In Tadschikistan können sich unverheiratete Paare nicht treffen, ohne Angst vor der Polizei haben zu müssen. Die Vereinten Nationen (UN) empfehlen Tadschikistan die Strafen für Prostitution abzuschaffen, da diese alle unverheirateten Paare im Land bedrohen. Der folgende Artikel erschien im russischsprachigen Original auf Asia-Plus. Wir übernehmen ihn mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.
Der UN-Ausschuss zur Beseitigung von Diskriminierung von Frauen (CEDAW) hat Tadschikistan dazu aufgerufen, die bestehenden Strafen für Prostitution aufzuheben. Während einer Sitzung in Genf erkundigte sich Ismat Jahan, eines der Mitglieder des Ausschusses, beim tadschikischen Delegationsleiter, Generalstaatsanwalt Jusuf Rachmon, welche Maßnahmen diesbezüglich ergriffen werden. Rachmon antwortete, dass „Prostitution in Tadschikistan kein Verbrechen, sondern eine Ordnungswidrigkeit [ist]. Kuppler, Zuhälter und Personen, die Bordelle organisieren werden aber strafrechtlich verfolgt.“ Die Mitglieder des Ausschusses bestehen aber darauf, dass die Strafen für Prostitution zur Gänze abgeschafft werden.
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Im Herbst 2015 hat das Parlament Tadschikistans die Strafe für Frauen, die der Prostitution nachgehen, verschärft. Wenn eine Prostituierte zweimal innerhalb eines Jahres festgenommen wird, muss sie eine Strafe zwischen 800 und 1000 Somoni (85 bis 106 US-Dollar) zahlen oder sie kann für 10 bis 15 Tage inhaftiert werden. Zuvor hatten sie eine Strafe von 400 bis 800 Somoni (43 bis 85 US-Dollar) zu zahlen.
Wie effektiv ist der Kampf gegen die Prostitution?
Allgemein gesprochen – gar nicht. BürgerechtlerInnen erklären, dass sich nach der Verschärfung der Bestrafungen für Prostitution die Situation von Frauen in Tadschikistan verschlechtert hat. In einem Bericht, den zwei Bürgerrechtsorganisationen für die UN erarbeitet haben, heißt es, dass Fälle von Unterdrückung, Gewalt und Rechtsverletzungen gegenüber Sexarbeiterinnen in Tadschikistan weit verbreitet sind. Meistens gehen sie von Mitarbeitern der Sicherheitsorgane aus.
„Die Prostitution als solche wird im Grunde genommen gar nicht bekämpft. Die Bekämpfung begrenzt sich auf ein regelmäßiges Einsammeln der Sexarbeiterinnen durch die Miliz“, sagen SpezialistInnen, die sich mit dem Probleme beschäftigen. „Man nimmt sie fest, presst ihnen manchmal Geld ab und lässt sie wieder laufen.“
Laut dem UN-Bericht kommt es aber auch vor, dass Frauen gezwungen werden Analysen auf geschlechtlich übertragbare Infektionen und Aids abzugeben, dass man die Eltern über die Festnahme informiert, die Frauen in einer Sexarbeiterinnen-Liste aufnimmt und ihre Geständnisse auf Video aufzeichnet.
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Der stellvertretende Direktor der staatlichen Einrichtung „Republikanisches Zentrum für Prophylaxe und den Kampf gegen Aids“ Dilschod Sajbuchonow meint, dass ein derartiges Vorgehen sowie die Verschärfung der Strafen für Prostituierte die Situation in Bezug auf Epidemien im Land verschlechtern könnte.
„Das Gesundheitssystem gehört zur humanitären Sphäre und wir dürfen nicht das Verhalten von Personen bewerten, sondern müssen alles tun um das Risiko zu verringern, dass eine HIV-infizierte Person eine andere Person ansteckt“, sagt er. Um das Infektionsrisiko zu senken gebe es seinen Worten nach im Land eine Reihe von Einrichtungen wie Aids-Zentren, die prophylaktische Veranstaltungen durchführen, Präservative und Informationsmaterialien verteilen sowie kostenlose, anonyme HIV-Tests durchführen.
Die verschärfte Bestrafung von Sexarbeiterinnen führe seiner Meinung nach nur dazu, dass sich weniger Betroffene an internationale Organisationen oder Aids-Zentren wenden, was deren Arbeit erschwere. „Das geschieht alles verdeckt und kann sich sehr negativ auf die Situation mit Epidemien auswirken. Vielleicht nicht sofort, sondern in fünf bis zehn Jahren. Aber es wird passieren“, meint Sajbuchonow.
Auswirkungen auf andere BürgerInnen
Es ist also offensichtlich, dass die ergriffenen Maßnahmen im Kampf gegen die Prostitution nicht effektiv sind. Gleichzeitig wirken sich diese Maßnahmen aber auf andere BürgerInnen aus, wie die folgenden beiden Beispiele zeigen.
„Ich bin 35 Jahre alt und unverheiratet. Aber natürlich treffe ich mich mit Männern. Eine außereheliche Beziehung zu führen ist aber in Tadschikistan für Frauen manchmal unmöglich!“, sagt Tachmina aus Duschanbe. „Ich habe keine Wohnung, in die ich jemanden einladen könnte und es kommt häufig vor, dass die Männer auch keinen solchen Ort haben. Das ist normal. Nicht normal ist aber, dass es bei uns im Unterschied zu entwickelten Ländern nicht möglich ist, ein Privatleben zu haben, wenn man nicht verheiratet ist. Eine Wohnung mieten darf man nicht und die Miliz macht Jagd auf Prostituierte und wenn du in einer fremden Wohnung mit einem Mann bist, nehmen sie dich wegen Prostitution mit aufs Revier oder nehmen dir Geld ab. Im Hotel kann man sich auch nicht treffen, da man dich ohne Trauschein oder Stempel im Pass nicht rein lässt. Was sollen allein stehende Menschen in so einem Fall machen?
Vor kurzen haben ich mich mit einem Freund getroffen – einfach ein Freund, der für einige Tage in unser Land gekommen ist. Er kennt unsere Stadt nur schlecht, weswegen ich zu ihm ins Hotel fuhr. Ich bin für nicht mehr als eine Minute zu ihm ins Zimmer gegangen, während er seine Sachen zusammenpackte um ins Café zu gehen. Da trommelte es schon an der Tür. Es war der Administrator. Er forderte, dass ich das Zimmer verlasse, da es verboten sei sich im Zimmer mit einer Frau aufzuhalten. Was ist das für ein Service bei uns?“
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„Ich habe eine Freundin. Wir sind noch nicht verheiratet, haben das aber vor“, erzählt Daschachongir, der ebenfalls in der Hauptstadt wohnt. „Sowohl ihre als auch meine Eltern sind mit unserer Beziehung einverstanden. Wir verbringen viel Zeit miteinander. Häufig gehen wir im Park spazieren und das ist das größte Problem.
Es kamen schon zweimal Milizionäre auf uns zu, um zu klären wer wir seien, warum wir uns küssen und uns umarmen… Und einmal nahm man uns mit aufs Revier. Ich weiß nicht, was sie dachten, aber ihren Fragen und ihrem unverschämten Verhalten nach meinten sie wohl, dass meine Freundin eine Prostituierte sei, mit der ich mich im Park über den Preis einigen wollte. Sie bestanden darauf, dass mein Bruder meinen Pass zum Revier brachte, registrierten mich aus irgendeinem Grund und als sie uns gehen ließen, musste ich 100 Somoni bezahlen! Wofür?“
Hotels und Mietwohnungen sind das eine. Der Kampf gegen Prostitution geht aber weiter. Um vorzubeugen ist es jetzt verboten, dass unverheiratete Paare (ohne ein entsprechendes Dokument) gemeinsam die Sauna besuchen.
Was sagt das Innenministerium?
Interessanterweise streitet das Innenministerium die Tatsache ab, dass es Überprüfungen und eine „Jagd“ auf Prostituierte gibt. Vielmehr teilt es offiziell mit, dass es keine Verfügung im Namen des Innenministers gibt, die besagt, dass unverheiratete Paare sich nicht gemeinsam im Hotel oder in der Sauna aufhalten dürfen – oder gar dass sie keine gemeinsame Wohnung mieten dürfen.
Am 23. Oktober teilte Radio Osodi mit Verweis auf den Pressesekretär des Innenministeriums Umardschon Emomali mit, dass derartige Regeln (für Saunas) eingeführt worden seien, um zu verhindern, dass Spelunken für Prostitution geschaffen werden. Gegenüber Asia-Plus sagte er: „Bei uns gibt es kein Verbot, das besagt, dass unverheiratete Paare kein Hotelzimmer nehmen oder nicht gemeinsam die Sauna besuchen dürfen.“
„Am ehesten ist es so, dass die Verbote selbst von den Eigentümern der Saunas und Hotels eingeführt werden, damit bei ihnen Ordnung herrscht. Manchmal kommen an solche Orte eben nicht Paare, sondern Sexarbeiterinnen und ihre Kunden. Wahrscheinlich wollen die Besitzer mit solchen Verboten sie von sich fernhalten“, vermutet Emomali.
Aus dem Russischen von Robin Roth
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