Monostädte sind während der Sowjetzeit in allen Teilrepubliken entstanden. Was zeichnet sie bis heute aus? Und wo liegen die Probleme, aber auch die Chancen der Monostädte Usbekistans? Podrobno.uz ist dieser Frage nachgegangen.
Zwar sind die Probleme der Monostädte, geschweige denn das Konzept einer Monostadt, noch nicht in aller Munde. Dennoch gibt es sie. Vorweg darum als kurze Definition: Als Monostadt werden Orte bezeichnet, dessen Gründung eng an das Bestehen ansässiger stadtbildender Unternehmen und damit an Arbeitsplätze geknüpft sind.
Monostädte finden sich in vielen ehemaligen Mitgliedsstaaten der Sowjetunion wieder. Sie entstanden aus vielerlei Gründen, sei es im Zuge der Industrialisierung in den 30ern, aufgrund der Evakuierung von Unternehmen während des Zweiten Weltkriegs oder als Teil eines kriegsindustriellen Plans wie im Atom- oder Kosmos-Sektor. Charakteristisch für usbekische Monostädte ist ihre geographische Nähe zu großen Vorkommen von Bodenschätzen.
In der Sowjetunion entstanden sie meist weit entfernt von den Absatzmärkten oder waren extremen klimatischen Bedingungen ausgesetzt. Nach dem Umstieg auf die Marktwirtschaft verstärkte das die Probleme maßgeblich.
Monostadt ist nicht gleich Monostadt
Usbekistan hat sich den Problemen der Monostädte bislang noch nicht angenommen. Allerdings kommt es aktuell zu Investitionen im Rahmen einer Stadtentwicklungsreform, die auf eine höhere Attraktivität der betroffenen Städte abzielt. Der Präsident [Shavkat Mirziyoyev, Anm. d. Red.] verordnete im Zuge des Programms „Usbekistan – 2030“ verschiedene Aufgaben: Der Bau von einer Million Wohnungen, die Anlegung von 100 Parks im Style des „Neuen-Usbekistan-Parks“ in Taschkent [der anlässlich des 30. Unabhängigkeitsjubiläums eingeweiht wurde, Anm. d. Ü.], der Ausbau der Wohnungen von 200.000 Familien sowie der Bau von Sozialwohnungen, in denen 140.000 Familien Platz finden sollen.
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Als vereinsgetragene, unabhängige Plattform lebt Novastan vom Enthusiasmus seiner ehrenamtlichen Mitarbeiter:innen – und von eurer Unterstützung!Die usbekischen Monostädte lassen sich in zwei Kategorien aufsplitten. Die erste zählt eine beachtliche Menge geschlossene, einst stadtbildende Unternehmen. Die ehemaligen Arbeitskräfte zogen unterdessen nicht weg, woraufhin sich das Stadtbild wandelte: Die Einwohner suchten hier nicht mehr nur Arbeit, sondern auch das städtische Miteinander. In diese Kategorie fallen Krasnogorsk (Provinz Taschkent), Uygʻursoy (Provinz Namangan), Janubiy Olamushuk (Provinz Andijon), Qoʻytosh (Provinz Jizzax) und Langar (Provinz Navoiy) Das dort zu beobachtende und nicht sinkende Bevölkerungswachstum ist mit der allgemeinen Migration in Richtung Monostädte zu erklären.
„Die meisten Monostädte winken weniger mit Arbeitsplätzen in der Industrie, sondern mit einem verhältnismäßig angenehmen Lebensstandard auf Kosten der mangelnden städtischen Infrastruktur“, erklärt der Experte Shahongir Ismatov, Mitarbeiter des Lehrstuhls für Geografie an der Pädagogischen staatlichen Universität von Chirchiq.
In der zweiten Kategorie der Monostädte kommt es zu einem Austausch der ehemaligen arbeitenden Bevölkerung durch eine weniger produktive Gesellschaftsschicht. Kurz, in solche Monostädte ziehen die, deren Budget für ein Leben in der Großstadt nicht ausreicht. In der Folge erwachsen bedrückende Städte, die Menschen mit geringem Einkommen beherbergen.
Die Entwicklung der Monostädte
Experten sehen das Aufkommen der Monostädte in einem Abklingen der kommerziellen Aktivität begründet. Dieser sei mit einem breiteren Tourismus- und Freizeitangebot entgegenzuwirken. Die Stadt Yangiobod hat sich beispielsweise zu einem Tourismusmagnet entwickelt. Eine nicht unwesentliche Rolle spielten hierbei die Nähe zur Hauptstadt Taschkent sowie die Nähe zur Natur und das hierdurch entstehende Freizeitangebot.
„Eine solche Entwicklung ist perspektivisch auch auf weitere Städte wie Krasnogorsk, Hanabad, Qoʻytosh, Langar und Sharg´un übertragbar“, ist sich der Experte sicher. „Hierfür ist aktive Unterstützung seitens der Unternehmer, die Bereitstellung von Sonderkrediten, steuerliche Vorzüge und weitere finanzielle Unterstützung von Nöten.“
Leben in der Monostadt: Leben in der Monostadt
Essenziell sei außerdem eine Modernisierung des Verkehrssystems, der sozialen Infrastruktur und der öffentlichen Dienstleistungen sowie ein besserer Umgang mit der Umwelt. Dabei soll auch der Industrietourismus nicht zu kurz kommen: Einige Reisende hatten ausdrücklich den Wunsch geäußert, die Sprengungen in der Muruntau-Mine zu Gesicht zu bekommen. Dort wäre es möglich, die Etappen des Goldabbaus von A bis Z zu beobachten.
Auch die Stadt Moʻynoq geht als gutes Beispiel voran: Einst barg sie eine gigantische Konservenfabrik, in der sogar Fisch aus dem Atlantik verarbeitet wurde. Aufmerksamkeit zog die Stadt in den letzten Jahren jedoch durch das breite Freizeitangebot auf sich. So richtete sie nicht nur das Festival Stihia für elektronische Musik, Kunst und Wissenschaft aus, sondern auch die Usbekische Autorallye-Meisterschaft. Die Strecke führte dabei über den Grund des einst riesigen Aralsees.
Vorbilder im Ausland
Erste positive Effekte lassen sich schon mit einem kleinen Budget erreichen. Dazu braucht es lediglich den Willen und etwas Fantasie. Die russische Stadt Myschkin im Gebiet Jaroslawl empfängt jährlich zehntausende Touristen, die allesamt die Mäusesammlung (russ. Mysch = Maus, Anm. d. Übersetzers) im weltweit einzigen Mäusemuseum bestaunen wollen. Nach der Besichtigung folgt meist ein Spaziergang durch die Gässchen der gut erhaltenen Handelsstadt, bevor sie bei den lokalen Künstlern noch ein Mitbringsel aufstöbern. Es scheint, als wäre die Zeit hier stehengeblieben.
Die Probleme der Monostädte sind in vielen Ländern die gleichen. 2014 zählte die Stiftung zur Entwicklung der Monostädte in Russland 319 Monostädte. In den ersten fünf Jahren nach Beginn verschiedener Programme sowie Investitionen in Höhe von 21,7 Milliarden Euro entstanden dort 406.000 Arbeitsplätze.
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Geht es um staatliche Unterstützung und Investitionen, lohnt sich auch ein Blick nach Deutschland: Hier hat man einem der ehemals größten Bergwerken mit einer Umwandlung zum Museum neues Leben eingehaucht [gemeint ist die Zeche Zollverein, Anm. d. Red.]. Sogar Ausstellungen und gutbesuchte Festivals finden dort statt.
Großbritannien kämpfte schon in den 70ern und 80ern mit den Problemen der Monostädte. Damals schlossen zahlreiche Unternehmen krisenbedingt ihre Tore, woraufhin sich die Politik gezwungen sah, ihre wichtigsten wirtschaftlichen Pfeiler zu diversifizieren. Experten verweisen hierbei immer wieder auf Glasgow. Dort entstanden mit dem neuen Kurs 50.000 Arbeitsplätze. Aktuell stellt der Dienstleistungssektor der Stadt sogar mehr als 90 Prozent der städtischen Arbeitsplätze.
Der Experte Ismatov ist sich sicher, dass die früchtebringenden Projekte anderer Länder auch der Entwicklung usbekischer Monostädte dienlich sind, passt man sie nur den örtlichen Gegebenheiten an.
Podrobno.uz
Aus dem Russischen von Arthur Siavash Klischat