgt für Lachen und regt zum Nachdenken an. Seine dialogfreien Szenen werden von Galymzhan Moldanazars Filmmusik begleitet und stechen als Momente der kindlichen Unverfälschtheit hervor.

Ein Cineast auf dem Erfolgsweg

Wie Erzhanovs bisherige Filme auch zieht „A Dark, Dark Man“ zu Recht die Aufmerksamkeit internationaler Kritiker auf sich. Wie sein vorheriger Film The Gentle Indifference oft he World (2018) für die Internationalen Filmfestspiele von Cannes ausgewählt wurde, läuft sein neuestes Werk auf dem L’Étrange Festival und auf dem Filmfestival von San Sebastián an.

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Seit fast zehn Jahren werden Erzhanovs Filme regelmäßig auf verschiedenen europäischen und asiatischen Festivals dargeboten. „Diejenigen, die seine Filme sehen, sind hauptsächlich Festivalbesucher, Europäer, Asiaten oder Amerikaner, aber sein Hauptpublikum ist nicht kasachisch“, erklärt Guillaume de Seille, Co-Produzent des Films langjähriger Begleiter des Regisseurs. „In Kasachstan sind die in den Kinos veröffentlichten Filme amerikanische Blockbuster oder Bollywood-Filme. Aber außerhalb des Landes ist Ádilkhan vielleicht der anerkannteste und geschätzteste kasachische Filmemacher.“ Es bleibt abzuwarten, wie dieser Film in Zeiten der Ausgangssperren aufgenommen wird. Erzhanovs nächster Film „Yellow Cat“ ist auch bereits fertigstellt und wartet auf seine Premiere.

Eléonore de Vulpillières, Redakteurin für Novastan France

Aus dem Französischen von Robin Shakibaie

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